Morgengedanken
Sonntag, 14. 04. 2002. 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von Pfarrer Mag. Wilfried M. Blum,
Göfis, Vorarlberg
Sonntag, 14. April 2002
Tests gibt es heute am laufenden Band: angefangen
von Aids- oder Alkoholtests, Schwangerschaftstests über Tests bei
einem Auswahlverfahren bis zu persönlichen Testfragen, die helfen
sollen, den eigenen Standort zu klären.
Ich möchte Sie gerne in dieser Woche in manchen
Bereichen austesten. Das Testergebnis liegt ganz in ihrem eigenen
Ermessen und bleibt bei Ihnen persönlich aufbewahrt.
Heute ist Sonntag - Test Nummer eins:
"Sag mir, wie dein Sonntag ausschaut, und ich
sage dir, wie dein Leben aussieht!"
Ich beobachte, wie die Gestaltung des Sonntags ein
bezeichnendes Licht auf die Werte wirft, die im Leben eines Menschen
vorherrschend sind. Wer auch am Sonntag nur vom Geschäft und der
Arbeit redet, der wird von diesen Themen besetzt sein und sich nicht
wirklich erholen können. Wer sich ständigem
Freizeit-Leistungsdruck und -stress unterwirft, dessen Werteskala
wird von Leistung und Erfolg bestimmt sein. Solche Menschen kennen
kein absichtsloses Dasein, weil sie sich nur in der Leistung als
wertvoll erfahren. Oder wer sonntags keine freie Zeit für andere
findet, dem sind Begegnungen kaum etwas wert..
Heute ist Tag des Herrn.
Ich wünsche Ihnen heute Zeit für eine ehrliche
Bestandsaufnahme jener Werte, die ihr Leben prägen. Vielleicht
kommt dann die Sehnsucht nach anderen Werten, die Sie wieder zu
jenem Original werden lassen, wie Sie Gott in Liebe geschaffen hat?
Montag, 15. April 2002
Eine kleine Testserie soll Ihnen helfen, ihre
persönliche Situation klarer zu sehen.
Nun also Test Nummer Zwei:
Wenn Sie interessiert, wie Kirche tatsächlich
aussieht, dann schauen Sie am Morgen in den Spiegel, und es
wird Ihnen "Kirche" entgegenblicken. Dann können Sie
erschrecken oder zufrieden sein, egal wie, eines wird untrüglich
sichtbar: Kirche ist nur so gut oder so schlecht, wie jeder Christ
oder jede Christin es ist. Dieser Spiegeltest hat noch etwas Gutes.
Er verhindert, dass Kirche nur immer die da oben sind: der Papst,
die Bischöfe, der Pfarrer oder die anderen, die man gerne als
Scheinfromme oder Kirchenspringer abtut, um selber besser dazu
stehen.
Um klar zu sagen: Es geht nicht darum, irgendwelche
Missstände zu vertuschen oder Kritik zu unterdrücken, sondern um
mehr ehrliche Selbstkritik und darum, zu verhindern, eigene Fehler
anderen zu unterstellen.
Ein Blick in den Morgenspiegel entlastet auch. Denn
ich kann feststellen: In der Kirche ist eben nicht alles perfekt, so
wie ich auch nicht perfekt sein muss. Es gibt in ihr viele gute
Seiten mit einem eigenen Glanz, so wie ich auch viele Fähigkeiten
und Glanzseiten habe.
Wenn Sie sich nach diesem Test selber mehr lieben
können, dann besteht die Chance, dass Ihr Urteil über die Kirche
zukünftig barmherziger ausfallen wird. Das könnte allen gut tun.
Dienstag, 16. April 2002
Beten ist ein sensibler Gradmesser dafür, wo Gott
in meinem Leben wichtig ist.
Dazu Test Nummer Drei: Ist Gott in meinem Leben
Hausherr oder Zimmerherr?
Schauen Sie einmal darauf, wie Sie beten, und achten
Sie darauf, welche Themen dabei vorkommen. Sie können bald einmal
beobachten, wo Gott in ihrem Lebenshaus Zugang hat oder nicht. Gott
ist dann "Hausherr", wenn er in alle Räume hineinkommt:
vom Keller bis zum Dachboden, vom Wohnzimmer bis zur Abstellkammer.
Jeder Raum bedeutet etwas: der Dachboden z.B. für alles inneres
Gerümpel; das Wohnzimmer für die Familie, die Küche für alles
Genießbare, das Bad für alles Körperliche; der Keller für alle
dunklen Seiten in mir; nicht zu vergessen die Fenster und Türen,
die unsere Beziehungen zu den nächsten und fernsten Menschen
symbolisieren.
Es kann sehr hilfreich sein, sein eigenes Lebenshaus
zu malen und die Räume mit persönlichen Bereichen zu benennen.
Gott ist dann "Zimmerherr", wenn Sie nur um ein paar
bestimmte Anliegen beten. Gott ist eben für Sie nur dort
zuständig.
Wenn Sie aber im Gebet mit Gott ihr Lebenshaus - vom
Dachboden bis zum Keller, vom Schlafzimmer bis zum Balkon -
durchgehen, kann Gott wirklich überall einziehen und heilend
wirken. Gott kennt keine Tabus, wir dürfen ihm alle unsere
Zimmerschlüssel anvertrauen. Nicht Gott ist dabei Gewinner, sondern
wir.
Mittwoch, 17. April 2002
Wo steht bei Ihnen zuhause die Bibel? Diese
Testfrage gibt Aufschluss darüber, welchen Stellenwert die Heiligen
Schrift für Sie hat. Vielleicht liegt sie in Griffnähe und Sie
lesen immer wieder darin. Vielleicht wissen Sie gar nicht, ob Sie
überhaupt eine Bibel haben oder ob es noch ein Exemplar aus
Kindheitstagen oder der Gratis-Schulbuchaktion ist. Sollte es
tatsächlich der Fall sein, befinden Sie sich leider in bester
Gesellschaft mit den meisten Frauen und Männer unserer katholischen
Kirche.
Ich bin mir sicher, dass Sie dann einfach etwas
versäumen, was Ihrem Leben einen anderen Glanz und eine wirkliche
Hilfe geben könnte. Ich muss beim Bibellesen nicht alles sofort
verstehen, aber ich kann bei jenen Worten stehen bleiben, die mich
in meiner momentanen Situation ansprechen und ermutigen. Vielleicht
regt eine Geschichte oder ein Satz auf und lässt nicht mehr locker.
Das kann genau der Anfang sein, mehr darüber erfahren zu wollen, in
Sachbüchern nachzulesen oder bei seriösen Fachleuten der Bibel
nachzufragen. Wer immer ehrlich, offen und mit gesundem Hausverstand
in der Bibel liest, den führt Gottes Geist auf die richtige Spur;
der entdeckt, wie lebendig Gottes Wort für sein Leben wird.
Bibeltexte sind natürlich keine Fast-Food-Kost, sondern Feinkost,
die lange und gerne und mit viel Geduld genossen sein wollen.
Donnerstag, 18. April 2002
Test Nummer Fünf: Können sich andere auf Ihr
Wort verlassen?
Vor einiger Zeit habe ich ein neues Auto bestellt.
Nachdem ich mit dem Autohändler alles fixiert habe, habe ich
abschließend gefragt, wo ich nun unterschreiben müsse. Seine
Antwort war prompt: Wenn ich deinem Wort nicht mehr trauen kann,
dann schließ ich den Laden!
Ich war betroffen, denn so selbstverständlich ist
diese Einstellung heute nicht mehr.
Sich nach allen Seiten hin abzusichern und rechtlich
nichts dem Zufall zu überlassen, ist heute Mode. Es könnte ja
sein...?! Wer kennt nicht diese misstrauische Haltung?
Verlässlichkeit und Worttreue sind entscheidend in
geschäftlichen wie in privaten Beziehungen. Sie bilden das
Fundament für nachhaltige Bindungen. Es gäbe weniger schmerzliche
Erfahrungen von Enttäuschungen und Verletzungen, wenn man sich auf
einen Menschen verlassen und seinem Wort trauen kann. Um wie viel
mehr geglückte Beziehungen gäbe es heute, wenn mit den Worten das
ausgesprochen wird, was auch im Innern gedacht wird.
Wenn sich andere auf mein Wort verlassen können,
trage ich zu einem Klima des Vertrauens bei. Dann werde ich auch
anderen offener und vertrauensvoller begegnen. Mich bestärkt darin
meine biblische Erfahrung, dass ich mich auf Gottes Zusagen und
Verheißungen verlassen kann. Seine Botschaft mich anzunehmen, wie
ich bin, und mich zu lieben, stärkt und ermutigt mich.
Freitag, 19. April 2002
Testfrage Nummer Sechs: In welche
"Schubladen" teile Sie andere Menschen ein?
Bei einem Frisör-Besuch ergab sich mit einer jungen
Frau ein interessantes Gespräch.
Da sie mich nicht kannte, wollte sie mit der Zeit
wissen, wie ich mit meinen Kindern die Feiertage verbringen werde.
Nun "offenbarte" ich mich als Pfarrer. Das brachte sie
zuerst einmal etwas ins Stottern. Sie hatte ein anderes Pfarrerbild
in sich und dieses Klischee hat jetzt nicht mehr gepasst.
Wie schnell baut man bei manchen Menschen ein
bestimmte Klischee in sich auf und wird somit dem anderen nicht
gerecht. Es müssen nicht immer nur die sogenannten Ausländer sein,
über die man sich Vorurteile zurechtgelegt hat; es kann auch das
weit verbreitete Klischee sein, dass im parteipolitischen Hickhack
immer die andere Partei nichts Vernünftiges hervorbringt und
deshalb abgelehnt werden muss.
Klischees sind "geistige Genickstarren".
Und das verhindert Weitsicht und Toleranz. Deshalb ist es ganz
wichtig, von Zeit zu Zeit seine Schubladen der eigenen Klischees
anzuschauen und notfalls zu säubern.
Wie gut, dass Gott uns so sieht, wie wir sind, und
uns so begegnet, dass es für uns zum Segen ist. Klischee ist für
Gott ein Fremdwort. Wir können darin Gott nacheifern, indem wir von
Zeit zu Zeit unsere Vorurteile entschubladisieren.
Samstag, 20. April 2002
Die Serie der Tests möchte ich abschließen mit der
Frage: Traue Sie sich, Zeugnis von ihrem Glauben abzulegen?
Für die heurige Osternacht habe ich wiederum
Erwachsene und Jugendliche gefragt, ob sie nicht vor der
Tauferneuerung ein kurzes Glaubenszeugnis ablegen. In einer
Christengemeinde kann es manchmal recht mühsam sein, Menschen
dafür zu finden. So sehr ist der eigene Glaube Privatsache, und so
wenig sind wir gewohnt, über unseren Glauben zu sprechen.
Eigentlich ein Armutszeugnis!
Es war heuer wiederum sehr beeindruckend zu hören,
was Christen ihr Glaube im Leben wert ist. So erzählte eine
Jugendliche:
"... Für mich sind Glaube und Gott wie der
Herzschlag des Lebens, der mich ständig begleitet, auch wenn ich
nicht daran denke, und den ich fühlen kann, wenn ich ruhig werde
und ich mich auf ihn einlasse..."
Eine junge Frau sagte:
"...Jesus ist für mich wie ein Lehrmeister,
der mir zu neuer Kraft verhilft, mir Mut gibt und mich sehen lässt,
was schon alltäglich und beinahe selbstverständlich ist..."
Eine andere Frau:
"...Ich bin froh, dass ich gelernt habe zu
beten und Gott zu vertrauen. So gibt Jesus mir immer wieder Kraft,
Halt, Licht und Hoffnung in schönen Tagen wie auch in schwierigen
Tagen meines Lebens..."
Und was bezeugen Sie von ihrem Glauben?
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