Morgengedanken

Sonntag, 25. 11. 2001. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

von Sr. Dr. Kunigunde Fürst (Vöcklabruck, OÖ)

 

 

Sonntag, 25. November

 

Einen schönen Sonntagmorgen, am letzten Sonntag dieses Monats: Fest des Königs Christus. Der Fest-Inhalt, Christus als König, thronend über allem irdischen Leid, ist ein Bild, von dem manche Menschen träumen. Dieses Bild aber scheint keine Kraft mehr zu haben. Nichts mehr von Begeisterung und Jubel, Fahnen, Aufmarsch und Liedern - Christus, König, dir allein, schwör ich die Liebe, bis in den Tod die Treue.

 

Der Fest-Inhalt ist aber auch die Königsgestalt des Christus der Evangelien. Ein anderes Bild wird vorgestellt: Die Evangelien zeichnen die Gestalt eines geschundenen Menschen, des Ecce Homo, des Menschen am Pranger, des Menschen, der der Wut und dem Hass anderer ausgeliefert ist.

 

Bilder sind zeitbedingt; sie bringen aber auch die Spannung zum Ausdruck, in der unsere christliche Existenz, unser Leben, sich vollzieht:

 

Da ist die Suche nach dem Starken und dem, der Schutz und Hilfe bietet, der Gottkönig, dem alles unterworfen ist und da ist der menschennahe Christus, dem die Not und Einsamkeit, die Schwäche und Erniedrigung des Menschen zu Herzen geht.

 

Dieser Christus, Alpha und Omega, Anfang und Ende der Geschichte, er ist - so glaube ich und viele mit mir - der königliche Mensch und Gott, der meine menschliche Erbärmlichkeit in sein göttliches Erbarmen hüllt - und das für immer.

 

 

Montag, 26. November

 

Im November gedenken wir unserer Toten und beten: "Herr lass sie ruhen in Frieden." Beim Totengedenken auf unserem Friedhof in Vöcklabruck hat es geheißen, beten wir doch für uns um ein wenig Ruhe, um Frieden, dass wir eine Ahnung von der ewigen Ruhe, vom ewigen Frieden bekommen.

 

Ruhe und Frieden, Traum oder Wirklichkeit für unseren Alltag, der sehr geschäftig ist und vor lauter Bedeutsamkeiten strotzt. Ruhe und Frieden, Zustände, die wünschenswert sind? Ruhe und Frieden, lebens- und überlebenswichtige Phasen in Stunden der Krankheit, in Depression und Verzweiflung, in Zeiten der Uneinigkeit und des Zerwürfnisses!

 

Ich wünsche mir Ruhe nach einem anstrengenden Tag, ich wünsche mir Frieden, wenn Missverständnisse und Unklarheiten das Miteinander verdunkeln.

 

Frieden, sagt Augustinus, ist die Ruhe, die in der Ordnung liegt.

 

Deshalb ist es mir immer sehr wertvoll, wenn als Abschluss eines Gottesdienstes das Wort steht: "Geht hin in Frieden." Es heißt, geht im Auftrag Jesu, in der Lebensordnung Jesu, in seinen Spuren - ihr seid gesendet, Frieden zu bringen als einzelne und als kirchliche Gemeinschaft.

 

Lasst uns deshalb beten für Tote und Lebende: Herr, schenke uns Ruhe und Frieden!

 

 

Dienstag, 27. November

 

Wie verabschieden sie sich heute ,wenn sie aus dem Haus gehen? Was sagen sie zu ihrem Kind - zu ihrem Partner? Wie verabschieden sie sich von ihrer Arbeitsstelle bzw. von ihren MitarbeiterInnen dort? Wie verabschieden sie sich nach dem Besuch bei einem Kranken? Wie gehen sie auseinander nach einem gemütlichen Beisammensein?

 

Kennen sie das "Pfiat Gott" noch? Es ist längst schon abgelöst worden vom viel moderneren Worten wie Tschüss oder Hey, Servus oder von einer wortlosen Geste.

 

Pfiat Gott mag altertümlich klingen. Pfiat Gott oder Pfiatdi hat aber eine innere Kraft, denn es bedeutet: Behüt dich Gott - Sei behütet!

 

Was spreche ich einem Menschen zu, dem ich dieses Wort zum Abschied sage?

 

Ich wünsche ihm die Nähe Gottes, einen beruhigenden Arm, der sich um die Schulter legt, eine behutsame Hand, die mir Böswilliges fernhält.

 

In einem irischen Segensgebet zum Abschied heißt es: "Möge der Weg dir nicht zu lang werden, der Wind niemals gegen dich stehen. Sonnenschein dein Gesicht bräunen, Wärme dich erfüllen. Der Regen möge deine Felder tränken, Leid dein Haus verschonen. Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand."

 

Pfiat Gott - behüt sie Gott an diesem Tag und immer.

 

 

Mittwoch, 28.November

 

Auf Wiedersehen!, so steht es auf den Schleifen der Kränze für die Toten, Auf Wiedersehen sagen wir, wenn wir uns beim Verabschieden freuen, jemanden wieder in den Blick zu bekommen. Es ist die Freude, einander erneut zu begegnen - im Leben und nach diesem Leben. Wenn wir es den Toten zurufen, dann drücken wir damit eine Hoffnung aus, die über den Grabrand hinausgeht: Hoffnung auf Leben bei Gott. Schon Jesus sprach vom Wiedersehen. Er wird hingehen und uns eine Wohnung bereiten, dann wird er wiederkommen - dann werden wir ihn wiedersehen. Und er sagt seinen Jüngern auch, trauert nicht!

 

Dazwischen liegt freilich die dunkle Straße der Angst und des Abschieds, des Todes und der Zerstörung des Be-greifbaren.

 

Auf Wiedersehen - das erinnert mich an die Begegnungen in Kasachstan - als wir Schwestern uns von den Menschen dort verabschiedeten, stand dieses Gefühl als Frage groß im Raum - werden wir uns wiedersehen? Werden wir uns wiedersehen, weil es uns Menschen im Westen ernst ist, dieser östlichen Welt wieder zu begegnen? Fragende Augen: Wollt ihr uns wiedersehen, wollt ihr euer Leben mit uns teilen?

 

Und wir haben entschieden: Ja, wir wollen, dass ihr nicht vergessen seid - wir werden einander wiedersehen. Dieses Wissen gibt Kraft und verleiht Flügel!

 

 

Donnerstag, 29. November

 

Vor einigen Wochen fand ein Seminar für ältere Menschen statt - Thema war: Dankbarkeit - ein Schlüssel zum Himmelreich. Für alle Teilnehmerinnen waren es erfüllende Tage. Wenn die Dankbarkeit ein Schlüssel zum Himmelreich ist, heißt das auch, ein Schlüssel zu Lebensfülle, Freude und Glück; ein Schlüssel zum Paradies.

 

Es ist wohl nicht immer leicht, Danke zu sagen: wenn persönliche Enttäuschungen das Leben schwer machen. Festgefahrene Muster lassen uns nicht los, Gewohnheiten hindern und hemmen uns, dankbar zu sein. Wir starren auf das, was wir nicht haben, was uns das Leben vorenthalten hat - und finden zu keinem Dank. Wir vergleichen uns mit dem Nachbarn und glauben, schlechter dran zu sein, weniger Chancen zu haben, mehr vom Schatten des Lebens abzukriegen.

 

Dieses und vieles noch lässt uns in die Falle der Undankbarkeit rutschen, die uns beengt und fesselt.

 

Wie oft können wir es heute sagen, das befreiende Danke! Oder auch: Gott sei Dank!

 

Als Motto stand über dem Seminar: Der einzige Blick in die Vergangenheit, der Sinn schafft, ist der der Dankbarkeit.

 

Wenn das gelingt, mit dankbaren Augen auf das eigene Leben und die persönliche Geschichte zu schauen, dann wächst daraus Lebenssinn. Ja, es ist gut, dem Herrn zu danken, sagt auch der Psalmist (Ps 92)

 

 

Freitag, 30. November

 

Ein im Raum der Kirche geläufiges Wort möchte ich heute mit ihnen meditieren, das einfache Wort: Amen. Sie kennen es vielleicht auch aus Debatten, wo es heißt: Schluss, aus, amen. Damit ist Ende der Debatte! Jetzt wird ein Punkt gemacht.

 

In der Sprache des Gebetes wird Amen übersetzt mit, Ja, so ist es.

 

Wenn in der Liturgie ein Gebet beendet wird - durch Christus unsern Herrn, dann antworten alle: Amen. Ja das bitte ich wirklich, dazu stehe ich.

 

Im Evangelium nach Johannes kommt das Wort AMEN wiederholt am Beginn eines Satzes vor. Wenn Johannes Jesus mit besonderer Eindringlichkeit sprechen lässt, dann steht: Amen, amen, ich sage euch... Manche übersetzen mit: wahrlich, wahrlich, ich sage euch - So ist es, so ist es und nicht anders, könnte man frei übertragen.

 

Ein solches Wort ist z. B.: Amen, amen, ich sage euch: was ihr von meinem Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben (Joh 16,23). Ein Wort von großer Zuversicht.

 

Und nochmals begegnet es am Ende der Offenbarung des Johannes. Dort wird den Menschen der Ruf in den Mund gelegt: Amen, komm Herr Jesus.

Ja wir erwarten dich wirklich, komm in unsere Welt und in unsere Zeit. Wir sind in Bedrängnis und Not.

 

 

Samstag, 1.Dezember

 

Der Gruß der Liturgie, der in der Eucharistiefeier einige Male gesprochen wird, lautet: Der Herr sei mit euch - der Herr ist mit euch - dominus vobiscum. Er wird mitunter - wie die Paulusbriefe in der Grußadresse dies tun- in der Erstbegegnung erweitert zu: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen, oder: Gnade und Friede von dem, der ist und der war und der kommen wird, oder: Die Gnade Jesu Christi, die Liebe des Vaters und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch!

 

Was uns in diesem Gruß als Wunsch zugesprochen wird, ist dies, dass Gott mit uns sei, dass seine Gnade uns erfüllen möchte, dass seine Liebe uns bewegen möchte, wenn wir sie nur annehmen.

 

Der Wunsch schließt ein, was in einem irischen Segensgebet geschrieben ist:

"Christus neben mir - Christus vor mir - Christus hinter mir - Christus in mir - Christus an meiner Rechten - Christus an meiner Linken - Christus wenn ich ruhe - Christus, wenn ich sitze - Christus wenn ich aufstehe. Christus in den Herzen aller, die an mich denken - Christus im Mund aller, die mit mir sprechen - Christus in jedem Auge, das mich sieht - Christus in jedem Ohr, das mich hört."

 

Der Herr sei mit Ihnen, wenn Sie den Tag beginnen und wenn sie den Tag dankbar in Gottes Hand zurücklegen.

 

Der Herr sei mit ihnen in den Tagen des Advent, er finde sie bereit zum Hören und Sehen, zum Danken und Segnen.