Morgengedanken

Sonntag, 20. 01. 2002. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

von Pfr. Roland Trentinaglia, Hörbranz, Vorarlberg

 

 

Sonntag, 20.01.2002

Also, was sich so am 2.Jänner dieses Jahres alles auf der Bank getan hat! Die Menschen sind in richtigen Warteschlangen angestanden! Nein, es gab nichts gratis! Das hätte ich ja auch noch durchaus verstehen können! Es ging schlicht und einfach darum, offensichtlich diese uralte Währung von Schillingen, in niegelnagel neue Euros umzutauschen. Mir haben die Kassiererinnen an den Bankschaltern wirklich leid getan und die Anspannung war ihnen auch ins Gesicht geschrieben.

 

Dass Sie mich bitte, liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer nicht falsch verstehen: Wir Menschen brauchen Geld, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten.

 

Was mich an diesem Vormittag auf der Bank nachdenklich gemacht hat, ist die Tatsache, dass Menschen für das, was ihnen sehr wichtig ist (wie in diesem Falle das Geld), gerne unter Umständen Wartezeiten von einer guten halben Stunde und bei Bedarf noch mehr, auf sich nehmen, weil es ihnen eben ganz ganz wichtig ist! Da spielt die Zeit offensichtlich keine Rolle mehr.

Warum nehmen sich viele getaufte und gefirmte Christen an Sonntagen keine Zeit mehr, den Gottesdienst in ihrer Pfarrgemeinde mitzufeiern! Ach ja, da bekommt man ja kein Geld und dann ist es vielleicht nicht wichtig genug! Also doch nur ein Gott? Der neue Euro?

 

 

Montag, 21.01.2002

"Wann haben Sie sich das letzte Mal gefreut?" Das war eine Frage eines Meinungsforschungsinstitutes. Nur 50 Prozent der Befragten antwortete mit "heute!"

 

Dabei kamen ganz interessante Details zum Vorschein. Ältere Menschen freuen sich offenbar leichter. Als Gründe für die Freude wurden angegeben: die Kinder, ein gelungenes Gespräch Blumen, Gesundheit, ein Telefonanruf; ziemlich am Schluss rangierten Fernsehsendungen als sogenannte Freudenspender.

 

Natürlich weiß ich auch, dass es im Leben Situationen geben kann, in denen überhaupt keine Freude aufkommt und dass es Ereignisse gibt, bei denen einem das Lachen total vergeht.

 

Sehen wir aber einmal davon ab. Ich kenne Menschen, die froh und ausgeglichen sind, obwohl sie nicht zu den begüterten Mitbürgern zählen. Und dann treffe ich wieder auf andere, die alles haben, sehen aber rundum nur das Negative und tragen schwer an ihrem Leben.

 

In einem Gebet aus Afrika heißt es: "Ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel. Ein neuer Tag, der glitzert und knistert, knallt und jubiliert von deiner Liebe. Jeden Tag machst Du, Herr!"

 

Ich wünsche euch allen von Herzen: Vergesst bitte heute die Freude nicht!

 

 

Dienstag, 22.01.2002

"Jeder Tag, an dem du nicht gelacht hast, ist ein verlorener Tag"! So habe ich es kürzlich auf eine Spruchkarte gelesen. Das mag übertrieben erscheinen. Und doch, ein Körnchen Weisheit steckt wohl dahinter! Wollte man das Lachen verbieten, würde man etwas befehlen, was zum Menschsein einfach dazugehört. Lachen ist Salz für das alltägliche Rindfleisch des Lebens – um es einmal so auszudrücken.

 

Wenn man Christen untersagen wollte, zu lachen oder andere zum Lachen zu bringen, dann hieße das, sie aufzufordern, ihr Christsein aufzugeben. Denn das wäre nun wirklich zum Lachen, wenn diejenigen, die von sich behaupten, aus einer

 

sogenannten "frohen Botschaft" heraus zu leben, nicht lachen sollten. Wer sollte es dann überhaupt, wenn nicht die, von denen die Bibel sagt: "Selig, die ihr jetzt weint, ihr werdet lachen" (Lk 6,21)

Also, ich gestehe, dass ich früher auch mehr gelacht habe. Wenn ich so darüber nachdenke, dann müsste ich eine Gewissenserforschung machen, warum es heute weniger der Fall ist.

 

Das Zivilrecht bestraft unterlassene Hilfeleistung. Ob das Nicht-zum-Lachen-Bringen auch eine unterlassene Hilfeleistung ist, weil Lachen ansteckt und diese Art von Ansteckung auch ein gutes Werk ist?

 

Ich wünsche Euch für heute Gelegenheiten zum Lachen, die Euch und andere mit einschließt.

 

 

Mittwoch, 23.01.2002

Kein Mensch ist gegen schlechte Laune gefeit. Wenn ich persönlich nach der Ursache meiner schlechten Laune befragt werde, weiß ich selber oft keine Antwort darauf. Natürlich ist für mich ein strahlender Sonnenschein am Morgen angenehmer als dicker Nebel. Natürlich freue ich mich nicht darüber, wenn ich mich am Morgen beim Rasieren öfters schneide und ich dann aussehe, als wäre ich einem Metzger in die Hände gefallen.

 

Dann, wenn ich übel gelaunt bin, muss ich sehr aufpassen, dass diese schlechte Laune am Morgen mir unter tags nicht weiteren Ärger einbringt. Ich glaube, wenn ich erst einmal die Brille des Ärgers schon am Morgen aufgesetzt habe, sehe ich leicht den ganzen Tag nur durch diese Brille.

 

Aber bitte, wie komme ich davon los? Ich denke, dass ein kurzes Innehalten am Morgen und ein gesprochenes Gebet durchaus eine Hilfe sein kann, das Maß zu finden. Für mich persönlich wird dann vieles so klein und unbedeutend und ich kann ruhiger und entspannter meinen Tag und die Aufgaben, die er mir stellt, angehen.

 

Wer sich im Beten von sich selber löst und versucht, Gott ins Spiel zu bringen, gewinnt das richtige Verhältnis zu allem. Andernfalls kann es sein, dass ich selber an meiner schlechten Laune ersticke, und meine Umgebung muss es ausbaden! Also, das wünsche ich Ihnen allen für heute NICHT!

 

 

Donnerstag, 24.01.2002

Da treffen sich heute in der italienischen Stadt Assisi mit Papst Johannes Paul II. die Repräsentanten der Weltreligionen zu einem gemeinsamen Friedensgebet. Denn allen, die weltweit Verantwortung für das religiöse Leben der Menschen tragen, ist eines klar geworden: Gewalt im Namen Gottes oder der Religion ist ein Widerspruch in sich. Denn Gott ist der Gott der Liebe und nicht des Hasses, der Gott des Lebens und nicht des Todes, der Gott des Friedens und nicht des Krieges.

 

Wer zu Konflikten, Hass, Gewalt, Krieg und Terrorismus "JA" sagt, kann sich dabei niemals auf Gott oder auf eine Religion berufen. Was mich zunächst persönlich freut, ist die Tatsache, dass es vor 10 Jahren noch unmöglich gewesen wäre, Repräsentanten der verschiedenen großen Religionsgemeinschaften unserer Welt gemeinsam zu einem solchen Treffen zusammenzubekommen. Es kann ja nicht darum Gehen, dass jeder "in Namen Gottes sein eigenes Süppchen kocht", sondern nur darum, wie den Menschen in der Welt auch von Seiten der Religion klar gemacht werden kann, dass es nur einen einzigen Gott gibt, der alle Menschen liebt, egal welcher Rasse, Hautfarbe, Nation und geschichtlich-kulturell gewachsener Religion. Es gibt im Verlauf eines Jahres ganz wichtige Tage. Ob es sich dabei dann um Eintagsfliegen handelt, liegt wohl – und das in allen Bereichen – an uns Menschen selber. Dabei darf es aber nicht bloß um einen Tag, um ein Treffen, um ein Gebet gehen.

 

Friede und Versöhnung in Gottes Namen ist eine lebenslange Aufgabe.

 

 

Freitag, 25.01.2002

Als Pfarrer erlebe ich es immer wieder, wie Christen manchmal wie mit einem Stock herum – laufen. Sie bieten das Bild eines zu kurz gekommenen Lebens. In ihrem Glauben sehen sie nur noch einen Katalog von Vorschriften und Pflichten, von Geboten und Verboten. Furcht und Freudlosigkeit sind immer Zeichen eines schwachen Glaubens.

 

Der Apostel Paulus schreibt, dass die Frucht des Glaubens "Friede und Freude" sei. (Gal 5,22) Damit ist nicht ausgesagt, dass es Leid und Not nicht mehr gibt. Denn auch das bleibt keinem Menschen erspart. Der glaubende Christ weiß sich aber von Gott gehalten, so gehalten, so geborgen und aufgehoben, dass er selbst an offenen Gräbern seiner Liebsten vom Leben reden darf.

 

Von jenem Leben nämlich, das Jesus Christus denen zugesagt hat, die ihm vertrauen und versuchen, in ihrem Leben an ihn zu glauben. Wer ein stückweit wirklich diesem Jesus vertrauen kann, hat auch unter Umständen die Kraft, erlittenes Unrecht zu ertragen, Unrecht nicht mit neuem Unrecht zu vergelten, einen tiefen Sinn im Leben gefunden, kann von einer Hoffnung reden – auch angesichts der eigenen Sterblichkeit.

 

Also, wenn das keine Freude ist! Ich persönlich freue mich, dass ich Christ sein darf!

 

 

Samstag, 26.01.2002

Seit einem guten halben Jahr habe ich auch einen Internetanschluss. Da hat mich dann voll die Neugier gepackt und ich bin dann stundenlang im Internet herumgesurft. Über Anraten von Schülern bin ich dann in einen sogenannten "Chatroom" hineingegangen, um mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Was mir besonders auffällt ist die Tatsache, dass es zunächst einmal bei jungen Menschen großes Erstaunen auslöst, dass da plötzlich ein "geistliches Gefäß" mit von der Partie ist. Dann kann es passieren, dass von Seiten der jungen Menschen plötzlich Lebensfragen gestellt werden, Probleme aller Art geschildert werden, und ich mache dabei die Erfahrung, dass vielen jungen Menschen einfach jemand fehlt, mit dem sie sich in Ruhe unterhalten können. Mehr noch! Und das schreiben viele Jugendliche: niemand hat mehr Zeit, mir einfach nur einmal zuzuhören, mich anzuhören.

 

Daneben stelle ich fest, dass zwar viele von Glaube, von Kirche, von Jesus Christus nicht allzu viel wissen wollen.. Ich denke da jetzt an einige Jugendliche, die – wie sie sagen – Satan verehren, das Negative als "Ideal" hinstellen und vielleicht nur deshalb, weil ihnen noch nie jemand gesagt hat, dass man sie liebt und gern hat.

 

Wie gesagt: ein Medium, wie das Internet, kann auch genützt werden, um ein stückweit die Liebe Gottes erfahrbar zu machen. Interessant, nicht?