Morgengedanken

Sonntag, 16. 12. 2001. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Alois Luisser aus Jennersdorf

 

 

Sonntag, 16.12.2001

 

Heute ist schon der 3. Adventsonntag – das Weihnachtsfest rückt immer näher. Ehrlich gesagt, meine innere Freude steigt von Tag zu Tag.

 

Noch dazu ist heute der Sonntag Gaudete – eine spezielle Einladung zum Freuen! Grund für die Freude liefert uns z.B. der Text der heutigen 1. Lesung aus dem Prophetenbuch Jesaja (35, 1-6a), was Jesaja alles einfällt an Gründen, warum wir voller Hoffnung und Freude sein sollen und jubelnd auf Weihnachten zugehen dürfen, das ist unglaublich! Er schlägt mit seinen Vergleichen und Prophezeiungen Purzelbäume wenn er sagt:

 

"Die Augen der Blinden werden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen! Der Lahme wird springen wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf."

 

Solch schöne Botschaften und Zukunftsvisionen hören wir nicht oft! Sie glauben nicht, dass das alles eintreffen wird? Doch ich glaube fest daran, ich habe es in diesen Adventtagen schon erlebt, dass das eine oder andere, von dem der Prophet spricht, sich ereignet hat: durch Menschen an ihren Mitmenschen.

 

 

Montag, 17.12.2001

 

Die letzte Woche des diesjährigen Advents beginnt mit dem heutigen Montag.

 

Was verbinden wir denn noch mit Weihnachten? Wenn ich mit adventlichen Menschen rede, also mit solchen, die die Ankunft des Erlösers erwarten und mit ihm auch erwarten, so vieles was in dieser Welt krank ist, dann sind die Erwartungen seit Menschengedenken dieselben: Der Friede wird herbeigesehnt für die Welt, aber auch für einen persönlichen Streit. Andere wünschen Brot und Wärme für alle Menschen denen es schlecht geht. Andere möchten endlich wieder einen Arbeitsplatz, wieder andere halten die zerstrittene Familie nicht mehr aus und schreien nach Versöhnung. Zu keiner Jahreszeit tut ein Familienzwist so weh, wie in der Weihnachtszeit. Zu keiner Jahreszeit sehen und hören unsere Augen und Ohren die Not der Menschen so deutlich, wie in der Advent- und Weihnachtszeit. Ist das vielleicht auch schon ein Geschenk Gottes? Will er uns so helfen, dass wir leichter auf Weihnachten zugehen?

 

 

Dienstag, 18.12.2001

 

Für den heutigen Tag möchte ich Ihnen aus dem Psalm 72 folgenden Satz mitgeben:

 

"Gerechtigkeit blüht auf in seinen Tagen und Friede ohne Ende."

 

Wäre das nicht ein Herzenswunsch von uns allen? Tut es uns nicht sehr weh, wenn die Ungerechtigkeit neben uns, in uns selbst und in der Welt viel stärker ist als die Gerechtigkeit? Also ich leide noch sehr darunter wie im Namen der Gerechtigkeit über die hilflosen Alten, Frauen und Kinder in Afghanistan die Bomben fielen, die Panzer rollten und damit das ganze Geschehen auch einen menschlichen Zug bekommt, warf man auch Hilfspakete ab, so zwischen den Bombardements.

 

Eine blühende Gerechtigkeit ist unsere Sehnsucht und unser Ziel, dafür müssen wir auch etwas tun. Es muss eine Grundeinstellung in unserem Leben werden, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, das Schweigen zu brechen und im Namen derer zu reden, die durch Ungerechtigkeit stumm gemacht worden sind.

 

 

Mittwoch, 19.12.2001

 

Ich bin jetzt schon in unserer Kirche, denn in wenigen Minuten beginnt die Roratemesse. Es werden 300 Leute erwartet. Dreimal in der Woche versammeln wir uns in dieser Morgenstunde. Die Kirche ist spärlich beleuchtet, die Lieder, die wir singen, können wir auswendig. Es liegt eine eigenartige Stimmung im Raum, alle sind voller Erwartung. Es sind auch viele Kinder hier, die nach dem Gottesdienst im Pfarrheim ein Frühstück bekommen und danach in die Schule gehen.

 

Nach der hl. Messe gehen viele Berufsgruppen, Belegschaften von Firmen miteinander frühstücken. Es gefällt ihnen, einen Tag im Advent mit gemeinsamen Gebet und anschließendem Frühstück zu beginnen. Wir fragen uns alle immer wieder, warum die 6-Uhr-Frühmessen so großen Zulauf haben. Die Antworten fallen verschieden aus. Die einen sagen, es sei so mystisch, sich in der Dunkelheit auf dem Weg in die Kirche zu machen, anderen gefällt die Stimmung in der Kirche und dass so viele Gleichgesinnte beisammen sind. Eines ist allen gemeinsam, sie bewegen sich bewusst auf Weihnachten zu und spüren, dass man als Vorbereitung für dieses Fest etwas besonderes machen muss!

 

 

Donnerstag, 20.12.2001

 

"Taut ihr Himmel von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen."

 

Der Text ist Ihnen mit Sicherheit vertraut und bekannt seit Kindheit. Ein uraltes Sehnsuchtslied aller Völker, die je auf eine Erlösung gewartet haben. Das Nebelreißen haben im besonderen Autofahrer aber auch viele andere nicht so gern. In unserem Lied aber wird der Tau, der vom Himmel fällt, als "Transportmittel" für den Messias eingesetzt. Ganz sanft, ohne Lärm und Gepolter soll der Erlöser samt der ersehnten Gerechtigkeit vom Himmel kommen. Wie können auch sagen, der Erlöser ist die Gerechtigkeit. Ich habe viele Bitten an den Erlöser. Ich bete oft: Erlöse uns von allem Terror, aller Gewalt, von aller Hektik und Ruhelosigkeit, die unsere Beziehungen zerstören. Erlöse uns von aller drohenden Gottlosigkeit und der Überheblichkeit, daß alles wir entscheiden dürfen. Mach uns frei für Dich, Gott, für einander, für das Schöne und Wertvolle auch in der heutigen Zeit, dass wir so dem allerletzten Kommen unseres Erlösers entgegengehen. Meinen Sie, dass eine von diesen Erlösungsbitten überflüssig ist? Eher meine ich, dass viele Bitten fehlen!

 

 

Freitag, 21.12.2001

 

Für viele von Ihnen wird das heute der letzte Arbeitstag vor den Feiertagen sein. Es sei Ihnen von Herzen vergönnt. Feiertage und freie Tage tun uns allen gut. Wir können ausruhen, können das Familienleben schöner und ruhiger gestalten, können Freundschaften pflegen und auch etwas für unsere Seelenhygiene tun. Für uns Pfarrer sind so eine Aneinanderreihung von kirchlichen Feiertagen eine große Herausforderung. Wir müssen so viele Gottesdienst feiern und Ansprachen vorbereiten. Selbstverständlich bedürfen diese Ansprachen einer intensiven Beschäftigung mit dem Evangelium und der Zeit, in der wir leben. Zu den Feiertagen will jeder Prediger auch eine gute Predigt halten, weil zu solchen Tagen soll die Botschaft auch solche erreichen, die nicht so oft in den Gottesdienst kommen. Die Predigt soll immer, aber zu solchen Tagen besonders, auch ein "kirchliches Kleid" tagen. Wie alles zu den Feiertagen in der Kirche festlich ist, so soll auch die Predigt die Mitfeiernden froh stimmen und ihren Glauben festigen. Eine Predigt kann kurz oder lang sein, was sie aber immer bewirken sollte, dass der Glaube des Zuhörers dadurch wachsen kann.

 

 

Samstag, 22.12.2001

 

Schon ist unsere gemeinsame Woche um! Sie waren mir treue Zuhörer und ich Ihnen ein verlässlicher Begleiter in der Morgenstunde. Einige werden die Sendung heute wahrscheinlich verschlafen, weil sie arbeitsfrei haben. Ich gönne es Ihnen! Mit dem heutigen Tag kommen wir aber schon ganz in die Nähe des Hl. Abends, jenes Abends, auf den wir ruhig und gelassen zugehen wollen. An diesem Abend soll unser Glaube an Gott, das, was uns die Religion über die Geburt des Gottessohnes sagt, die Stunden und den Abend füllen. Die Futterkrippe im Stall von Bethlehem ist voll, voll von dem, was wir hineinlegen an Tafelfreuden und Geschenken, so voll, dass für das Jesuskind weder in der Krippe noch in unseren Herzen Platz ist!

 

Feiern wir mit allem, was zu einem Fest gehört, bedenken wir aber, dass wir zu Weihnachten nicht unseren Geburtstag feiern, sondern den Geburtstag des Kindes von Bethlehem!

 

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnacht – eine Nacht, die mit dem Ereignis von Bethlehem Friede über die ganze Erde bringt!