Morgengedanken

Sonntag, 27. 01. 2001. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

von Superintendent Paul Weiland

 

 

Sonntag, 27.1.2002

Als vor kurzem das Getriebe meines Autos überraschend und unerwartet kaputt ging, war ich froh, dass es für solche Fälle eine Nummer gibt, bei der Hilfe angefordert werden kann, auch wenn Sonntag ist, auch wenn es Nacht ist, auch wenn man irgendwo weit weg von zu Hause ist.

 

Als es mir einmal schlecht ging, so erzählte mir eine Bekannte, und ich selbst nicht weiter wusste und keine Lösung mehr sah, da war ich froh, Menschen zu kennen, die mich anhörten, ohne Angst haben zu müssen, dass meine Schwäche ausgenützt wird. Die Zeit für mich hatten, wenn ich es brauchte. Die uneigennützig und offen mit mir gesprochen haben. Die mir damit geholfen haben, zu mir zu finden. Jetzt, wo es mir gut geht, halten die Freundschaften und bereichern mein Leben.

 

Seit es die Menschen brauchen, ist Gott in der Welt, um da zu sein für uns Menschen. Er hat sich dafür so verpflichtet, dass er sich selbst danach benannt hat: Ich bin der "Ich-bin-da". Zuletzt ist er sogar selbst Mensch geworden, um Verletzte wieder zu heilen, Zerstörte zurecht zu bringen und Verirrten den Weg zu zeigen. Am Sonntag in den Gottesdiensten der Kirchen, da ist die Rede von diesem Schutzbrief für das Leben.

 

 

Montag, 28.1.2002

Strafmandate und Kirchensteuer, dafür greife er ungern in die Tasche, sagte der Geschäftsführer eines großen österreichischen Einkaufszentrums in einem Interview auf die Frage, wofür er nicht gerne Geld ausgibt. Diese seien unnötige Dinge, meinte er dann noch. Klar, dass es seiner Meinung nach im Shopping Center so gut wie nur Schnäppchen gibt, und niemand für unnötige Dinge in die Tasche greift.

 

Nun glaube ich nicht, dass viele Menschen auf so eine plumpe und oberflächliche Aussage hereinfallen. Aber in der Frage des Kirchenbeitrags, wie es übrigens bei uns in Österreich richtig heißt, stellen sich manche tatsächlich die Frage "wozu?". Zwar ist er aufs Ganze gesehen nicht viel, nämlich nicht einmal 1,5 Prozent des Brutto-Einkommens, also im Durchschnitt ein Abendessen pro Monat, aber natürlich will man wissen, wofür das Geld verwendet wird, das man ausgibt.

 

Also gut: Jeden Sonntag das Angebot jenseits aller beruflichen oder wirtschaftlichen Bedingungen über die Herausforderungen des Lebens nachzudenken. Jeden Schultag Kinder und Jugendliche zu einem verantwortlichen Umgang in der Gesellschaft, in der sie leben, zu motivieren und zu befähigen. Jedes Mal Familien und Freundeskreise bei ihren freudigen oder traurigen Ereignissen begleiten. Jeden Tag für Menschen da sein, die es brauchen. Das alles wird auch mit ihrem Kirchenbeitrag ermöglicht.

 

 

Dienstag, 29.1.2002

Beten kann ich auch im Wald, da brauche ich die Kirche nicht. Diesen Satz höre ich immer wieder, wenn es um die Frage der Notwendigkeit einer Kirche geht. Aber, so sage ich dann, mit seinen Lebensfragen immer nur in den Wald zu gehen, das macht einsam.

 

Und wozu die Einsamkeit führen kann, das hat Martin Luther in einer seiner Tischreden so gesagt: "Die Einsamkeit macht lauter Traurigkeit. Wenn einer allein ist, dann hat er arge und beschwerliche Gedanken. Ist uns etwas Widerwärtiges zugestoßen, so macht es unsere Einbildung größer und ärger als es in Wirklichkeit ist, und wir denken, dass niemand unglücklicher sei als wir."

 

Nur in den Wald zu gehen, das ist weder die Bestimmung des Menschen noch die der Kirche. Luther dazu: "Gott hat den Menschen zur Gesellschaft geschaffen und nicht zu Einsamkeit. Und deshalb hat auch Gott die christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, gestiftet, dass die Christen zur Predigt zusammenkommen und Trost aus dem göttlichen Wort anhören und die Sakramente gebrauchen."

 

Gottesbeziehung ohne Menschenbeziehung, das ist jedenfalls nach dem Willen unseres Gottes nicht möglich. Wer gerne in den Wald geht, um zu beten, der ist jedenfalls eingeladen, wieder herauszukommen und zur Kirche als der Gemeinschaft der Heiligen zu gehen.

 

 

Mittwoch, 30.1.2002

Wasser und Wein, zwei sehr gegensätzliche Genussmittel, spielen in der Bibel und in der Kirche eine große Rolle. Heute möchte ich mit Ihnen ein wenig über das Wasser nachdenken.

 

Das Wasser hat beim Sakrament der Taufe eine wichtige Bedeutung. Jeder, der getauft wird, wird in unseren Kirchen dreimal mit Wasser übergossen. So ist das Wasser Symbol für Gottes Ja zu uns Menschen, es ist Zeichen der Aufnahme in die Gemeinschaft mit Gott.

 

Es ist wohl nicht zufällig, dass gerade das Wasser diese Bedeutung hat. Wasser ist lebensnotwendig. Ohne Wasser können weder Pflanzen noch Tiere noch Menschen überleben.

 

Dieses für das physische Überleben notwendige Element wird schon früh auf die Beziehung des Menschen zu Gott übertragen. "Bei dir ist die Quelle des Lebens", heißt es in einem Psalmengebet des Alten Testaments. Jesus Christus lädt im Johannesevangelium alle, die lebensdurstig sind, ein, von seinem Wasser zu trinken. "Wer von meinem Wasser trinkt, wird nie wieder Durst haben", sagt er zu einer Frau, die er an einem Brunnen trifft. Und mehr noch. Wer dieses Wasser trinkt, wird selbst zur Quelle des lebendigen Wassers, auch für andere Menschen.

 

Das ist, glaube ich, ein Angebot, über das nachzudenken sich lohnt.

 

 

Donnerstag, 31.1.2002

Wasser und Wein, zwei sehr gegensätzliche Genussmittel, spielen in der Bibel und in der Kirche eine große Rolle. Heute möchte ich mit Ihnen ein wenig über den Wein nachdenken.

Der Wein hat beim Sakrament des Abendmahls eine wichtige Bedeutung. Brot und Wein sind beim Empfang in der Abendmahlsfeier bzw. in der Eucharistiefeier Zeichen der Gemeinschaft und Einheit mit Jesus Christus.

 

Obwohl Martin Luther nachweislich sehr gerne Bier getrunken hat, hat er über den Wein gesagt: "Der Wein ist gesegnet und kommt in der Heiligen Schrift vor, das Bier aber gehört zur menschlichen Überlieferung."

 

Noah, der Ackermann, pflanzte als erster einen Weinberg, im Psalm 104 erfahren wir, dass der Wein des Menschen Herz erfreut und Jesus selbst sorgt bei der Hochzeit von Kana mit einer spektakulären Aktion dafür, dass die Stimmung nicht zusammenbricht: er verwandelt Wasser in Wein.

 

Anleitung für den sinnvollen Einsatz des Weines gibt im Neuen Testament der 1. Brief an Timotheus. Er rät dem, der unter Magenbeschwerden und häufigen Krankheiten leidet, nicht nur Wasser zu trinken, sondern auch Wein zu sich zu nehmen. Wenn auch regelmäßig, so freilich mäßig, weil der Wein so als gute Gabe Gottes nicht nur schmeckt, sondern auch vorbeugende und gesundheitsfördernde Wirkung auf den Menschen hat.

 

 

Freitag, 1.2.2002

"Du sollst" und "du darfst nicht" – in diesen Vorschriften spielt sich für manche das Leben in der Kirche ab. Auch die zehn Gebote werden hier eingereiht. Sie gelten als moralische und religiöse Rute im Fenster. Und als solche machen sie unsicher und schränken sie ein.

 

Die Zehn Gebote sind aber nicht das eiserne Gesetz, mit dem alles niedergewalzt werden kann. Sie sind das Angebot Gottes, sich vom Leben mit all seinen Freuden und Problemen, Sehnsüchten und zerbrochenen Hoffnungen nicht unterkriegen zu lassen. Die Gebote engen nicht ein, sie garantieren Leben. Dort, wo sie missachtet werden, dort kommt es zum Verlust an Lebensqualität und Hoffnung.

 

Menschen, die das wissen, sagen deshalb in Dankliedern: "Ich habe Freude an deinen Geboten, sie sind mir sehr lieb." Die Gebote binden nicht, sie machen frei. Sie sind nicht eine Last, sondern sie tragen. Sie sind der Wegweiser der Liebe Gottes.

 

Sie besagen, wir haben die Fähigkeit, unser Leben in den großen Zusammenhang der Schöpfung zu stellen. Wir haben die Fähigkeit, an die Generationen vor uns und nach uns zu denken. Wir haben die Fähigkeit zum zärtlichen Umgang miteinander. Wir haben die Fähigkeit, von anderen gut zu reden Wir haben die Fähigkeit, uns zu begnügen mit dem, was wir haben. Und sie besagen, dass wir bei alledem nichts verlieren, sondern dazugewinnen.

 

 

Samstag, 2.2.2002

Ich weiß nicht, ob Sie zu den wenigen gehören, die morgen am Sonntag arbeiten müssen. Pfarrern geht es ja auch so. Aber unabhängig davon, dass es notwendige und unverzichtbare Dienste an Sonn- und Feiertagen gibt, ist es wichtig, sich über die Kultur des Sonntags Gedanken zu machen. Dabei geht es nicht nur um die natürliche Forderung, nach Tagen des Einsatzes und der Arbeit Erholung und Ruhe zu haben, sondern auch um das Spezifische des Feiertages. Eine Gesellschaft, die den Feiertag abschafft, verarmt. So wie dann ein Tag dem anderen gleicht, so nivelliert sie sich selbst.

 

Es geht auch um die Erfahrung des Besonderen, Einmaligen, Heiligen. Der Sonntag ist gleichsam der Hinweis, dass Leben sich nicht im Alltäglichen erschöpft.

 

Ich glaube nicht, dass die meisten von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, nichts mehr mit dem Sonntag anzufangen wissen oder am Sonntag einkaufen oder gar arbeiten wollen.

 

Die Erhaltung des Sonntags ist, wenn auch mit unterschiedlichen Akzentsetzungen Anliegen der Kirchen, der Wirtschaft und der Gewerkschaft. Ich möchte auch Sie einladen, den Sonntag ganz bewusst zu gestalten als Erlebnis der Gemeinschaft, als Erfahrung der Besinnung und als Ort der Begegnung mit Gott.