Morgengedanken
Sonntag, 16. 06. 2002. 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von
Landessuperintendent Peter Karner
Sonntag,
16. Juni 2002
Wenn
in biblischen Zeiten - am Morgen - ein Mann die geliebte Frau
angesehen hat, dann ist er ins schwelgen geraten über ihre Schönheit:
"Du
bist. Schön, meine Freundin: Deine Augen sind wie Täubchen. Deine
Haare glänzen und schimmern in der Sonne. Deine Zähne sind wie
frischgeschorene Schafe, weiß und makellos. Deine Lippen sind
purpurne Bänder an deinem herrlichen Mund.
Wenn
die Durchschnittsösterreicherin aufwacht, ist weit und breit kein
Minnesänger. Neben ihr im Bett ein Mann, schlaftrunken und grantig.
Wenn sie jetzt zu ihm sagt: „Sag, findest du mich eigentlich schön?
Dann sagt er bestimmt: "Sag, hast kane andern Sorgen um die
Zeit'? Das hab ich nötig gehabt, denkt sie. Und geht ins
Badezimmer, zum Spiegel. Nein, sie hat keine Illusionen, was ihre
Schönheit betrifft. Aber irgendwie ist sie ja doch schön, fesch.
interessant. Und sie schaut sich an und singt sich kein schönes
Lied: „Na servas i schau aus!“ Da wird sie zornig und alles bäumt
sich in ihr auf: „Ab heute tu ich was für mich!"
Ist
das nur eine Morgenstimmung? Wird sie’s wirklich tun? Und für
wen, diesen uncharmanten Macho vielleicht?
Und
darum braucht eine Frau auch, um wieder schön zu werden: einen
Mann: der ihr schon in aller Herrgottsfrüh biblische Liebeslieder
vorsingt.
Montag,
17. Juni 2002
Siehe,
ich mache alles neu!" hat Jesus gesagt und damit das Programm
des christlichen Glaubens offengelegt: das Christentum ist eine Veränderungsreligion.
Aber
seit Jahrtausenden hält sich die hartnäckige Überzeugung, auch
Katastrophen könnten die Menschen grundlegend verändern. Auch
Katastrophen könnten sie Menschen zur Vernunft bringen und sie zu
entscheidenden Maßnahmen veranlassen. Aber die Realität hat diese
Katastrophenromantik immer noch widerlegt. Das älteste Beispiel
sind die "ägyptischen Plagen“ im Alten Testament. Pharao ist
durch die Katastrophen nicht gescheiter geworden, sie haben ihn nur
noch sturer gemacht und sein Herz verstockt.
Und
von da an zieht sich eine Kette von Katastrophen, die immer mit der
romantischen Erwartung verbunden waren, die Menschen würden sich ändern
- unter dem Eindruck dieser schrecklichen Ereignisse.
Gut
gemeint und naiv hat man sich immer wieder eingeredet, die Welt sei
nach dieser Katastrophe eine andere geworden - und daher wird es
keinen Rückfall in alten Wahn und alte Verbrechen geben.
Diese
Hoffnung hatte die Menschheit nach Auschwitz, nach Hiroshima,
Tschernobyl und dem Terroranschlag vom 11.September 2001 in New York
und Washington. Aber schon nach wenigen Wochen stellt sich immer
heraus, dass Katastrophen kein Argument sind. Ein Abschied von der
romantischen Katastrophenpädagogik wäre längst fällig.
Dienstag,
18. Juni 2002
Sparsamkeit
gilt als Tugend. Und darum ist "der kleine Mann in seiner
Wohnung“ gern sparsam. Dazu kommt noch, dass Sparsamkeit eine
Tugend ist, mit der man renommieren kann. Aber - Vorsicht - von der
Sparsamkeit zum Geiz ist oft nur ein kleiner Schritt. Luther sagt in
seinen Tischreden: „Der Geiz macht, dass wir nichts mit Lust und
Freude gebrauchen können. So mancher Geizwanst sitzt auf großem
Gut und kann es doch nicht mit Lust genießen!“
Bei
Luther kann man leben lernen. Für ihn ist Geiz nicht nur ein
Laster, sondern eine Verrücktheit. Denn der Geizige hat eigentlich
gar nichts von seinem Geiz. Freude und Lust an den schönen Dingen
des Lebens sind ihm fremd. Er denkt nicht an Lust, sondern immer nur
an Verlust. Von Luther kann man göttliche Lebensqualität lernen,
die den Menschen erst zum Menschen macht. Luther war kein reicher
Mann; aber in seinem Pfarrhaus in Wittenberg ist gut gegessen und
getrunken worden: herrliche Karpfen, gutes Bier.
Ist
es ein Wunder, dass es dann bei diesem guten Essen auch geistreiche
und humorvolle Tischgespräche gegeben hat?
Und
du, lieber Zeitgenosse, kommt nicht um vor lauter Sparsamkeit. Sitz
nicht auf deinem Hab und Gut wie ein alter fetter Hamster. Freu dich
doch endlich an den vielen schönen Dingen, die du hast. Und lade
dir viele Gäste ein, um mit ihnen zu essen und zu trinken, um fröhlich
zu sein, und Gott, unsern Herrn, zu loben.
Mittwoch,
19. Juni 2002
Eine
kirchliche Hochzeit wirkt immer noch sehr rührend auf alle Gäste.
Und der Herr Pfarrer sagt dann auch noch: Was Gott zusammengefugt
hat, das darf der Mensch nicht scheiden."
Aber
hinter diesen schönen Wörtern steht nicht der christliche Glaube,
sondern die altgriechische Philosophie. Plato hat nämlich gelehrt,
dass es einst Doppelmenschen gegeben hat, die dann von den Göttern
in männliche und in eine weibliche Hälfte getrennt worden sind.
Und seit der Zeit sucht jeder von beiden seine verloren gegangene Hälfe.
Man war also davon überzeugt, dass es zu jedem Menschen nur eine
passende andere Hälfte geben würde. Eigentlich eine schreckliche
Vorstellung: Denn so wird Partnersuche zu einem jahrelangen Stress -
mit geringer Wahrscheinlichkeit die andere Hälfte je zu finden:
Also, den Stress einen Partner nach dem anderen auszuprobieren.
Christlicher
Glaube kennt diesen altgriechischen Stress nicht. Der Mensch ist
eben von Gott so konstruiert, dass er tatsächlich jeden Menschen
lieben kann. Das ist das Geheimnis der Nächstenliebe. Und Nächstenliebe
kann grundsätzlich immer zur erotischen Liebe werden. Und darum sei
allen Partnersuchenden und allen unfreiwilligen Singles versichert:
Es gibt auf dieser Welt nicht nur einen idealen Partner, sondern
wirklich eine ganze Menge.
Donnerstag,
20. Juni 2002
Eine
der bekanntesten biblischen Geschichten ist die von „Maria und
Martha." Und sie ist besonders bei Frauen beliebt. Sie zeigt,
wie einfühlsam Jesus Frauen gegenüber gewesen ist. Jesus war einer
der Ersten, die sich Gedanken über die Rolle der Frau in der
Gesellschaft gemacht haben. Aber, das hat sich, scheints, noch nicht
überall herumgesprochen. Und es war kein Zufall, dass unter den
ersten Christen besonders viele Frauen waren. In der antiken
"Macho-Gesellschaft“ haben Frauen gespürt: Dieser Jesus
hilft ihnen nicht, ihr Los zu ertragen, sondern: er hilft ihnen, ihr
Los zu ändern!
Jesus
war oft zu Gast bei Maria und Martha. Und die beiden Schwestern
haben zwei Frauenrollen verkörpert: Martha die herkömmliche,
Marias eine neue. Die Männer sitzen zusammen, essen und reden.
Martha führt ein hausfrauliches Furioso auf, aber Maria setzt sich
einfach zu den Männern und hört Jesus zu. Die Männer und auch
Martha finden das natürlich unerhört. und Martha verlangt daher
Jesus auch ganz ungeniert, er soll Maria an ihre Pflichten erinnern.
Und dann die große Überraschung: Jesus tut es nicht. Er schickt
sie nicht in die Küche zurück. Mit so einer Reaktion würde Jesus
heute noch so manche christliche Hausfrau schockieren und vor allem
natürlich ihren Ehemann.“ Denn bei vielen Ehepaaren ist die
Rollenverteilung - wenn Besuch kommt – genauso wie vor 2000
Jahren: Sie steht in der Küche. Und er sitzt bei den Gästen.
Freitag,
21. Juni 2002
Um
diese Tageszeit steigen viele Leute auf die Waage und überprüfen
ihr Gewicht. Kann man die Ziffern noch ablesen, oder verdeckt das Bäuchlein
gnädig die Zuwachsrate? Schaut fast ein bissel komisch aus - so ein
nackerter Mensch auf der Badezimmerwaage.
Die
dicken Männer haben’s leichter als die dicken Frauen!“, hat
eine dicke Frau zu mir gesagt. "Ein blader Mann wird gern
stattlich genannt, eine blade Frau ist einfach eine „blade“
Frau. So ungerecht ist das Leben.“
Und
dann naht das Wochenende. Und da wird wieder ordentlich eingekauft.
Und dann wird wieder ordentlich gegessen. Und von Bewegung „ka
Spur.“ Wenn einem wenigstens rechtzeitig schlecht werden würde!
Aber man plage mir die Dicken nicht! Sie leben nur in der falschen
Zeit. Früher einmal hat man in Ungarn gesagt: "Wenn Pfarrer
nicht hat mindestens 120 Kilo, is Schand für ganze Gemeinde.“ Und
die üppigen Damen, die Herr Rubens gemalt hat. Damals war eine Frau
erst mit 80 Kilo schön.
Man
sekkiere mir die Dicken nicht. Nicht jeder Speck ist ein
Kummerspeck. Es gibt auch fröhlichen Speck. Gottes dicke
Menschenkinder sollten sich nicht das Leben von den "Schmalpickten“
sauer machen lassen. Denn sie sind zärtlich, gemütlich, lustig und
gescheit. Die Schönheit des dicken Menschen wartet nur auf ihre
Wiederentdeckung, wie das schlafende Dornröschen auf den Kuss des
Prinzen.
Samstag,
22, Juni 2002
Und
morgen ist Sonntag: Weg vom Asphalt, zurück zur Natur zur Erde. Auf
den Fußsohlen die Erde spüren, sie zwischen den Fingern zerrinnen
lassen. Was für ein Gefühl.
Nur
1/3 der Erdoberfläche ist 'festes Land und trotzdem heißt der
ganze Planet Erde. Wo sie herkommt, diese Erde, ist bis heute
strittig. "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde" steht in
der Bibel. Aber wer kann sich schon vorstellen, dass es einmal keine
Erde gageben hat?
Gehört
Erde zum Leben? Ist unser erdiges, irdisches Leben einmalig? Ist der
Mensch aus Erde, also ein Irdischer? Ist der Mensch also je nachdem
ein Stück Acker oder ein Stück Dreck?
Wenn
sein Kennzeichen Erdgeruch, Erdnähe und Erdenschwere ist, dann muss
wohl seine Religion eine Mischung aus Mysterienreligion, „Blut und
Boden – Mystik.“ Alpenglühen und Musikantenstadel sein.
Heilige
Heimaterde, zeugst du Patriotismus oder Fremdenhass? Und wenn die
Erde meine Mutter ist, dann möchte ich manchmal am liebsten in die
Erde versinken und dann wieder etwas aus der Erde stampfen. Und
darum habe ich manchmal den Asphalt lieber als die Erde.
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