Morgengedanken
Sonntag, 23. 06. 2002. 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
Pfarrer Peter
Hausberger,
Salzburg - St. Paul
Sonntag,
23.06.2002
Immer wieder höre ich
Menschen sagen: “Ich bin nichts Besonderes”. Viele denken über
ihr Leben, dass es langweilig und bedeutungslos sei. Und viele gehen
mit ihren Nächsten auch geringschätzig um.
Einige Sätze aus dem
heutigen Evangelium nach Matthäus sprechen mit ganz alltäglichen,
sogar ein wenig humorvollen Bildern von Gottes Wertschätzung für
uns.
“Werden nicht zwei
Sperlinge für ein paar Groschen verkauft? Keiner von ihnen wird auf
die Erde fallen ohne euren Vater! Bei euch sind aber auch alle Haare
am Kopf gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr unterscheidet euch
von den vielen Sperlingen!”
Sperlinge waren damals mit
Abstand die billigsten Vögel, sozusagen der Geflügelbraten der
kleinen Leute. Vier Spatzen sind zur Zeit Jesu etwa so viel wert
gewesen wie eine Tagesration Brot. Und Haare sind ja im Vergleich zu
anderen Organen ein eher unwesentlicher Teil am menschlichen Körper,
auch wenn wenig Haare ehrlicherweise da und dort das
Selbstbewusstsein ankratzen.
Haare und Spatzen sind
Bilder, die das Geringfügige andeuten. Gott kümmert sich beim
Menschen auch um Geringfügiges, er hält uns für wertvoll und für
bedeutend.
Solche Worte können auch für
religiöse Schönfärberei verwendet werden oder für abstruse Ideen
über die Vorsehung. Aber wenn man auf den Bibeltext hört, ist es
die Botschaft von einem Gott, der aufmerksam ist. Gott hebt uns aus
unserer Bedeutungslosigkeit hervor, er hält uns für unendlich
wertvoll.
Montag,
24.06.2002
Der
24. Juni ist als Johannestag, als Fest Johannes des Täufers
bekannt. Jesus hat seinen Weg als Schüler des Johannes begonnen und
auch die Taufe des Johannes empfangen.
Das Bild, das von Johannes
dem Täufer vermittelt wird, ist das eines asketischen, strengen
Propheten, der aus einem Priestergeschlecht stammte. Die damaligen jüdischen
Zeitgenossen haben Johannes für einen legitimen Gesandten Gottes
gehalten. In der christlichen Deutung ist Johannes der prophetische
Vorläufer und Wegbereiter Jesu; Sprichwörtlich ist ein Satz aus
dem Johannesevangelium “Er – Jesus – muss wachsen, ich aber
– Johannes – muss kleiner werden.”
Dem Kirchenvater Augustinus
ist aufgefallen, dass sowohl sein Geburtsfest als auch das des Jesus
am Termin einer Sonnenwende angesetzt wurde. Ab dem Johannestag, dem
längsten Tag im Jahr, wird der Tag kürzer. Ab dem Geburtsfest Jesu
nimmt die Tageslänge wieder zu.
Die Enthauptung des
Johannes in der Festung Machärus, heute in Jordanien am Ostufer des
Toten Meeres, ist in viele Legenden gemündet und in der Kunst oft
verarbeitet worden.
Johannes der Täufer ist
Patron für viele Berufe geworden, unter anderem für Weber und Kürschner
und für Kinobesitzer. Mit seinem Namen verbindet man auch das
Johanniskraut. Bei mir im Garten blüht es gerade jetzt, leuchtend
gelb, und ist ein Heilkraut, dem nervenberuhigende, entzündungswidrige
und verdauungsregulierende Wirkung zugeschrieben wird. Ebenso wird
das Johanniskrautöl bei verschiedenen Leiden zur Heilung
vorgeschlagen.
Johannes der Täufer hat
großen Eindruck hinterlassen und wer sich für ihn interessiert,
begegnet einem mutigen Propheten und Lehrer Jesu.
Dienstag, 25.06.2002
In unserer St. Pauler
Kirche ist ein außergewöhnlicher Tabernakel. Er hat nicht
geschnitzte oder vergoldete Türen, auch kein Relief oder anderes
Dekor. Es ist ein bronzener schlichter schwarzer Würfel, der auf
einer gefärbten Betonsäule steht.
Außen ist er eingefärbt
mit gebrannter Patina, das heißt, er glänzt auch nicht, er ist
einfach schwarz. Weniger als ein Würfel und schwarz geht nicht. Er
erinnert mich jeden Tag daran, dass man sehr bescheiden sein soll,
wenn es darum geht, über Gott zu reden. Manche Theologen haben
sogar gesagt, man kann über Gott nichts aussagen, wer oder was er
ist, sondern nur, wer oder was er nicht ist. Gott ist im Geheimnis
verborgen, letztlich unbeschreiblich. Auch in den jüdischen Zehn
Geboten, dem sogenannten “Zehnwort”, heißt es: “Du sollst dir
kein Gottesbildnis machen, das irgendetwas darstellt am Himmel
droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.”
Damals hatten alle
Religionen und Kulte Statuen von Gottheiten, denen auch magische
Wirkung zugeschrieben worden ist. Israel, das Volk Gottes, hat sich
durch einen bildlosen Glauben an einen Gott davon abgehoben. Für
mich hat, wie gesagt, unser Tabernakel auch die Aussage der Zurückhaltung
und möglichst konsequenten Bildlosigkeit. Andererseits gibt es sehr
wohl einen Zugang zu Gott, über die Erfahrung und von innen her, über
Gebet, meditative Stille und darüber, wie man Gott im Mitmenschen
sieht. Öffnet man unseren Tabernakel, so ist es, wie wenn die
Herrlichkeit Gottes aufleuchtet. Er ist innen mit Blattgold belegt,
das das Licht sammelt, auch am Abend, wenn der Raum beinahe finster
ist. Dazu fällt mir immer wieder der Kanon ein: “Gottes Wort ist
wie Licht in der Nacht, es hat Hoffnung und Zukunft gebracht, es
gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten, ist wie
ein Stern in der Dunkelheit.”
Mittwoch, 26.06.2002
Ein Missionar, der dem
Oblaten-Missionsorden angehört und im Senegal tätig ist, hat die
Fußballmannschaft des Senegal als ein Spiegelbild des friedlichen,
ja außergewöhnlich guten Zusammenlebens zwischen den verschiedenen
Religionsgemeinschaften im Senegal bezeichnet. Die Christen im
Senegal sind eine Minderheit, aber alle respektieren einander und
alle, Christen wie Muslime, hätten gemeinsam um den Sieg gebetet.
Um den Sieg in einem Fußballspiel
zu beten klingt für mich sonderbar. Dass Gott zu einer Mannschaft
mehr hilft als zur anderen, kann ich mir nicht vorstellen. Aber wenn
der Fußball dabei hilft, dass man zusammenhält und einander
respektiert, und auch den Glauben des jeweils anderen achtet, ist
das bestimmt sehr erfreulich. Und andererseits: Worum ist in dieser
Welt nicht schon gebetet worden? Das Widersinnigste war, was ich
einmal mit meinen eigenen Ohren gehört habe: Eine Person hat darum
gebetet, dass ein Krieg noch etwas dauern solle, weil der Sohn einen
so guten Posten in einer Rüstungsfirma hatte. Manche beten auch,
dass jemandem eine Untat durch einen Schicksalsschlag vergolten
werde. Da ist um einen Sieg in einem Fußballspiel zu beten ziemlich
harmlos.
Als Jesus von seinen Schülern
gefragt wurde “Herr, lehre uns beten”, hat er ihnen das Vater
unser gegeben. Es ist ein Gebet, das Gott an erste Stelle stellt,
die wichtigsten Lebensbedürfnisse anspricht und auch das
Zusammenleben unter uns Menschen. Vielleicht können Sie heute
dieses Gebet Jesu einmal bewusst beten!
Im übrigen kann man sich
an den alten christlichen Leitspruch halten: “Arbeite so, als
hinge alles nur von deinem eigenen Bemühen ab, und bete so, als sei
alles nur von der Hilfe Gottes zu erhoffen.”
Donnerstag, 27.06.2002
Werbung verspricht uns oft
ein spannendes Leben, voller Attraktivität, umgeben von Freunden,
ausgefüllt mit Erlebnissen. Nachrichtensendungen konfrontieren uns
mit Elend, sozialer Benachteiligung, mit Kriegen und mit einem
vernetzten, praktisch undurchschaubaren Wirtschaftssystem.
Jeder Mensch hat Sehnsucht
nach Liebe, Geborgenheit und ausreichenden Lebensmöglichkeiten. Die
meisten Staaten der Welt haben auch zumindest formell den
Menschenrechten zugestimmt. Die Realität schaut leider anders aus.
Einige wenige werden immer reicher, ganz egal in welchem Erdteil.
Die Verelendung, die Armut, die Ausbeutung der Umwelt nimmt in einem
beängstigenden Ausmaß zu. Die Verflechtungen und die Gründe für
diese bedrohliche Entwicklung sind auch für Spezialisten nur in
Teilen durchschaubar.
Darum sind Initiativen und
private Netzwerke sehr wichtig, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten
aufdecken, wie Menschen aus Billiglohnländern praktisch wie Sklaven
gehalten werden und z. B. unsere Markenartikel herstellen.
Immer mehr Konsumenten wünschen,
dass ethische Mindeststandards eingehalten werden, dass nicht mehr
Menschen ausgebeutet, Umwelt zerstört, Lebensräume vergiftet
werden. Das schafft aber auch Verunsicherung: Was kann man dann überhaupt
noch kaufen? Nimmt ein Boykott bestimmter Waren nicht erst recht den
Ärmsten den Arbeitsplatz? Es hat sich gezeigt, dass Konsumenten
Macht haben, Veränderungen bei großen Firmen und in
Konzernzentralen zu erwirken. Ich empfinde es als Teil der
christlichen Verantwortung, als Konsument aufmerksam und informiert
zu sein. Man kann Genuss verbinden mit der Forderung nach menschenwürdigen
Lebensstandards derer, die die Produkte herstellen.
Freitag, 28.06.2002
Es hat schon Tage gegeben,
da hatte ich an einem Tag Taufe, Beerdigung, Trauung und eine
Abendmesse mit der Pfarrgemeinde. Auch wenn ich zu Fuß durch unsere
Pfarre St. Paul gehe, wird mir bewusst, wie ungleichzeitig das Leben
der Menschen ist und wie verschieden die Vorstellungen vom Glück
sind.
“Dieses Schuljahr ist
gelaufen!” hat fröhlich und erleichtert ein Jugendlicher gesagt,
als er Mittags aus der Schule kam. Er hat viele Pläne für die
Ferien, und es liegt eine lange freie Zeit vor ihm und vielen Schülerinnen
und Schülern.
Für viele Erwachsene läuft
das Arbeitsjahr mit vollem Druck weiter, vielleicht unterbrochen
durch einen ersehnten Urlaub. Ein Teil der Bevölkerung ist weder
von einem Schuljahres- noch von einem Arbeitsrhythmus betroffen,
manche von ihnen haben endlich eine schöne Zeit für sich, ihre
Familien und ihre Hobbies und sind sehr aktiv. Aber das Leben vieler
Menschen ist von einer Krankheit beeinträchtigt, sie diktiert den
Rhythmus. Eine schwere Krankheit schließt von vielem aus und nagt
am Selbstwertgefühl. Immer wieder bin ich Menschen begegnet, die
nach großen Kämpfen und langem Ringen ihr Einverständnis ins
Leben – wie es ist – gefunden haben. Oft haben sie dank ihres
Glaubens zu der Reife gefunden, die ihnen Vertrauen ermöglicht. Sie
genießen die wenigen guten Stunden und verbringen vor allem bewusst
die Zeit mit ihren Lieben.
Wie immer Sie gerade Ihren
Tag beginnen, vielleicht achten Sie heute einmal auf das, wofür Sie
dankbar sein können. Vielleicht ergibt sich aus auch lästigen oder
unangenehmen Dingen Gutes?
Samstag, 29.06.2002
Das Fest Peter und Paul hat
für mich persönlich Bedeutung, weil ich Peter heiße und weil ich
heute vor 25 Jahren im Dom in Salzburg zum Priester geweiht worden
bin. Als Pfarrer in der Pfarre St. Paul beschäftige ich mich natürlich
oft mit dem Pfarrpatron Paulus.
Paulus ist einige Jahre jünger
als Jesus. Er ist etwa zu Beginn der Zeitrechnung in der Stadt
Tarsus, heute in der Türkei, geboren. Nach seiner theologischen
Ausbildung in Jerusalem eifert er besonders gegen die jungen
christlichen Gemeinden. Sie entfernen sich durch ihr
Christusbekenntnis vom jüdischen Glauben. Auf dem Weg nach
Damaskus, wo er sich im Rahmen der internen Strafgewalt gegen die
christliche Gruppe betätigen wollte, hat er eine Christusbegegnung
erlebt, sie hat ihn radikal getroffen.
Seither verkündet Paulus
das Evangelium von Jesus Christus. Er gründet zahlreiche Gemeinden,
er ist erfüllt von der Freiheit Jesu Christi und er wird für viele
Menschen zur Orientierung auf dem christlichen Weg.
Ca. 56 n. Chr. schreibt
Paulus im Brief an die kleinasiatischen Kelten, die Galater: “Zur
Freiheit hat uns Christus befreit; bleibt nun fest und lasst euch
nicht wieder durch ein Joch der Sklaverei festhalten!”
So hat Paulus sich in
radikaler Freiheit allein auf die Gnade Gottes verlassen und alles,
was an religiösen Traditionen wie ein Ballast sich angesammelt
hatte, abgelegt. Er hat viele, für die die Traditionen unabdingbar
waren, verstört. Aber Paulus ermöglichte es, dass die Botschaft
von Jesus Christus in der damaligen hellenistischen Welt für jeden
zugänglich wurde. Auch heute müssen wir in den christlichen
Kirchen darum ringen, dass wir nicht unnötigen Ballast
mitschleppen, sondern die Gnade Gottes und Jesus Christus zum
Leuchten bringen.
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