von Sr. Dr. Kunigunde Fürst (Vöcklabruck, OÖ)
Sonntag, 25. November
Einen schönen Sonntagmorgen, am letzten Sonntag
dieses Monats: Fest des Königs Christus. Der Fest-Inhalt, Christus
als König, thronend über allem irdischen Leid, ist ein Bild, von
dem manche Menschen träumen. Dieses Bild aber scheint keine Kraft
mehr zu haben. Nichts mehr von Begeisterung und Jubel, Fahnen,
Aufmarsch und Liedern - Christus, König, dir allein, schwör ich
die Liebe, bis in den Tod die Treue.
Der Fest-Inhalt ist aber auch die Königsgestalt
des Christus der Evangelien. Ein anderes Bild wird vorgestellt: Die
Evangelien zeichnen die Gestalt eines geschundenen Menschen, des
Ecce Homo, des Menschen am Pranger, des Menschen, der der Wut und
dem Hass anderer ausgeliefert ist.
Bilder sind zeitbedingt; sie bringen aber auch die
Spannung zum Ausdruck, in der unsere christliche Existenz, unser
Leben, sich vollzieht:
Da ist die Suche nach dem Starken und dem, der
Schutz und Hilfe bietet, der Gottkönig, dem alles unterworfen ist
und da ist der menschennahe Christus, dem die Not und Einsamkeit,
die Schwäche und Erniedrigung des Menschen zu Herzen geht.
Dieser Christus, Alpha und Omega, Anfang und Ende
der Geschichte, er ist - so glaube ich und viele mit mir - der
königliche Mensch und Gott, der meine menschliche Erbärmlichkeit
in sein göttliches Erbarmen hüllt - und das für immer.
Montag, 26. November
Im November gedenken wir unserer Toten und beten:
"Herr lass sie ruhen in Frieden." Beim Totengedenken auf
unserem Friedhof in Vöcklabruck hat es geheißen, beten wir doch
für uns um ein wenig Ruhe, um Frieden, dass wir eine Ahnung von der
ewigen Ruhe, vom ewigen Frieden bekommen.
Ruhe und Frieden, Traum oder Wirklichkeit für
unseren Alltag, der sehr geschäftig ist und vor lauter
Bedeutsamkeiten strotzt. Ruhe und Frieden, Zustände, die
wünschenswert sind? Ruhe und Frieden, lebens- und
überlebenswichtige Phasen in Stunden der Krankheit, in Depression
und Verzweiflung, in Zeiten der Uneinigkeit und des Zerwürfnisses!
Ich wünsche mir Ruhe nach einem anstrengenden
Tag, ich wünsche mir Frieden, wenn Missverständnisse und
Unklarheiten das Miteinander verdunkeln.
Frieden, sagt Augustinus, ist die Ruhe, die in der
Ordnung liegt.
Deshalb ist es mir immer sehr wertvoll, wenn als
Abschluss eines Gottesdienstes das Wort steht: "Geht hin in
Frieden." Es heißt, geht im Auftrag Jesu, in der Lebensordnung
Jesu, in seinen Spuren - ihr seid gesendet, Frieden zu bringen als
einzelne und als kirchliche Gemeinschaft.
Lasst uns deshalb beten für Tote und Lebende:
Herr, schenke uns Ruhe und Frieden!
Dienstag, 27. November
Wie verabschieden sie sich heute ,wenn sie aus dem
Haus gehen? Was sagen sie zu ihrem Kind - zu ihrem Partner? Wie
verabschieden sie sich von ihrer Arbeitsstelle bzw. von ihren
MitarbeiterInnen dort? Wie verabschieden sie sich nach dem Besuch
bei einem Kranken? Wie gehen sie auseinander nach einem gemütlichen
Beisammensein?
Kennen sie das "Pfiat Gott" noch? Es ist
längst schon abgelöst worden vom viel moderneren Worten wie
Tschüss oder Hey, Servus oder von einer wortlosen Geste.
Pfiat Gott mag altertümlich klingen. Pfiat Gott
oder Pfiatdi hat aber eine innere Kraft, denn es bedeutet: Behüt
dich Gott - Sei behütet!
Was spreche ich einem Menschen zu, dem ich dieses
Wort zum Abschied sage?
Ich wünsche ihm die Nähe Gottes, einen
beruhigenden Arm, der sich um die Schulter legt, eine behutsame
Hand, die mir Böswilliges fernhält.
In einem irischen Segensgebet zum Abschied heißt
es: "Möge der Weg dir nicht zu lang werden, der Wind niemals
gegen dich stehen. Sonnenschein dein Gesicht bräunen, Wärme dich
erfüllen. Der Regen möge deine Felder tränken, Leid dein Haus
verschonen. Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in
seiner Hand."
Pfiat Gott - behüt sie Gott an diesem Tag und
immer.
Mittwoch, 28.November
Auf Wiedersehen!, so steht es auf den Schleifen
der Kränze für die Toten, Auf Wiedersehen sagen wir, wenn wir uns
beim Verabschieden freuen, jemanden wieder in den Blick zu bekommen.
Es ist die Freude, einander erneut zu begegnen - im Leben und nach
diesem Leben. Wenn wir es den Toten zurufen, dann drücken wir damit
eine Hoffnung aus, die über den Grabrand hinausgeht: Hoffnung auf
Leben bei Gott. Schon Jesus sprach vom Wiedersehen. Er wird hingehen
und uns eine Wohnung bereiten, dann wird er wiederkommen - dann
werden wir ihn wiedersehen. Und er sagt seinen Jüngern auch,
trauert nicht!
Dazwischen liegt freilich die dunkle Straße der
Angst und des Abschieds, des Todes und der Zerstörung des
Be-greifbaren.
Auf Wiedersehen - das erinnert mich an die
Begegnungen in Kasachstan - als wir Schwestern uns von den Menschen
dort verabschiedeten, stand dieses Gefühl als Frage groß im Raum -
werden wir uns wiedersehen? Werden wir uns wiedersehen, weil es uns
Menschen im Westen ernst ist, dieser östlichen Welt wieder zu
begegnen? Fragende Augen: Wollt ihr uns wiedersehen, wollt ihr euer
Leben mit uns teilen?
Und wir haben entschieden: Ja, wir wollen, dass
ihr nicht vergessen seid - wir werden einander wiedersehen. Dieses
Wissen gibt Kraft und verleiht Flügel!
Donnerstag, 29. November
Vor einigen Wochen fand ein Seminar für ältere
Menschen statt - Thema war: Dankbarkeit - ein Schlüssel zum
Himmelreich. Für alle Teilnehmerinnen waren es erfüllende Tage.
Wenn die Dankbarkeit ein Schlüssel zum Himmelreich ist, heißt das
auch, ein Schlüssel zu Lebensfülle, Freude und Glück; ein
Schlüssel zum Paradies.
Es ist wohl nicht immer leicht, Danke zu sagen:
wenn persönliche Enttäuschungen das Leben schwer machen.
Festgefahrene Muster lassen uns nicht los, Gewohnheiten hindern und
hemmen uns, dankbar zu sein. Wir starren auf das, was wir nicht
haben, was uns das Leben vorenthalten hat - und finden zu keinem
Dank. Wir vergleichen uns mit dem Nachbarn und glauben, schlechter
dran zu sein, weniger Chancen zu haben, mehr vom Schatten des Lebens
abzukriegen.
Dieses und vieles noch lässt uns in die Falle der
Undankbarkeit rutschen, die uns beengt und fesselt.
Wie oft können wir es heute sagen, das befreiende
Danke! Oder auch: Gott sei Dank!
Als Motto stand über dem Seminar: Der einzige
Blick in die Vergangenheit, der Sinn schafft, ist der der
Dankbarkeit.
Wenn das gelingt, mit dankbaren Augen auf das
eigene Leben und die persönliche Geschichte zu schauen, dann
wächst daraus Lebenssinn. Ja, es ist gut, dem Herrn zu danken, sagt
auch der Psalmist (Ps 92)
Freitag, 30. November
Ein im Raum der Kirche geläufiges Wort möchte
ich heute mit ihnen meditieren, das einfache Wort: Amen. Sie kennen
es vielleicht auch aus Debatten, wo es heißt: Schluss, aus, amen.
Damit ist Ende der Debatte! Jetzt wird ein Punkt gemacht.
In der Sprache des Gebetes wird Amen übersetzt
mit, Ja, so ist es.
Wenn in der Liturgie ein Gebet beendet wird -
durch Christus unsern Herrn, dann antworten alle: Amen. Ja das bitte
ich wirklich, dazu stehe ich.
Im Evangelium nach Johannes kommt das Wort AMEN
wiederholt am Beginn eines Satzes vor. Wenn Johannes Jesus mit
besonderer Eindringlichkeit sprechen lässt, dann steht: Amen, amen,
ich sage euch... Manche übersetzen mit: wahrlich, wahrlich, ich
sage euch - So ist es, so ist es und nicht anders, könnte man frei
übertragen.
Ein solches Wort ist z. B.: Amen, amen, ich sage
euch: was ihr von meinem Vater erbitten werdet, das wird er euch in
meinem Namen geben (Joh 16,23). Ein Wort von großer Zuversicht.
Und nochmals begegnet es am Ende der Offenbarung
des Johannes. Dort wird den Menschen der Ruf in den Mund gelegt:
Amen, komm Herr Jesus.
Ja wir erwarten dich wirklich, komm in unsere Welt
und in unsere Zeit. Wir sind in Bedrängnis und Not.
Samstag, 1.Dezember
Der Gruß der Liturgie, der in der
Eucharistiefeier einige Male gesprochen wird, lautet: Der Herr sei
mit euch - der Herr ist mit euch - dominus vobiscum. Er wird
mitunter - wie die Paulusbriefe in der Grußadresse dies tun- in der
Erstbegegnung erweitert zu: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
sei mit euch allen, oder: Gnade und Friede von dem, der ist und der
war und der kommen wird, oder: Die Gnade Jesu Christi, die Liebe des
Vaters und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch!
Was uns in diesem Gruß als Wunsch zugesprochen
wird, ist dies, dass Gott mit uns sei, dass seine Gnade uns
erfüllen möchte, dass seine Liebe uns bewegen möchte, wenn wir
sie nur annehmen.
Der Wunsch schließt ein, was in einem irischen
Segensgebet geschrieben ist:
"Christus neben mir - Christus vor mir -
Christus hinter mir - Christus in mir - Christus an meiner Rechten -
Christus an meiner Linken - Christus wenn ich ruhe - Christus, wenn
ich sitze - Christus wenn ich aufstehe. Christus in den Herzen
aller, die an mich denken - Christus im Mund aller, die mit mir
sprechen - Christus in jedem Auge, das mich sieht - Christus in
jedem Ohr, das mich hört."
Der Herr sei mit Ihnen, wenn Sie den Tag beginnen
und wenn sie den Tag dankbar in Gottes Hand zurücklegen.
Der Herr sei mit ihnen in den Tagen des Advent, er
finde sie bereit zum Hören und Sehen, zum Danken und Segnen.