Morgengedanken

Sonntag, 28. 04. 2002. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

von Kaplan Mag. Johannes Freitag

 

 

Sonntag, 28. April 2002

Jeden Menschen ist bestimmt durch die Wurzeln seines Lebens. Die eigene Familie - Eltern, Geschwister - der Heimatort, die Nachbarn, Menschen, die die ersten Lebensjahre begleiten... Wenn ich Ihnen in dieser Woche ein wenig über meinen Weg zum Dienst als Priester erzähle, denke ich ebenso zuerst an meine Wurzeln zurück, die mich geprägt haben. Meine Heimat, die Marktgemeinde Spielberg im Aichfeld in der Obersteiermark, ist von Industriebetrieben gekennzeichnet und war, was die Arbeitslosigkeit betrifft, in den letzten Jahren immer wieder ein Krisengebiet.

 

Mein Heimatdorf Lind ist größtenteils eine Siedlung von Menschen, die ihren Lebensunterhalt als Arbeiter in einem jener Betriebe verdient haben. Das Umfeld meiner Herkunft war und ist nicht sehr traditionell kirchlich bestimmt. Dennoch durfte ich in meinen ersten Lebensjahren, gemeinsam mit meinen beiden älteren Geschwistern eine christliche Geborgenheit bei meinen Eltern erfahren, die mich sehr geprägt hat. Diese Geborgenheit war es auch, die mir während meiner Ausbildung - in der Zeit des Entscheidens und manchmal auch Zweifelns - Orientierung und Zuversicht geschenkt hat.

 

Heute bin ich, im Blick auf meine Wurzeln, meinen Eltern für diese Geborgenheit dankbar.

Ich durfte spüren, dass der Sonntag und die kirchlichen Feste des Jahres nicht nur freie Zeit waren, sondern einen Inhalt und eine Botschaft hatten.

 

Wenn Sie auf Ihre Wurzeln blicken, wünsche ich Ihnen, dass auch Sie Geborgenheit im Glauben erfahren durften und eine Spur Gottes in ihrem Leben finden können.

 

 

Montag, 29. April 2002

"Hatten Sie schon einmal mit einem Priester zu tun?" – diese Frage wird sicher jede und jeder von Ihnen mit einem klaren Ja beantworten können. Immer wieder bieten uns verschiedene Anlässe die Möglichkeit, einem Priester in seinen verschiedenen Aufgaben, Diensten und Wirkungsbereichen zu begegnen.

 

Wenn ich Ihnen in dieser Woche einige Blitzlichter meines Weges zur Priesterweihe aufzeige, denke ich an meinen verstorbenen Heimatpfarrer Josef Otter.

 

Schon als Ministrant konnte ich ihn als kleiner Bub näher kennen lernen. Immer wieder hat er mich an seinem Leben im Pfarrhof und bei seinen verschiedenen Tätigkeiten und Aufgaben teilnehmen lassen.

 

Im Blick zurück würde ich ihn als meinen geistigen und geistlichen Vater bezeichnen. Mit seinem Tod im Jahr 1993 habe ich ein Stück Heimat verloren. Heute bin ich dankbar, dass er mich an seinem Leben und seinem Priestersein teilnehmen ließ. Vielleicht ist gerade dadurch in mir der Wunsch wach geworden, selbst Priester zu werden. Auch wenn ich während meiner Mittelschulzeit andere Berufswünsche hatte, bin ich in der Zeit vor der Matura wiederum auf diesen Wunsch meiner Kindheit aufmerksam geworden, wofür mein Heimatpfarrer durch sein positives und ansprechendes Lebenszeugnis nicht unwesentlichen Anteil hatte.

 

"Hatten Sie schon einmal mit einem Priester zu tun?" – vielleicht fällt Ihnen eine Begegnung ein.

 

Ich hoffe sein Lebenszeugnis war für Sie ebenso positiv. Sicher haben Sie jedoch die Erfahrung gemacht, dass ein Priester ein Mensch mit Begabungen, Fähigkeiten, aber auch Schwächen und Mängeln ist.

 

 

Dienstag, 30. April 2002

Wenn ich ihnen in diesen Tagen einige Blitzlichter meiner Berufungsgeschichte zum priesterlichen Dienst schildere, so gehen meine Gedanken zurück in jene Zeit, die ich während des Studiums im Priesterseminar verbracht habe. Für mich waren dies Jahre des Entscheidens und des Überlegens.

 

Es war für mich ein Suchen und Fragen, ob ich mein Leben als Priester in den Dienst für Gott und die Menschen stellen möchte, oder nicht. Verschiedene Kollegen, die mit mir studiert uns das Leben in der Hausgemeinschaft geteilt haben, waren mir eine große Hilfe.

 

Jene, die mich in so mancher Haltung und Einstellung in Frage gestellt haben.

 

Jene, die mit mir studiert, oder mit denen ich wesentliche Inhalte des Studiums diskutiert habe.

 

Jene, die mir Mut gemacht haben, wenn ich niedergeschlagen und ratlos war.

 

Jene, mit denen ich so manche Freude geteilt und so manches unternommen habe.

 

Ich bin aber auch den Weggefährten verbunden, die sich für einen anderen Lebensweg und Beruf entschieden haben. Gerade sie waren es, die mich zum Überprüfen meiner Beweggründe motivierten, selbst Priester zu werden.

 

In ihrem Leben gibt es wahrscheinlich auch wichtige Entscheidungen zu treffen.

 

Ich wünsche Ihnen, dass sie sich Zeit nehmen können und ebenso Menschen finden, die sie in ihrem Überlegen, Fragen und Suchen begleiten. Weggefährten, die sich mit ihnen über die getroffene Entscheidung freuen.

 

 

Mittwoch, 1. Mai 2002

Einen guten Morgen am heutigen Staatsfeiertag.

 

Am heutigen Tag bin ich dankbar in Österreich zu leben, in einem Land, in dem mir Freiheit, Frieden und Wohlstand geschenkt sind. Ich sehe dies nicht als Selbstverständlichkeit und bin froh, dass es heute einen Feiertag des Staates gibt, der mir dies wieder bewusst macht.

 

In Blick auf die Zeit meines Theologiestudiums war mir meine Mitarbeit beim Österreichischen Jugendrotkreuz wertvoll. Wenn das Studienjahr zu Ende ging und die Bewohner des Priesterseminars in den Sommermonaten ausschwirrten, begaben sich ein Jahrgangskollege und ich zu einem internationalen Studien- und Freundschaftslager. Dies war eine dreiwöchige Begegnung von Jugendlichen verschiedenster Nationalitäten, Religionen und Rassen. In diesen Tagen wurde mein Horizont geweitet für die Lebenssituation von Menschen anderer Kontinente. Der Versuch des Miteinanders unterschiedlichster Sprachen, Meinungen und religiöser Überzeugungen prägte nicht nur die gemeinsame Zeit, sondern auch mich in meiner Begegnung mit andersdenkenden und andersgläubigen Menschen. Dabei war es nicht notwendig eigene Überzeugungen oder gar meinen Wunsch, Priester zu werden, aufzugeben, sondern das Interesse und das Verständnis, das einem entgegengebracht wurde, zu erwidern.

 

Nicht selten bin ich nachdenklich ins Priesterseminar zurückgekehrt, weil Jugendliche mir ihren Alltag in Armut, Ungerechtigkeit und Krieg geschildert haben. Heute bin ich dankbar für meine Mitarbeit beim Jugendrotkreuz, die mir meinen manchmal begrenzten Horizont erweitert hat.

 

Diese Erfahrung war mir in der Frage, Priester zu werden, hilfreich. Dankbar bin ich ebenso in einem freien und friedlichen Land leben zu dürfen. Sie auch?

 

 

Donnerstag, 2.Mai 2002

Haben sie schon einmal davon geträumt ein Jahr auf Urlaub zu sein? Ich war schon einmal ein Jahr auf Urlaub, aber nicht am Strand, unter Palmen bei 30 Grad im Schatten. Nein. Während meiner Vorbereitung zum Priesterberuf, habe ich mich ein Jahr freistellen, bzw., wie es auch heißt, beurlauben lassen.

 

In den Monaten zuvor spürte ich in mir den Wunsch, die vertraut gewordene Umgebung des Priesterseminars zu verlassen, um die eigene Berufswahl und die damit verbundene Lebensform, frei von allen Einflüssen und auf mich selbst gestellt, nochmals zu überdenken.

 

Selbständigkeit war mir schon während meiner Mittelschulzeit, die ich ebenfalls in Graz verbrachte, vertraut. Nun hieß es in Solidarität mit vielen anderen die gut versorgte Hausgemeinschaft zu verlassen und für den Lebensunterhalt zu sorgen. Einkaufen, kochen, putzen waren das eine, studieren, das persönliche Leben und Gebet zu gestalten, das andere Erfahrungsgebiet in diesem Jahr.

 

Es hat mir gut getan, dieses Jahr des intensiven Entscheidens, welches von Gebet, Studium und von tiefen persönlichen Fragen bestimmt war. Mit einem neuerlichen und vertieften JA bin ich nach dieser Zeit in die Hausgemeinschaft des Priesterseminars zurückgekehrt.

 

Haben Sie im Urlaub schon einmal die Erfahrung gemacht, dass sie sich Zeit nehmen, um mit einem Abstand gegenüber äußerer Einflüsse zum Nachdenken zu kommen. Haben Sie bemerkt, dass Sie sich in diesen Tagen selbst näher sind?

Ich wünsche Ihnen heute einige Augenblicke, die Ihnen gut tun und in denen Sie sich nahe sind.

 

Ich wünsche Ihnen im Alltag immer wieder Momente und Erfahrungen des Urlaubs.

 

 

Freitag, 3. Mai 2002

"Herr Kaplan, warum sind sie eigentlich Priester geworden?"

 

Diese Frage habe ich in den bald zwei Jahren meinen priesterlichen Dienstes immer wieder gehört. Im Kindergarten oder der Grundschule von Kindern, in der höheren Schule, in der ich unterrichte oder bei so manch anderer Begegnung als Jugendseelsorger des Bezirks Murau von verschiedenen Jugendlichen.

 

Die Frage, warum jemand Priester, Ordensmann oder Ordensfrau wird, stellen sich nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsenen verschiedenen Alters. Hinter der Frage verstecken sich vielleicht Neugier oder Unverständnis, aber auch Interesse an der Lebenskultur, die ich als junger Priester in einer Gesellschaft leben.

 

Verbirgt sich dahinter nicht auch die Sehnsucht und der Wunsch, dass Geheimnis eines Lebens näher kennen zu lernen? Jenes Geheimnis, das jeder Mensch in sich trägt und welches mit Worten nur bruchstückhaft verständlich gemacht werden kann. Immer wieder erfahre ich und wahrscheinlich auch Sie, dass es nicht einfach ist, Erfahrungen, die wir im Herzen tragen - unsere Gedanke und Gefühle - anderen mitzuteilen.

 

Zu begrenzt ist manchmal unser Sprechen – zu schwierig unser Inneres durch Worte zu vermitteln.

 

Letztlich bleibt jeder Mensch ein Geheimnis, das Achtung und Ehrfurcht verdient.

 

Als Glaubende bekennen wir, dass jeder Mensch Abbild Gottes ist und daher eine Würde hat, die ihm nicht genommen werden kann.

 

Ich wünsche ihnen heute ein gutes Gespür in ihren Begegnungen und das Bewusstsein, in diesen dem Geheimnis eines Menschen nahe zu kommen.

 

 

Samstag, 4.Mai 2002

"Die Freude an Gott ist unsere Kraft!" steht als Ermutigung im alttestamentlichen Buch Nehemia.

 

Diesen Spruch habe ich über meine Priesterweihe und Primiz, sowie als Lebenswort über meinen priesterlichen Dienst gestellt. Ich durfte in meinem bisherigen Leben erfahren, dass die Freude an Gott, am Glauben und an der Gemeinschaft der Kirche nicht nur für mich, sondern für viele Menschen eine Quelle der Kraft und der Zuversicht ist. In dieser Woche habe ich ihnen einige Erfahrungen meines Weges zum Priesterberuf geschildert. Ich habe erzählt, was mich auf diesem Weg begleitet und ermutigt hat. Die christliche Geborgenheit meiner Kindheit bei meinem Eltern und in meiner Heimatpfarre, haben meine ersten Lebensjahren erfüllt.

 

Doch bin ich nicht in jener kindlichen und unbeschwerten Erfahrung stehen geblieben, sondern wurde immer wieder, gerade auch im Dienst als Priester an den Grenzen des menschlichen Lebens, auf jene Freude aufmerksam, die Tiefe hat.

 

Es ist jene Zuversicht und Hoffnung, aus der glaubende Menschen leben können, selbst wenn Ihnen große Herausforderungen gestellt sind und sie Schweres zu tragen haben. Diese Freude an Gott, die aus der Tiefe des Herzens kommt, darf ich spüren, bei so mancher Begegnung mit alten und kranken Menschen, die die Mühsal des Lebens tragen. Diese Zuversicht darf ich aber auch spüren, wenn Menschen in ihrer Hilflosigkeit andere zu Liebe und Menschlichkeit ermutigen. Die Freude an Gott, als unsere Kraft erfahre ich im ehrlichen und aufrichten Miteinander der verschiedensten Gemeinschaften unserer Kirche.

 

Mögen auch sie Ihren persönlichen Glauben, ihre Beziehung zu Gott und Ihre Beziehung zur Kirche als Kraft- und Lebensquelle erfahren. Dies wünscht Ihnen Kaplan Johannes Freitag, der sie gern durch diese Woche begleitet hat.