Morgengedanken

Sonntag, 23. 12. 2001. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

von Dompfarrer Mag. Michael Rauter, Klagenfurt

 

 

Sonntag, 23. Dezember 2001

 

Wir tragen alle einen Namen, damit wir angesprochen, gerufen und benannt werden können. Sind wir mit jemandem sehr vertraut, dann erfinden wir für diese Person oft andere Namen, Kosenamen, um auf diese Weise auszudrücken, dass wir uns gern haben, dass wir füreinander wertvoll und uns besonders nahe sind.

 

Hat Gott einen Namen? Vor dem brennenden Dornbusch hat Mose auf seine Frage "Wer bist du?" vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs die Antwort bekommen: "Ich bin, der ich bin."

 

Dieser Gott der Väter schenkt uns Menschen zu Weihnachten seinen Sohn und erfüllt damit die Prophetie des Jesaja, in der es heißt: "Die Jungfrau wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel, Gott mit uns, geben."

 

Morgen schon wird die Sehnsucht des Adventliedes "o komm, o komm, Immanuel, nach dir sehnt sich dein Israel" erfüllt sein – heute und an jedem Tag dürfen wir sagen: Gott ist mit uns.

 

 

Montag, 24. Dezember 2001

 

"Schon leuchtet deine Krippe auf, sie taucht die Nacht in neues Licht das keine Nacht mehr trüben kann, das stets den Glauben uns erhellt" – so heißt es im Hymnus des Morgengebetes der Kirche.

 

Heute ist Montag, aber doch kein Montag alltäglicher Geschäftigkeit, weil wir diesen Tag den "Heiligen Abend" nenne.

 

Viele Menschen werden sich, gemeinsam mit ihren Kindern, auf den Weg zur Krippe machen. Der "Gott mit uns", der Gott, den wir beim Namen nennen dürfen, ist in die Niedrigkeit des Lebens herabgestiegen und erhellt unseres Lebens Tag- und Nachtseiten. Als ein kleines, hilfloses Kind ist Gottes Sohn in dieser Nacht in einem Stall geboren worden, ist aus Liebe heruntergekommen aus seiner Macht in die Ohnmächtigkeit des menschlichen Daseins. Wenn wir heute vor der Krippe stehen, sollen wir werden wie es die Kinder sind, wenn die Kerzen brennen: stumm, staunend, dankbar und betend.

 

In einem Gedicht von Nelly Sachs heißt es über Weihnachten: "Hier ist Amen zu sagen" – vor der Krippe und angesichts dieser "leisesten aller Geburten."

 

 

Dienstag, 25. Dezember 2001

 

"Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort" – das ist die Botschaft von Weihnachten.

 

Diese Zeilen aus dem Prolog des Johannes-Evangeliums gehören zu den schönsten Stellen der Heiligen Schrift, sie sind zugleich aber auch die, die trotz vieler Deutungen einen Rest von Geheimnis bewahren und gerade deshalb dem Wunder der Geburt des Gottessohnes ganz nahe kommen.

 

Die Geburt des Gotteskindes, die Hirten, das Erscheinen der Engel und ihr Lobgesang, das alles können wir mit Herz und Gefühl noch fassen, wir sind angerührt von den Geschehnissen dieser Nacht, von der es bei Johannes heißt:

 

"Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt".

 

Jesus ist das Fleisch gewordene Wort und dieses Wort ist die Botschaft des göttlichen Geheimnisses. In diesem Wort ist die Botschaft des göttlichen Geheimnisses. In diesem Wort spricht Gott uns Menschen an und mit dem Wort kam das wahre Licht in die Welt und das Wort hat die Macht, uns zu Kindern Gottes zu machen. Weihnachten heißt, dass wir durch Jesus für immer eine Heimat in Gott haben!

 

 

Mittwoch, 26. Dezember 2001

 

"Stefanitag" wird der heutige 26. Dezember genannt und da viele Volksbräuche mit ihm verbunden sind, wird allzu leicht vergessen, welchen Mann und Märtyrer die Kirche heute feiert.

 

Mit dem Fest zu Ehren des Stephanus wird die weihnachtliche Idylle gestört, jetzt geht es nicht mehr um Engelgesang, um Hirten an der Krippe um den "Frieden auf Erden". Stephanus, sein Leben und sein Tod, sind der "Ernstfall des Christseins!" Die Apostelgeschichte beschreibt Stephanus als einen Mann voll Kraft und Gnade, als einen Glaubenszeugen, den seine Feinde zuletzt au der Stadt trieben uns steinigten. Sterbend hat er seinen Mördern vergeben.

 

Stephanus war bis in seinen Tod hinein ein Zeuge dessen, was er gesehen und gehört hat über Jesus. Gerade heute brauchen wir ein Vorbild wie ihn! Nicht Rückzug in die schützenden Mauern unserer Kirchen, nicht die Wärme, die von den Schafen der eigenen Herde ausgeht, nicht die Nischenexistenz ist unsere Aufgabe heute. Wir müssen hinaus in den Strom der Zeit, uns den Wellen und Stürmern stellen, auch Mastbrüche aushalten – damit wir wie Stephanus Zeugen sind für unseren Glauben.

 

 

Donnerstag, 27. Dezember 2001

 

Wieder soll uns ein Name durch den Tag begleiten: Johannes, der Evangelist. Im Morgengebet der Kirche heißt es von ihm: " Den Jünger, der dem Herrn gefolgt, preist heute unser frohes Lob. Johannes, der das Wort erkannt, Johannes, der beim Kreuze stand".

 

Johannes war der Lieblingsjünger Jesu, zusammen mit Maria stand er unter dem Kreuz, er lehnte an der Brust des Herrn beim letzten Abendmahl. Johannes ist der Verfasser des 4. Evangeliums. Das Geheimnis der Menschwerdung, diese Verkündigung des göttlichen Geheimnisses, beherrschte sein Denken und die Theologie der Inkarnation kommt im Sprechen von der Sendung Jesu zum Ausdruck. Für Johannes ist Jesus das fleischgewordene Wort, das gekommen ist, dem Menschen das Leben zu geben.

 

Mit Worten verständigen wir uns, sehr oft aber gehen wir achtlos um damit, fast gedankenlos verwenden wir Wörter, Alltagswörter, wir füllen unser Gerede an mit Wörtern, die ohne Sinn sind und ohne Tragkraft und gleichsam "Wegwerfwörter" sind, wertlos wie eine Eintrittskarte, wenn das Fest vorbei ist. Die Kirche gedenkt heute des Evangelisten Johannes, der erste Satz seines Prologs begleitete uns durch den Tag: "Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort."

 

 

Freitag, 28. Dezember 2001

 

"Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt, auf seinen Schultern ruht die Weltherrschaft", mit diesem Jubelruf wurde die Geburt Jesu begrüßt. Mit der Geburt dieses Kindes hat sich die Weissagung des Jeremia erfüllt: "Seht, es kommen Tage, da werde ich für David einen gerechten Spross erwecken, er wird als König herrschen".

 

Zur Zeit von Jesu Geburt herrschte ein anderer König, Herodes, und der war als die drei Wesen kamen und nach dem "neugeborenen König der Juden" fragten, "erschrocken und ganz Jerusalem mit ihm", wie es uns der Evangelist Matthäus berichtet. Da die von Herodes ausgesandten Mörder das Jesuskind nicht fanden, wurden alle Knaben im Alter bis zu zwei Jahren im Raume Bethlehem ermordet. "Ein Rufen hört man zu Rama, viel Weinen und Wehgeschrei. Rahel beweint ihre Kinder und lässt sich nicht trösten".

 

Seit dem 5. Jahrhundert gedenkt die Kirche am heutigen Tag der "Unschuldigen Kinder". Damals waren sie die Opfer des Herodes, heute sind es Tausende von unschuldigen Kindern, die Opfer sind von Kriegen, brutaler Machtausübung und Herrschsucht. Überall auf dieser Welt weinen Mütter, untröstlich wie Rahel. Trösten können wir nicht – aber beten dürfen wir für sie alle.

 

 

Samstag, 29.Dezember 2001

 

Heute ist der Tag des Heiligen Thomas. Thomas Becket war Kanzler von Heinrich II. von England und später Erzbischof von Canterbury. Als Erzbischof war er ein unerschrockener Verteidiger der Freiheit seiner Kirche. Sie stellte er höher als manche Wünsche seines Königs, weshalb ihn vier Edelleute am 29.Dezember 1170 während der Vesper ermordeten. Sein Grab wurde bald zum Wallfahrtsort für viele Gläubige.

 

Thomas von Canterbury ist das Vorbild für ein mutiges Christentum. Auch wir Christen von heute brauchen ein Mutprogramm, damit sich etwas verändert in einer Welt der Hoffnungslosigkeit und des Unmutes. Resignieren, aufgeben, sich zurückziehen, das sind Verhaltensweisen, denen es an Mut fehlt, das ist "Un-Mut". Hoffnung, Aufgeschlossenheit und Mut brauchen wir, um dem Rad der Welt in die Speichen zu greifen. Gehen wir in das neue Jahr hinein, so Zuversichtlich wie es uns die Verse eines großen Zeitzeugen des vergangenen Jahrhunderts auftragen: "Von guten Mächten wundersam geborgen, erwarte ich getrost, was kommen mag. Gott ist bei mir am Abend und am Morgen und. ganz gewiss an jedem neuen Tag."