Morgengedanken
Sonntag, 10. 03. 2002. 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von Msgr Dr. Ernst Pöschl, Eisenstadt
Sonntag, 10.03.2002
Wenn ich nach einem Regen durch den Garten meines Elternhauses
gehe, erlebe ich immer wieder große Freude. Es ist einfach
wunderbar, die Blumen zu betrachten, die sich nach einem
erfrischenden Regen wieder aufgerichtet haben. Besonders dann, wenn
es zuvor längere Zeit nicht geregnet hat. Das erinnert mich daran,
dass ich immer wieder Menschen begegne, die darüber klagen, sie
fühlen sich innerlich ganz leer, trocken. Manchmal reden sie vom
Burn-out Syndrom. Vom Ausgebrannt sein. Wie man da wieder
herauskommen kann? Ich denke da an die Bergpredigt, wo Jesus uns
sagt: "Wenn nun schon Gott auf die Blumen schaut, die heute
blühen und morgen nicht mehr sind, um wie viel mehr wird Gott auf
euch schauen, Ihr Kleingläubigen!"
Blumen, die in der Wohnung stehen, stellt man gern auf den
Balkon, wenn ein Regen kommt. Ich denke mir oft, dass so ein Regen
auch meiner Seele gut tun würde. Manchmal wenn ich am frühen
Morgen erwache und vor meinem kleinen Hausaltar sitze und mir
vorstelle, dass meine Seele von der Gnade Gottes getränkt wird.
Wenn ich im Gebet Gott anschaue, dann denke ich daran, dass mir
Gott seine Liebe schenkt und mich erquicken will. Ich muss nur daran
glauben, mich darauf einlassen.
Montag, 11.03.2002
Ein Jahr vor meiner Priesterweihe habe ich in den Ferien in einem
Steinbruch gearbeitet. Ein Erlebnis ist mir immer noch im
Gedächtnis: Ich sollte einem Arbeiter, der im Steinsilo die
gewaltigen Siebe überwachte, eine Nachricht überbringen. Mit
ohrenbetäubendem Getöse wurden die Steine gesiebt und sortiert. Im
Steinsilo konnte ich mich auch nicht durch lautes Schreiben
verständlich machen. Erst im Freien habe ich mit dem Arbeiter reden
können. Stundenlang nachher hörte ich immer noch das Getöse. Es
ist mir bis heute unverständlich, wie ein Mensch diesen Lärm
jahrelang aushalten kann. Für mich ist das zugleich ein Bild für
die Menschen unserer Zeit. Oft umgibt sie ein so großer Lärm, dass
sie das Wesentliche nicht mehr zu hören imstande sind. Wie wichtig
Gott das Hören nimmt, können wir schon daraus sehen, dass wir alle
zwei Ohren, aber nur einen Mund bekommen haben. Und trotzdem reden
wir alle zu viel und hören zu wenig zu. Mit einem anderen reden
heißt, zuerst hören.
Der heilige Franz von Assisi fragte: "Was willst du Herr,
dass ich tun soll?" Auch wir sollen auf das Wichtige, auf das
Wesentliche hören lernen: Was will ich jetzt erreichen? Was will
Gott von mir? Dient das meiner Entscheidung oder lenkt es mich ab?
Vergeudet es meine Zeit?
Dienstag, 12.03.2002
Der Autofahrer ist auf eine gute Landkarte angewiesen. Es heißt
festzustellen, woher man kommt und wohin die Fahrt führen soll.
Natürlich kann jemand erklären: "Ich habe keine Zeit, die
Karte zu studieren. Ich muss noch weit fahren und habe es sehr
eilig." Es gibt aber gewisse kleine, unübersichtliche
Straßen, auf denen man ständig kontrollieren muss, ob man noch auf
dem richtigen Weg ist. Das sind die Momente, wo man das Gefühl hat,
sich völlig verirrt zu haben. Ich habe bisher so viel von einer
guten Landkarte gesprochen. Ich möchte sie mit der Heiligen Schrift
vergleichen. Diese wurde vor etwas 2000 Jahren aufgezeichnet. Eine
Karte, die so alt ist, wird uns nur interessieren, wenn sich noch
aktuell ist. Sie soll uns doch helfen, uns in der Gegend
zurechtzufinden. So suchen wir im Leben eine Antwort auf unsere
brennendsten Fragen. In der Heiligen Schrift haben die Evangelisten
über ihr Leben berichtet. Es war ebenso schön und ebenso dunkel
wie unseres. Sie haben mit Christus gelebt, mit ihm gegessen und
getrunken, mit ihm gesprochen und gearbeitet. Auch wir erleben das
gleiche Abenteuer. Wir glauben daran, dass wir mit Christus arbeiten
und mit ihm sprechen können.
Mittwoch, 13.03.2002
Wer seine Unterschrift auf einen Scheck setzt, der ist bereit,
den Betrag, der dort steht, zu bezahlen. Wer einen Blankoscheck
ausstellt, ist damit einverstanden, dass ein Betrag in beliebiger
Höhe eingesetzt werden darf. Natürlich wird er es sich gut
überlegen, wem er einen solchen Scheck übergibt. Als Maria durch
den Engel Gottes erfahren hat, dass sie die Mutter Gottes werden
soll, sagt sie zu ihm am Ende des Gespräches: "Siehe ich bin
die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort." (LK 1,38)
Mit diesen Worten hat Maria ihr Einverständnis gegeben für alles,
was Gott später wollte. Sie hat ja gesagt, dass sie in der Fremde,
in Bethlehem, kein Dach über dem Kopf hat. Als Flüchtling
unterwegs nach Ägypten zu sein, mit all dem Leid, das damit
verbunden war. Mitzuerleben, wie Jesus von den eigenen Verwandten
verkannt wurde. Schließlich der Tod Jesu am Kreuz. Wie empfinden
Sie, wenn Sie den Satz aussprechen: "Gott, du kannst mit mir
machen, was du willst?" Wahrscheinlich packt Sie Angst, dass
Gott etwas mit ihnen vorhat, das Sie sich nicht vorstellen können.
Mutter Teresa von Kalkutta hat das einmal so ausgedrückt: Gott
schenkt sich erst dann ganz, wenn wir uns ihm ganz schenken. Ich
kann es mir vorstellen, dass Sie Angst davor haben, Gott für ihr
ganzes Leben gleich einen Blankoscheck auszustellen. Ich habe es
einige Male mit einer kürzeren Laufzeit versucht, die ich später
steigern könnte. Wie wär’s, wenn Sie versuchten, Gott für den
heutigen Tag einen Blankoscheck auszustellen?
Donnerstag, 14.03.2002
Wer sich entschließt, ein Einfamilienhaus zu bauen, der wird mit
einem Plan beginnen. In ruhigen Stunden wird er sich hinsetzen und
die Anordnung der einzelnen Räume skizzieren. Schließlich wird er
einen Finanzierungsplan aufstellen, wie die Mittel für den Bau
aufgebracht werden sollen. Wer also auch nur ein kleines Gebäude
errichtet, hat bereits vorher einen Plan. Vielleicht haben Sie sich
schon einmal gefragt: "Und wie steht es mit meinem Leben?"
Wir dürfen gewiss sein: Wenn Gott uns aus Liebe ins Dasein gerufen
hat, dann war dies kein Willkürakt, dann steckt ein Plan dahinter.
Immer wieder begegnen wir in der Bibel Stellen, die uns zeigen, dass
Gott mit seiner Welt und mit jedem Menschen einen Plan hat. Schon
bei Jesaja spricht Gott zu den Menschen: "Mein Plan steht fest,
was ich will, führe ich aus." (Jes 46,10) Gott hat also auch
einen Plan für Ihr und mein Leben. Allzu oft erkennen wir erst
später, was der Plan Gottes mit unserem Leben gewesen wäre.
Vielleicht haben wir uns zu wenig Zeit genommen, seinen Plan zu
erkennen. Gott will uns auch in Situationen, die uns unverständlich
vorkommen, zu verstehen geben, dass er uns liebt und, dass er einen
guten Plan für uns hat. Der Apostel Paulus, der in seinem Leben
auch am Anfang so manches nicht verstanden hat, ringt sich zur
Einsicht durch: Wenn einer Gott liebt, muss er alles dazu beitragen,
dass er das Ziel erreicht, zu dem Gott ihn nach seinem Plan berufen
hat. (Röm 8,28)
Freitag 15.03.2002
Kinder fürchten sich oft, wenn sie allein in den finsteren
Keller gehen sollen, um von dort etwas zu holen. Sie pfeifen oder
singen dann, um ihre Angst zu vertreiben. Für einen Erwachsenen
passt es nicht, Angst zu haben. Wer etwas gelten will, muss seine
Angst überspielen oder verdrängen. Die Angst gehört aber zum
menschlichen Leben. Es gibt kaum einen Menschen, der ohne Angst
leben kann. Sie ist notwendig, wie der Schmerz, als Signal und
Warnung bei Gefahr. Angst ist ein Zeichen dafür, dass Sie in einer
Situation stehen, der Sie nicht oder noch nicht gewachsen sind.
Angst kommt von Enge, macht eng. Loszukommen von dieser Bedrängnis
gelingt dem sicher nicht, der in der Enge verbleibt. Angst ist somit
ein Zeichen dafür, dass Sie versuchen müssen, aus der Enge
herauszukommen, in dem Sie Altes verlassen und Neues riskieren. Mehr
als 300-mal heißt es in der Heiligen Schrift: "Fürchtet euch
nicht!" Darin liegt einerseits Tröstung für jeden Tag,
andererseits erkennen Sie daraus ,dass jeder Mensch Angst hat. An
seinem letzten Namenstag hat Papst Johannes XXIII. die folgenden
Worte gesprochen: "Wer Glauben hat, zittert nicht. Er
überstürzt nicht seine Handlungen, ist nicht pessimistisch und
verliert nicht die Nerven. Er ist die Heiterkeit und Lebensfreude,
die von Gott stammt, denn Gott und die Freude gehören
zusammen..." Alle haben die Heiterkeit und die Güte dieses
Papstes bewundert. Am Ende seines Lebens hat er hier sein Geheimnis
ausgesprochen. Die Verbindung mit Gott und die Geborgenheit in ihm
waren für sein Leben bestimmend. Könnte das nicht auch für Sie
ein Ausweg aus Ihren Ängsten sein?
Samstag, 16.03.2002
Ein Lehrling hat über den Sinn des Lebens geschrieben:
"Mein Leben kommt mir vor, wie ein Buch, in dem ich mich
überhaupt nicht auskenne. Manchmal bin ich voller Freude, so dass
ich glücklich bin über jede Minute, die ich lebe, aber manchmal
ist alles für mich so leer und trostlos, dass ich jeden Augenblick
Schluss machen möchte. Später bin ich dann froh, dass ich noch am
Leben bin." Vielleicht hast du auch das Gefühl alles falsch zu
machen. Und dieses Gefühl in dir wächst bis zur
Hoffnungslosigkeit. Die Frage nach dem Sinn deines Lebens taucht
immer dann auf, wenn es dir schlecht geht. "Gibt es einen Weg,
der weiterführt? Warum soll ich diesen Weg weitergehen?" Sinn,
das ist ein sehr altes Wort und bedeutet WEG. Wenn du im Augenblick
keinen Weg vor dir sehen kannst, da solltest du dich auf die Suche
begeben.
Die Suche nach dem Sinn des Lebens:
Leben hat einen Sinn, weil ich gute Freunde habe, mir die Arbeit
gefällt, weil es mir im Augenblick gut geht.
Hat dein Leben nur dann einen Sinn, wenn es dir gut geht?
Im Bericht von der Taufe Jesu im Jordan, hat mich ein Wort
getroffen. Vom Himmel rief damals eine Stimme: "Du bist mein
geliebter Sohn! Mein Wohlgefallen ruht auf Dir." Kannst du
diese Worte für dich annehmen?
Gott sagt es auch zu dir: "Du bist meine geliebte Tochter,
mein geliebter Sohn!"
Ich weiß, dass es nicht einfach ist, diese Stimme in unserer
Welt zu hören, in der du etwas ganz anderes hörst: "Jeder
Mensch ist zu ersetzen!" Wenn Du Deine Arbeit nicht erfüllst,
viele andere warten schon auf Deinen Platz.
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