von Superintendent Werner Horn (Wien) v.d.
Evang. Kirche
Sonntag, 2. Dezember 2001
Heute feiern wir den ersten Adventsonntag. Die
erste Kerze am Adventkranz wird entzündet. Kinder zählen ab jetzt
die Tage bis Weihnachten.
Grund auch für Erwachsene, die vor uns liegenden
Tage einmal bewusst zu zählen? Sich die Bedeutung der Zahl bewusst
zu machen? Jede Zahl sagt etwas aus. In vielerlei Hinsicht.
Heute die eins. Wer eine eins in der Schule
bekommt, kann sich freuen. Die eins ist die beste Note bei der
Schularbeit und im Zeugnis. Die eins ist das allen Zahlen gemeinsame
Maß. Sie ist der Gegensatz zur Vielheit.
Daher ist sie die Zahl der göttlichen Einheit.
"Gott ist einer", heißt es in der Bibel, sein Wesen ist
Einheit. Der Mensch freilich hat die ursprüngliche Einheit zwischen
dem Schöpfer und seinem Geschöpf gestört. Darum wollte Jesus als
der eine Mittler zwischen Gott und uns Menschen die verlorene
Einheit und Gemeinschaft wiederherstellen. Deshalb bereiten wir uns
jedes Jahr aufs neue vor, um seine Geburt und Menschwerdung zu
feiern.
Und noch etwas sagt die Bibel: Gott hat aus Juden
und Heiden ein neues Gottesvolk geschaffen, in dem es gilt, die
Einigkeit durch das Band des Friedens zu erhalten. Wir sind berufen
zu einerlei Hoffnung, haben einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe,
einen Gott und Vater.
Montag, 3. Dezember 2001
Heute ist der zweite Tag der angebrochenen
Adventzeit. Die Zahl zwei hat eine vielfältige Bedeutung.
Im Zeugnis ist die zwei gleichbedeutend mit
"gut". Die zwei ist aber auch die Zahl der kleinsten
Gemeinschaft. Zwei Menschen können einander in Freundschaft oder
Liebe zugewandt sein. Die Ehe ist die Überwindung der Einsamkeit
und möchte das Glück der Zweisamkeit vermitteln. Gegen das
Singletum setzt Gott die Ehe als Geschenk der menschlichen
Gemeinschaft.
Schon in der Bibel müssen zwei Zeugen die
Wahrheit jeder Aussage bestätigen. Je zwei Jünger zusammen sendet
Jesus aus, um das Reich Gottes anzusagen. Und er sagt: Niemand kann
zwei Herren dienen. Er muss sich entscheiden zwischen Gott und den
Mammon. Und am Ende der Bergpredigt spricht er von den zwei Wegen:
dem breiten Weg, der zur Verdammnis führt, und dem schmalen Weg,
der zum Leben führt.
Oft bin ich hin- und hergerissen zwischen zwei
Möglichkeiten und weiß nicht, welche ich wählen soll. Der Mensch
muss sich entscheiden, welchen Weg er gehen will. Und er sollte
wissen: Nicht immer ist der angenehme, bequeme Weg der bessere.
Dienstag, 4. Dezember 2001
Heute ist der dritte Tag der Adventzeit Die Zahl
drei ist eine besondere. In Märchen, Sagen und Legenden begegnet
sie uns oft. Aber auch in der Bibel: Drei Tage war der biblische
Joseph im Brunnen und drei Tage war Paulus blind. Die heiligen drei
Könige sind ebenso bekannt wie die drei Brüder oder drei
Schwestern im Märchen und die drei Rosen oder drei Lilien im
Volkslied. Ein Gast soll, nach türkischer Sitte, drei Tage, drei
Wochen oder drei Monate bleiben.
Die alten Griechen haben von einer Dreiteilung des
Menschen gesprochen: Leib, Seele und Geist. Und der jüdische Tempel
in Jerusalem bestand aus drei Teilen: dem Vorhof, dem Heiligen und
dem Allerheiligsten. Diese drei Teile bildeten das Heiligtum, die
Wohnung Gottes unter seinem Volk. Dreimal ertönt das
"Heilig" bei der Berufung des Propheten Jesaja. Und
dreigliedrig ist auch der aaronitische Segen in der Bibel, der jeden
evangelischen Gottesdienst am Sonntag beschließt.
Auch bei Jesus spielt die Dreizahl eine Rolle:
Dreifach ist der Angriff des Versuchers gegen ihn und drei Tage
liegen zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung.
Schon sehr früh hat christliche Theologie von der
Dreieinigkeit Gottes gesprochen. Sie wollte damit aussagen: Gott
offenbart sich als Vater, Sohn und Geist. Diese Trinität gedanklich
ganz zu verstehen, übersteigt freilich unsere Möglichkeiten. Sie
bleibt ein Geheimnis.
Mittwoch, 5. Dezember 2001
Schon den vierten Tag seit Beginn der Adventzeit
begehen wir heute. Was hat es mit der Zahl vier auf sich?
Wir kennen vier Jahreszeiten. Vier ist die Zahl
der Himmelsrichtungen und der Winde. Die vier bezeichnet die
Gesamtheit der geschaffenen Welt. Daher spricht die Bibel von den
vier Enden der Erde und von den vier "Hauptwassern", in
die sich der Paradiesstrom teilt.
Vierzig Jahre wandert Israel in der Wüste,
vierzig Tage weilt Mose auf dem Gottesberg und der Prophet Elia
braucht vierzig Tage und vierzig Nächte zur Wallfahrt an den Horeb:
Auch von Jesus heißt es, dass er vierzig Tage und vierzig Nächte
in der Wüste gefastet hat.
Weiters spielt die vier eine Rolle in der
Beschreibung der vier lebendigen Wesen am Thron Gottes, wie sie im
letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, enthalten ist.
Mehrstimmiger Gesang ist in der Regel vierstimmig.
Sopran, Alt, Tenor und Bass teilen sich die Stimmen. In einem
Streich-Quartett spielen zwei Violinen, eine Bratsche und ein
Violoncello. Auch bei Unterhaltungsspielen ist es gut, wenn es vier
sind.
Vier ist eine gute Zahl. Zu viert lässt sich
schon etwas machen. Das können zwei Ehepaare sein oder vier
Freunde. Vier entwickeln noch einmal ein anderes
Gemeinschaftsgefühl als zwei. Das merken auch zwei Eheleute, wenn
sie etwa zwei Kinder haben.
Donnerstag, 6. Dezember 2001
In China galt die fünf als Glückszahl. Der Islam
spricht von fünf Säulen des Glaubens und vom fünfmaligen Gebet,
das der Gläubige täglich verrichten soll.
Dem Pentagramm hat man magische, auch abwehrende
Kräfte zugesprochen.
In der Bibel begegnet uns die Fünf-Zahl in der
Geschichte von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen.
Die einen schlafen ein, die anderen bleiben wach, bis der Bräutigam
- gemeint ist Christus - kommt. Daher haben sie Öl mitgenommen als
Lichtreserve für den Weg durch die Nacht. Die fünf törichten
Jungfrauen haben auf dieses Öl vergessen.
Man kann das Leben und das Entscheidende im Leben
verschlafen. Man kann aber auch wachen Auges und Sinnes seine Tage
zubringen. Man kann viel erleben und doch blind bleiben für das
wirkliche Leben. Man kann die Stunden verplempern mit Unnützem.
Oder aber: man kann bewusst das aufgreifen, was der Tag einem bietet
als Chance, auch als Aufgabe.
Vielleicht haben wir ein Ölproblem. Vielleicht
fehlt uns der Wille, die Hoffnung durchzuhalten, die Geduld im
Warten. Vielleicht fehlt uns manchmal im entscheidenden Augenblick
das rettende Licht, die helfende Erleuchtung. Vielleicht löschen
wir unsere Lichter zu früh aus und es bleibt dann dunkel, wenn
Licht nötig wäre.
Freitag, 7. Dezember 2001
Mit diesem Morgen liegt bereits der sechste Tag
der Adventzeit vor uns.
Sechs Tage beträgt nach der Bibel die Zahl der
Schöpfungstage. In sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen. Damit
ist nicht eine naturwissenschaftliche Aussage gemacht, denn wir
wissen natürlich, dass die Entstehung der Welt, so wie wir sie
heute vor Augen haben, wesentlich länger, nämlich Millionen von
Jahren gedauert hat.
Und doch hat die Darstellung der Schöpfung in
einem Sechs-Tage-Werk einen tiefen Sinn. Sie macht deutlich, dass
diese Welt einen Anfang hat und dass sie in einer bestimmten Ordnung
und Reihenfolge entstanden ist, die nicht zufällig ist, sondern
Gottes Plan und Willen entspricht. Dabei ist es erstaunlich, dass im
wesentlichen auch die Naturwissenschaft die gleiche Reihenfolge in
der Entstehungsgeschichte der Erde beschreibt wie der biblische
Schöpfungsbericht.
Gottes Schöpfung wohnt ein Sinn und eine
Ur-Ordnung inne. Daher ist die Schöpfung nicht stumm. Sie redet
durch diese Ordnung zum Menschen und weist ihn auf den Schöpfer
hin. "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste
verkündigt seiner Hände Werk", heißt es deshalb im 19.
Psalm.
Von dieser Ordnung leben wir heute noch. Gott
wollte die Welt und darum existiert sie. Er wollte die ganze
Vielfalt der Pflanzen und Tiere und darum dürfen wir sie nicht
ausrotten. Er wollte schließlich den Menschen, aber nicht, damit er
diese Erde zerstört, sondern damit er sie erhält und sich an ihr
erfreut.
Samstag, 8. Dezember 2001
Mit dem siebenten Tag der Adventzeit geht bereits
die erste Woche zu Ende.
Die Zahl sieben war schon bei den Sumerern heilig,
dann speziell bei den Sunniten. Sie bezeichnet die Vollkommenheit
des Universums. Im jüdischen Sabbat kommt Gott nach sechs
Schöpfungstagen zur Ruhe und das jüdische Volk leitet von daher
die Begründung des menschlichen Ruhe- und Feiertages vom Ruhen
Gottes und damit seiner Einsetzung des Sabbats ab. An sechs Tagen
hat Gott die Welt erschaffen, aber am siebenten Tag hat er geruht.
Daher hat auch der Mensch das Recht, ja die Pflicht, auszuruhen von
den Anstrengungen der Arbeit.
Für Israel ist sieben die vollkommene Zahl. Der
Prophet Sacharja spricht von den sieben Augen Gottes. Man denke an
den siebenarmigen Leuchter, die siebentägigen Feiern beim Passa und
Laubhüttenfest. Auch sonst kommt in alttestamentlichen Erzählungen
die Zahl sieben immer wieder vor, etwa wenn von sieben Kühen
Pharaos die Rede ist.
Nicht nur die 1. Sure des Korans, sondern auch das
Vaterunser hat sieben Bitten. Und die kirchliche Überlieferung
spricht von sieben Gaben des Hl. Geistes.
Der siebente Tag, der Sabbat, und das siebente
Jahr, das Sabbatjahr, gliedern und ordnen für den Juden Zeit,
Arbeit und Gottesdienst des Menschen. Wenn auch die Christen am
ersten Tag der Woche ihre Gottesdienste feiern, bleiben sie sich
doch dieser Ordnung bewusst.