Morgengedanken

Sonntag, 30. 06. 2002. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

P. Werner Schmid, Kleinhain, NÖ

 

 

"Caterina von Siena –
Wegweisung für die Kirche"

 

Sonntag, 30. Juni 2002

Caterina von Siena war eine außergewöhnliche und einzigartige Frau.

 

Sie ist als 24. Kind einer Färberfamilie in Siena aufgewachsen und im Jahre 1380 im Alter von 33 Jahren gestorben.

 

Unvergessen bleibt ihr Einsatz für die Rückkehr des Papstes aus Avignon nach Rom. Unvergessen bleiben auch ihre großartigen geistlichen Gedanken. 1970 erhielt sie dafür als erste Frau von Papst Paul VI. den Titel einer Lehrerin der Kirche. Seit 1999 ist sie auch Patronin Europas.

Caterina hat ihre Sendung ausgeübt vor allem durch das Diktieren von Briefen. Sie besaß einen klaren Geist, ein hohes Maß an natürlicher Intelligenz und eine außergewöhnliche Gabe der Rede.

 

Weil es ihr um das Heil der Seelen geht, sieht sie alles unter der Wertskala der Ewigkeit. Sie schreibt an Groß- und Klein – egal ob Papst, König oder Dirne. Aber sie schreibt allen das gleiche. Und worüber? Sie schreibt von Christus, von seiner Kirche, vom Kreuz und von der Erlösung. Und sie schreibt - und dies immer wieder – von der Wahrheit Gottes und von der Wahrheit des Menschen, indem sie uns sagen möchte, dass wir von Gott geliebt sind und dass wir selbst Liebende werden müssen, weil dies die einzige Berufung ist, die Gott uns gab.

 

Montag, 1. Juli 2002

Wenn wir ein Bild sehen, das Christus zeigt mit seinen flammenden, durchbohrten Herzen, dann wissen wir, was damit gemeint ist.

 

In einem Brief an die junge Witwe Tora schrieb Caterina von Siena: damit wollte er Dir zeigen, dass er dich geliebt hat und dich unermesslich liebt.

 

Die Liebe Gottes gilt also uns.

Wer aber ist der Mensch? Wer ist der, für den Gott so viel investiert hat und der sich so oft dagegen auflehnt? Leben wir aus uns selbst, aus unseren Leistungen, aus unseren guten Einfällen und Ideen? Oder leben wir aus uns selbst, aus unseren Leistungen, aus unseren guten Einfällen und Ideen? Oder leben wir aus dem Erbarmen Gottes, aus Seiner Barmherzigkeit?

 

Die Antwort ist für Caterina klar: Der Mensch kommt aus dem Herzen Gottes. Wir sind von Gott und für Gott geschaffen: Du warst ganz verrückt nach uns – sagt sie in einem ihrer Gebete zu Gott. Du blickst in dich und erglühst über die Schönheit Deiner Geschöpfe. Und dann hast Du den Menschen mit unsagbarer Liebe aus deinem heiligen Inneren herausgezogen wie eine Blume und ihm das Sein geschenkt nach deinem Bild, denn du willst ihn teilhaben lassen an Deinem Leben.

Das ist die Wahrheit. Die Wahrheit über Gott und auch die Wahrheit über den Menschen.

 

Dienstag, 2. Juli 2002

Wir sind berufen zur Liebe und bestimmt für die Ewigkeit. Nach der Nacht der Sünde aber – die diese Bestimmung zerstörte – sandte Gott seinen Sohn in der Gestalt des Menschen, um die Wahrheit über uns zur Erfüllung zu bringen.

 

So wurden wir neugeschaffen durch Christus am Kreuz in seinem Blut. Das ist der letzte Beweis seiner Liebe. Und dies wird lebendig gehalten bis zum Ende der Zeiten: Wenn der Priester am Altar die hl. Messe feiert und Christus durch ihm die Worte spricht: „Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut“, vollzieht sich eine Wandlung, eine Verwandlung der Welt auch für uns: Unser Tod wird gewandelt in Leben, Leid in Freude, Zeit in Ewigkeit, Sehnsucht in Erfüllung und Dunkelheit wird gewandelt in Licht.

 

Caterina von Siena hat die Menschwerdung Gottes vielfach dargestellt im Bild einer Brücke, die den Abgrund des Todes überspannt und Erde und Himmel verbindet. Diese Brücke ist der gekreuzigte Christus. Er ist herabgestiegen vom Himmel, damit wir über ihn hinaufsteigen können. Christus sagt: niemand kommt zum Vater außer durch mich. Das heißt: nur über diese Brücke führt unser Weg in die Ewigkeit.

 

 

Mittwoch, 3. Juli 2002

In allen ihren Schriften erinnert uns die hl. Caterina von Siena an die grundlegende Wahrheit, dass wir uns nicht selbst verdanken, sondern dass wir Geschöpfe sind: Gott ist der, der ist. Und wir sind die, die nicht sind. Das heißt, Gott ist aus sich. Wir aber sind durch ihn. Die Illusion, unabhängig von Gott etwas zu sein, ist daher die eigentliche Lüge des Menschen und die Wurzel aller Übel.

 

Wie eine dunkle Wolke hüllt die Selbstgenügsamkeit und Ichbezogenheit die Seele ein. Sie raubt ihr das Licht, sodass sie die Wahrheit nicht mehr unterscheiden kann: Dann wird das Gute für böse und das Böse für gut erklärt. Der Mensch aber ist ein Geschöpf der Liebe und er ist für die Liebe erschaffen. Die Liebe ist daher für uns ein unaufgebbares Erfordernis. Wenn der Mensch nur selbstsüchtig sich selber sucht, muss er verkümmern wie die Rose ohne Licht. Wenn er sich öffnet auf den anderen hin, dann blüht er auf.

 

Caterina ist überzeugt: Aus dem Eingeständnis und der Anerkennung des Menschen, ein Geschöpf zu sein, entsteht spontan der Wunsch, sich auch dem Schöpfer dankbar zuzuwenden. So ist also für uns die Selbsterkenntnis der immer notwendige erste Schritt zu Gott.

 

Donnerstag, 4. Juli 2002

Der Mensch, das Geschöpf der Liebe, das Gott aus seinem Herzen, aus seinem heiligsten Innersten herausgezogen hat, muss diesem Ursprungsort nahe bleiben. Und dies geschieht, sagt die hl. Caterina von Siena, vor allem dadurch, dass wir im Gedächtnis behalten, was Gott für uns getan hat.

 

Das Gebet bewahrt uns vor dem Vergessen. Liebend an den Schöpfer und Erlöser zu denken, das ist die stets zu übende Aufgabe des Christen, um die Freundschaft mit Gott wach zu halten und die Gnade nicht zu verlieren.

 

Caterina von Siena gebraucht für dieses liebende Sich-Erinnern besonders zwei Ausdrücke: Einmal sagt sie, ist es notwendig, dass wir die Wohltat des Blutes Christi im Gedächtnis behalten, damit meint sie die Erinnerung daran, dass wir durch sein heiliges Leiden am Kreuz erlöst wurden. Und das zweite Bild für dieses Erinnern ist die wiederholte Aufforderung, sich in das geöffnete Herz des Gekreuzigten zu verbergen: Hier, sagt sie, finden wir die Sicherheit und die Gewissheit des Geliebtseins und damit einen Zufluchtsort, von dem wir uns trennen dürfen. Andernfalls, sagt sie, wären wir nur Fische ohne Wasser. Die Nähe zum Herzen Jesu bewirkt auch eine Nähe zu seiner Gesinnung.

 

Freitag, 5. Juli 2002

Jesus Christus ist der einzige Erlöser des Menschen. Seine Aufgabe war es, die erlöste Menschheit zu sammeln und heimzuführen in sein Reich.

 

Der von Christus gegründete Sammelplatz für diese Heimkehr zu Gott aber ist die Kirche. Sie ist sozusagen das von ihm gestiftete Instrument, um die Menschen in Christus mit Gott zu vereinen. Nur durch die Kirche komme ich zum Glauben an Jesus Christus. Nur durch Christus aber komme ich an die Gemeinschaft mit dem Vater. Nach den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die Kirche hervorgegangen aus der Liebe des ewigen Vaters und aus dem Herzen des am Kreuz entschlafenen Christus.

 

In einem Brief schrieb Caterina von Siena: Im Licht des Dreifaltigen Gottes sah ich die Würde des Menschen zugleich aber auch das Elend, in das der Mensch durch die Todsünde fällt. Und ich sah die Notwendigkeit der hl. Kirche, die Gott in meinem Herzen offenbarte. Ich sah, dass diese Braut, die Kirche, Leben spendet. Sie trägt in sich eine solche Fülle des Lebens, dass niemand sie töten kann. Sie spendet Kraft und Licht. Niemand kann sie schwächen oder in ihrer Wesenheit verdunkeln. .Und ich sah, dass ihr Reichtum niemals versiegt, sondern stets wächst.

 

Samstag, 6. Juli 2002

Die Kirche lebt, weil Christus sie trägt, weil sie seine Braut ist und weil sein Blut in ihr fließt. Diese lebensspendende Kraft zur Entfaltung zu bringen, ist die Aufgabe der Priester. Kaum eine Frau hatte jemals so viele Kontakte zu kirchlichen Amtsträgern gehabt, wie die hl. Caterina von Siena:

 

Über 20 Briefe schrieb sie an Päpste und gab ihnen Ermahnungen und Ratschläge. Das Kardinalskollegium in Rom ermutigte sie mit einer Aussprache. Und zahlreiche Priester und Professoren nannte sie ihre geistlichen Kinder und Söhne. Caterina war mit dem Herzen am Puls der Kirche und sie hat die Öffentlichkeit nicht gescheut, wenn es um die Ehre Gottes ging.

 

Niemals aber hätte sie sich vorgedrängt an den Altar. Sie sprach frei und offen von den Sünden der Menschen. Und ebenso offen von den Sünden der Geistlichen. Aber immer hatte sie zugleich eine tiefe Hochachtung vor der Weihe des Priesters. Sie tadelt ihre Lebensführung, wenn sie im Argen lag. Aber niemals es bei ihr eine Infragestaltung des Amtes oder der Autorität. Die Würde des Priesters ist für sie unantastbar, denn sie kommt von der Sonne, von Christus in der heiligsten Eucharistie.