Morgengedanken
Sonntag, 21. 07. 2002. 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios
von
Pfarrer Raimund Ochabauer, Pöllau
Bilder
des Lebens
Sonntag,
21. Juli 2002
Verwandlung
Heute
ist Sonntag, der Tag des Herrn, an dem wir Tod und Auferstehung Jesu
Christi feiern. Jesus hat durch seine Auferstehung viel in Bewegung
gebracht: aus enttäuschten und ängstlichen Jüngern wurden
begeisterte Zeigen des Evangeliums. Sie scheuten keine Mühen bei
ihrem Vorhaben, allen Menschen von Jesus Christus zu erzählen, der
ihrem Leben die entscheidende Wende gebracht hat.
Heute,
2000 Jahre später, geht es uns oft ähnlich wie den Jüngern am
Karsamstag: Aus vielen Gesichtern sprechen Enttäuschungen, Angst
und Hoffnungslosigkeit. Wenn ich in den Spiegel schaue, ist es oft
nicht anders. Werde ich mir dessen gewahr, huscht oft ein Lächeln
über mein Gesicht, denn ich weiß: Die Begegnung mit Jesus Christus
in der Feier des Gottesdienstes wird mich wieder in einen
hoffnungsvollen Menschen verwandeln. Lese ich nach der Messfeier in
den Gesichtern der Gläubigen, darf ich immer wieder feststellen,
dass auch in ihnen in dieser Stunde Verwandlung geschehen ist. Dafür
bin ich Gott unendlich dankbar.
Montag,
22. Juli 2002
Freude
am Leben
Den
Sommerbeginn haben wir heuer in Pöllau bewusst familienfreundlich
gestaltet und erlebt. Viele Eltern und Kinder haben an einem
wunderschönen Sonntag in- und außerhalb der Kirche gefeiert. Bei
einem Spiel stellten sich zwei Eltern in zwei geschlossenen Reihen,
einander zugewandt, auf und reichten einander die Hände. Ein Kind
nach dem anderen wurde auf diese Brücke aus Elternarmen gehoben und
durch gekonnte Armbewegung über dieses menschliche Fließband befördert.
Beim Zusehen dachte ich mir: Durch das Zusammenhalten wächst die
Freude und verstärkt sich die Hoffnung: Ich werde nicht
fallengelassen. Ich bin also aufgehoben. Für die Kinder war dieses
Spiel ein lustiges Erlebnis, für ihre Eltern eine wichtige
Botschaft: Miteinander geht alles besser.
Zudem
zeigt sich darin die herausragende Menschenfreundlichkeit des Herrn
Jesu, genau das, wozu uns der Geist Gottes bewegen will: Niemand
fallen zu lassen. Die Liebe fängt auf, trägt durch und durch am
Ende ist die Freude da. Daran können Menschen wachsen und groß
werden.
Die
wahrhaft Großen reichen sich die Hände, damit die Kleinen schön
Platz haben und so heranwachsen können. Der Geist des
„Evangeliums bewegt uns immer auf die Menschen zu. Das ist und
bleibt spannend. „Du wirst das Angesicht der Erde erneuern“, heißt
es im Gebet zum Heiligen Geist.
Montag,
23. Juli 2002
Der
Baum im Dienst des Lebens
In
der Kindheit durfte ich in meinem Heimatdorf Fischbach die
Installierung der Wasserleitung miterleben. Jeder Grundbesitzer
musste einen schönen Baum für die Dorfwasserleitung zur Verfügung
stellen. Der Baum, der früher nur im eigenen Saft gestanden hatte,
wurde nun durchlässig für die quellfrische Strömung, die vom
Teufelskreis herabfließt. Natürlich musste er vorher Einiges über
sich ergehen lassen. Er hat sich buchstäblich aufgeopfert für den
Dienst an den Menschen. Er musste viel durchmachen, bis er ein
Brunnenrohr werden konnte.
Noch
heute denke ich oft an diese ausgehöhlten, leeren Bäume, die gut
behackt, den Anschluss an die Quelle ermöglichten. Manchmal
betrachte ich die menschliche Wirklichkeit und meinen Beruf unter
diesem Gesichtspunkt: Du musst dich zur Verfügung stellen und
bearbeiten lassen, damit die Quelle des Lebens, das Wasser der Liebe
und des Segens Gottes, für andere fließen kann. Ein ausgehöhlter
Baum allein genügt nicht. Der Zusammenschluss vieler Rohre ist
notwendig, damit draus eine Wasserleitung werden kann.
Wichtige
Brunnenrohre in unserer Gesellschaft sind die leidenden und kranken
Menschen sowie jene, die viel mitgemacht haben. Durch sie wirkt
Gott, wenn sie durchlässig sind für ihn.
Brunnenrohr
sein – eine Aufgabe für jeden von uns!
Mittwoch,
24. Juli 2002
Alte
Bäume
Meine
besonderen Lieblinge in der Natur sind alte Bäume. Sie sind mir
schon längst zu Lehrmeistern geworden. In unser Region „Naturpark
Pöllauer Tal“ gibt es sie auf Streuobstwiesen und entlang der
Feldwege: die Hirschbirnbäume. Diese alten Bäume tragen noch im
hohen Alter viele gute Früchte, die sich – so scheint mir – den
ganzen Geschmack des heimischen Bodens in sich haben. Man könnte
sagen, dass sie sehr heimatverbunden sind. Den vollen Geschmack
beziehen sie aus Erde, Luft und Wasser und verbreiten einen
herrlichen Duft. Als Christ bedenke ich dabei, dass mein Leben den
Geschmack der Liebe Gottes in sich trägt und eine bestimmte
Duftnote verbreiten soll. Christen sollten wohl recht duftige
Menschen sein, also Menschen, die man riechen kann. Verwurzelt im
Glauben müssten eigentlich die Sympathiewerte der Kirch steigen.
Bei
einem Besuch in einem Obstlagerhaus erlebte ich große Freude und fühlte
mich gestärkt für das Leben in der Alltäglichkeit. Ich könnte
mir vorstellen, dass es in unseren Kirchen so etwas wie eine
Dufttherapie gibt. Durch die heilbringenden Früchte des Heiligen
Geistes können Menschen wirklich heil und gesund werden. Für die
Gesundung der Gesellschaft hätten wir als Christ das passende
Angebot. Alte Bäume lehren mich, so wie alte gereifte Menschen
auch, dass alles Wohlergehen der Menschen in den Gaben Gottes liegt.
Donnerstag,
25. Juli 2002
„Dein
Stock und dein Stab geben mir Zuversicht“ (Ps 23,4)
Nun
habe ich mich auch jenen modernen Wanderern angeschlossen, die mit
zwei Stöcken unterwegs sind. „Nordic Walking“ nennt man das. In
diesen Tagen bin ich so auf frommer Walz nach Mariazell unterwegs,
bin also ein Walzbruder, der mit vielen Geschwistern den weiten Fußmarsch
von Pöllau nach Mariazell auf sich nimmt. Die Stöcke sind dabei
eine große Hilfe und außerdem fördern sie ein gesundes Gehen, bei
dem sich die Strapazen auf den ganzen Körper verteilen und somit
erträglich sind und noch dazu gesund. Herz, was willst du noch
mehr?
Ich
nehme dabei mich selber, die Natur und meine Mitmenschen besser wahr
als sonst. Und das ist doch ein Gewinn! Zudem kommt die Seele
leichter mit und schwingt sehr leicht auf den Gebetsrhythmus ein.
Ganz gut passen dazu der Rosenkranz oder die Psalmen, von denen ich
einige auswendig beten kann. Einer davon ist der Psalm 23 mit dem so
wohltuenden Vers „Dein Stock und dein Stab geben mir
Zuversicht.“ Wenn sich der Mensch wo anhalten kann, kommt er auch
gut voran. Der Atem Gottes, der Heilige Geist, macht ein solches
Gehen zu einer Wallfahrt. Diese Erfahrung darf ich mit vielen
teilen, die mit mir unterwegs sind. Einander Stock und Stab sein,
erleichtert uns den Weg.
Freitag,
26. Juli 2002
Von
den Bäumen gelernt
Wenn
ich in meiner Pfarre unterwegs bin, schaue ich mir gerne die Bäume
an, die einen Weg säumen oder einen ganzen Wald bilden. Ich
erinnere mich an die Zeit, in der sie gepflanzt wurden, und merke an
ihrem Wachstum, dass ich selber auch schon älter geworden bin. Es
lohnt sich sehr, solche Vergleiche anzustellen. Kinder, wie die Zeit
vergeht! Die Verwurzelung der Bäume im Boden lehrt mich, dass ich
mich zu meiner Herkunft und zu meinem Heimatboden bekennen soll. So
bin ich dankbar, dass ich als Pfarrer genau in Pöllau meinen
richtigen Platz gefunden habe. Und hier lebe ich mit Menschen, die
wie jeder von uns, einen guten Boden unter den Füßen brauchen und
die sich mit ihrer Sehnsucht wie die weithin verzweigten Äste eines
Baumes dem Licht zuwenden.
Wenn
die klimatischen Bedingungen passen, kann jeder Baum, seiner
Berufung gemäß, Frucht tragen. Dies gilt wohl auch für die
menschliche Gesellschaft. Wie in einem Wald soll die nachwachsende
Generation entsprechend Raum zur Entfaltung haben. Die Artenvielfalt
macht das Leben bunt. Der Schöpfer wollte es jedenfalls so.
Samstag,
27. Juli 2002
Alles
Leben ist Begegnung
„Beim
Reden kommen die Leut’ z’samm.“ Das wurde seit jeher bei uns
gelebt. Treffpunkte waren die Milchbankerl bei den Bauern sowie der
Dorf-, Markt- und Kirchplatz in allen Orten unseres Landes. Die
Inhalte solcher Begegnungen waren geprägt von den alltäglichen
Erfahrungen, die jeder macht, der voll im Leben steht. Selbst der
Humor hat hier seinen Mutterboden. Heimat bist du froher Menschen!
Diese Geburtsorte guter Ideen und besonderer Einfälle sollten nicht
in Vergessenheit geraten. Ein wiederwachsen ist durchaus drin. Ich
merke das bei uns in Pöllau nach dem Kirchgang auch sonst am
Hauptplatz. Selbst das gute alte Dorfgasthaus gewinnt wieder an
Bedeutung. Die Zeichen der Begegnungen haben dabei einen hohen
Erinnerungswert. Ich weiß nachhaltig, mit wem ich beisammen war,
worüber wir gesprochen haben und wie es meinen Mitmenschen geht.
Von diesem Direktkontakt lebt die Bibel als Buch der Begegnungen von
Gott und Mensch. Von Anfang an hat Gott sich auf die Begegnung mit
den Menschen eingelassen, in intensiver Weise vor 2000 Jahren in
seinem Sohn Jesus Christus. In Jesu Wirken ist sichtbar geworden,
wie heilsam ein gutes Wort sein kann. „Red’n ma miteinander“
ist deshalb mehr als eine Einladung zu bloßem Gerede. Ein gutes
Gespräch kann viel verändern. Miteinander reden hilft, dass wir
nicht bloß nebeneinander, sondern miteinander durchs Leben gehen.
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