Morgengedanken
Sonntag, 10. 02. 2002. 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von Kaplan August Paterno
Sonntag, 10. Februar 2002
Zum heutigen Faschingssonntag fällt mir eine
Bemerkung des christlichen Denkers Frossard ein, der meint:
"Heute spricht unser konstruktives Christentum alle Sprachen
der Politik, der Statistik, des Fortschritts, der Wissenschaften und
der Geschichte. Das ist bewundernswert. Aber unser Christentum singt
nicht und dichtet nicht mehr – vielleicht ein schlechtes Zeichen!
Es hat wohl seine ureigene Sprache ein wenig vergessen?" Liebe
Zuhörerinnen und Zuhörer, der heutige Sonntag gäbe uns wieder die
Gelegenheit zu unserer Sprache zu finden. Getrauen wir uns wieder
einmal darüber fröhlich zu sein, dass wir alle Kinder des Einen
Gottes sind, der uns nicht dazu geschaffen hat, dass wir missmutig
und scheinbar hoffnungslos unsere Wege gehen, sondern für ein Leben
in dem die Freude einen großen Platz einnimmt und dass der uns
eingepflanzte Humor hilft, selbst über die tiefsten Gruben des
Lebens eine Brücke der Hoffnung zu spannen.
Rosenmontag, 11. Februar 2002
Zum heutigen Rosenmontag möchte ich Ihnen ein
Rosengedicht der ganz feinen Art aus der Feder des leider schon
verstorbenen Poeten James Krüss mit dem Wunsch vorlesen, es möge
uns heute ein Mensch begegnen, der der Gegenliebe fähig ist:
"Im stillen Gartenreiche des alten Gärtners Ming, da schwimmt
in einem Teiche ein Wasserrosending. Den alten Ming in China
entzückt sie ungemein, er nennt sie Cathrina, chinesisch:
Ka-Ta-Rain. Mit einer Pluderhose und sehr verliebtem Sinn geht er zu
seiner Rose am Rand des Teiches hin. Er singt ein Lied und fächelt
der Rose Kühlung zu, die Rose aber lächelt nur für den Goldfisch
Wu. Sie liebt das goldne Fischchen, das oft vorüberschießt und auf
den Blättertischchen den Rosenduft genießt. Doch Wu, der
Goldfischknabe, der lockre Bube gibt ihr weder Gruß noch Gabe, weil
er ein Hühnchen liebt. Er liebt Schu-Schu das kleine, goldrote
Hühnerding. Jedoch Schu-Schu, die Feine, liebt nur den Gärtner
Ming. So liebt Herr Ming Cathrina, Cathrina liebt den Wu, Wu liebt
Schu-Schu aus China, den Gärtner liebt Schu-Schu. Man liebt sich
sanft und leise. Doch keiner liebt zurück. Und niemand in dem
Kreise hat in der Liebe Glück. Sie leben und sie warten, sind
traurig und verliebt, in diesem kleinen Garten, von dem es viele
gibt.
Faschingsdienstag: 12. Februar 2002
Faschingsdienstag, es gab noch Zeiten, da war dieser
Tag der Fröhlichkeit gewidmet, bisweilen sogar dem Unsinn, nicht
nur dem Frohsinn. Aber es war ein Tag, der so manchem von uns die
Möglichkeit gegeben hat, aus der allzu engen Haut des Alltags
herauszuschlüpfen und hinein in ein Gewand, das einem erlaubt hat,
sich so zu geben, wie wir ab und zu sein sollten oder wollten,
fröhlich und mit der Fähigkeit ausgestattet, über die scheinbar
wahnsinnig wichtigen Dinge des Lebens lachen zu können, weil sie
sich an solchen Tagen auch als gar nicht so wichtig herausstellen.
Wenn es nicht schon genug Gedenktage gäbe, würde ich den heutigen
Tag als den "Weltrelativierungstag" vorschlagen, als den
Tag, der uns die Einsicht in die Dinge des Lebens durch die Brille
des Humors erlaubt, und damit so, wie sie sind. Dann könnten wir
lachen, selbst darüber lachen, dass wir uns bisweilen in einem
Massengrab voller Ernsthaftigkeiten vorfinden. Und dass wir dann so,
wie es vom lieben Augustin berichtet wird, aus diesem Grab noch
hervorrufen: Alles ist hin! Denn diese Aussage hat anscheinend dazu
geführt, dass selbst zwei Tote darob noch lachend erwacht sind.
Aschermittwoch, 13. Februar 2002
Sie, die sie mir schon so früh zuhorchen, haben
sicher festgestellt, dass der Aschermittwoch heuer auf einen
Dreizehnten fällt, was ich aber für gar nicht so tragisch
anschaue. Denn für Abergläubische soll nur der Dreizehnte an einem
Freitag verdächtig sein. Allerdings könnte es schon sein, dass
jemand den Dreizehnten auch mit dem Fasten in Verbindung bringen
könnte, weil der 13. auch ein Symbol für Negatives zu sein
scheint. Nun ist es aber heute doch so, dass der Aschermittwoch gar
kein Fasttag mehr ist und wenn ich so die Einladungen überfliege,
die mich zu einem Heringsschmaus locken wollen, dann gibt es kaum
einen Tag im Jahr, an dem man köstlichere und teurere Gerichte
nicht nur bestellen, sondern auch essen kann. Ich glaube aber, dass
es nicht der Weisheit letzter Schluss ist, uns die Genüsse durch
verbitterte Hinweise auf die Fastenzeit zu vermiesen. Im Gegenteil,
ich würde eher vorschlagen, dass noch ein Euro zum Menüpreis
dazugeschlagen wird, der aber dann an jene Schwestern und Brüder in
Not abgeführt wird, die kaum etwas bis gar nichts zum Essen haben,
geschweige denn ein herrliches Matjesfilet oder gar einen
geräucherte Lachs.
Donnerstag, 14. Februar 2002.
Das ist also schon der zweite Morgen der
christlichen Fastenzeit. Schon haben sich einige von uns wieder
entschlossen, auch zu fasten. Was nun sehr gut sein kann, vor allem
dann, wenn einem die "Fasterei" so wie es ein kritischer
Zeitgenosse ausgedrückt hat, die Laune total vermiest. An dieser
Meinung ist sicher viel dran, auch christlich oder allgemein
religiös gesehen. Denn was bringt einem Menschen das Fasten, wenn
er selbst dabei aber ungenießbar und mieselsüchtig wird? Im
Christentum gibt es eine sehr deutliche Anweisung über das richtige
Fasten von Jesus von Nazaret selbst, in der er reklamiert:
"Wenn Ihr fastet, dann mach ein fröhliches Gesicht, damit die
Menschen nicht sehen, dass Ihr fastet." (Mt 6,16) Diese
Anweisung ist für mich auch ein Hinweis darauf, dass christliches
Fasten niemals etwas sein kann, was mich allein betrifft, sondern es
hat immer einen Bezug zu meinen Mitmenschen und dann erst ist es
für mich eine Möglichkeit einer weiteren Entfaltung meiner
Menschlichkeit. Die sich allerdings dann in einer gewissen
Heiterkeit zeigt und in der Gelassenheit, die wir "Das über
den Dingen stehen" nennen. Shakespeare, der große Poet hat
dazu gemeint: Nur der Heitere ist der Meister seiner Seele."
Freitag, 15. Februar 2002
Schon der dritte Tag der christlichen Fastenzeit,
einer Zeit, die so wie es mir ein Freund gestand, auch nicht mehr
ganz das ist, was sie früher war. Was ich allerdings nicht ganz
glaube, denn ich entdecke immer wieder Mitmenschen, die das Fasten
als einen wichtigen Aspekt in ihrem Leben erkennen und es auch
danach einrichten. Und was mich ganz besonders freut, ist dies, dass
es immer mehr Christen gibt, die wissen, dass das richtige Fasten
nicht nur eine persönliche, sondern auch eine hoch soziale und
solidarische Seite hat. Allerdings ist dies überhaupt keine neue
Feststellung, sondern eine uralte, schon der hochkarätige Prophet
und Poet Jesaja betont vor 2600 Jahren als Sprachrohr Gottes, dass
das richtige Fasten, das Gott anerkennt, darin besteht, dass man
dafür sorgt, dass ungerecht Eingesperrte zu besuchen seien und man
solle sich für ihre Entlassung einsetzen und überhaupt, sollen wir
dafür sorgen, dass die Hungernden etwas zu essen und die
Obdachlosen und Flüchtlinge ein Dach über ihrem Kopf bekommen.
Dann sagt der Prophet, dann würden auch unsere Bitten und Sorgen
"oben" gehört und uns der Ehrentitel eines Baumeisters
verliehen, der die Ruinen wieder bewohnbar macht.
Samstag, 16. Februar 2002
Zum Samstag nach dem Aschermittwoch, dem Beginn der
christlichen Fastenzeit, möchte ich Ihnen aus einer Predigt des
berühmten Fastenpredigers Abraham a Sancta Clara zitieren, in der
er eine Anleitung dazu gibt, worauf wir in der Fastenzeit "acht
geben" sollten: Ich frag’: Welche Zahl ist die beste, welche
die heiligste und welche wohl die behutsamste und notwendigste? Die
beste, meine ich, ist die Eins; wenn man eins und einig ist,
besonders im Ehestand. Die heilige Zahl ist drei, weil dadurch die
allerheiligste Dreifaltigkeit angedeutet wird, wo Eins drei ist und
drei Eins. Die bedeutsamste und notwendigste Zahl aber ist die Acht.
In der boshaften Welt heute braucht man sie gar oft: also – gibt
acht! Gib acht bei Freunden, gib acht bei Feinden. Gib acht auf die
Pflicht, gib acht bei Gericht, gib acht beim Studieren, gib acht
beim Vexieren, gib acht beim Reden und Sagen, gib acht beim
Antworten und Fragen. Gib acht beim Wandeln, gib acht beim Handeln,
gib acht im Rat, gib acht bei der Heirat, gib acht auf Wegen und
Straßen, gib acht in allem Tun und Lassen. Ja, liebe Zuhörerinnen
und Zuhörer, ich denke mir, wenn er heute noch lebte, er würde
sehen, dass es noch mehr gäbe zum Acht geben!
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