Morgengedanken

Sonntag, 13. 08. 2002. 6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
ORF Regionalradios
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, ORF Regionalradios

 

 

 

Evang. Oberkirchenrat Dr. Michael Bünker

 

 

Dienstag, 13. August 2002

 

Ein Jahrhunderthochwasser sucht unser Land heim. Die starken und heftigen Regenfälle der letzten Tage waren einfach zu viel. Bäche und Flüsse sind aus den Ufern getreten, Keller, Häuser, Straßen, ja ganze Ortschaften wurden überflutet. Noch kann niemand sagen, wie groß der Schaden ist. Dabei denke ich nicht nur an die materiellen Werte, die zerstört wurden. Darum werden sich die Versicherungen zu kümmern haben und die Verantwortlichen in der Politik. Und ganz bestimmt können sich alle Betroffenen auch auf die sprichwörtliche Spendenfreudigkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen in unsrem Land verlassen. Ich denke auch an den Schaden, den Menschen an ihren Seelen genommen haben. So viele haben wirklich über Nacht alles verloren. Stehen auf der Straße. Die Mühe und Arbeit vieler Jahre ist mit einem Schlag zerstört. Wer kann ermessen, was das bedeutet? Im Psalmenbuch der Bibel steht geschrieben: „Ich rufe Gott und schreie um Hilfe, zu Gott rufe ich, und er erhört mich. In der Not suche ich den Herrn, meine Hand ist des Nachts ausgestreckt und lässt nicht ab, denn meine Seele will sich trösten lassen.“ (Psalm 77, 2-3)

 

Hier hat jemand ähnlich schlimme Erfahrungen gemacht. Der Psalm zeigt wie gut es geht, wenn es Worte dafür gibt, dass Menschen in der Katastrophe eine Sprache finden und Menschen haben, mit denen sie reden können. Ich bete, dass alle in den Hochwassergebieten, die Opfer und ihre Helfer, miteinander Worte finden für das schwere Schicksal, das sie zu tragen haben.

 

 

 

Mittwoch, 14. August 2002

 

Zuerst ist es wichtig, die gröbsten Schäden zu beseitigen. Den Schlamm und das Wasser aus den Kellern zu bringen, auszupumpen, aufzuräumen und frei zu schaufeln, wo Wege, Räume, Brücken verlegt sind. Eine ungeheure Arbeit, die viele an den Rand der Erschöpfung führt. Und doch ist es wahrscheinlich gut, dass es einfach etwas zu tun gibt. Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie viele aus allen Teilen Österreichs kommen um zu helfen. Sie geben ein Zeugnis für die Solidarität der Menschen, ein Zeugnis, das für mich höher steht als das der Schaulustigen, die im Weg herumstehen und das der Plünderer, die aus dem Leid und dem Schaden anderer ihren Nutzen holen. Helfen – Da sein – die Notleidenden nicht alleine lassen. Wie gut, dass man sich darauf verlassen kann: Es wird geholfen. Gerade in Katastrophen verdunkelt sich auch der Himmel der Seele. Quälende, grübelnde Gedanken, sich zermartern mit Fragen. Warum ist es so gekommen? Wie soll es nur weitergehen? Im Psalm 77. steht: „Ich denke und sinne des Nachts und rede mit meinem Herzen, mein Geist muss forschen. Wird denn Gott auf ewig verstoßen und keine Gnade mehr erweisen? Ist’s denn ganz und gar aus mit seiner Güte, und hat die Verheißung für immer ein Ende?“ Dunkel der Himmel, dunkel die Zukunft, dunkel das Herz. Wen soll es da wundern, wenn auch der Glaube an Gott sich verdunkelt.

 

 

 

Donnerstag, 15. August 2002

 

Vieles erinnert an die Geschichte von der Sintflut. Wasser von oben und von unten, das Ende der Welt scheint gekommen. Nach der großen Flut, nach der Katastrophe verspricht Gott den Menschen: Von mir wird es nie wieder eine solche Katastrophe geben. Um Gottes Willen keine Sintflut mehr. Als Zeichen dafür erscheint am Himmel der Regenbogen, den Kriegsbogen, den Gott an die Wolken hängt, weil er nicht mehr Krieg führt gegen seine Geschöpfe, die Menschen. Seitdem verbietet christlicher Glaube, dass Gott verantwortlich gemacht wird für die Katastrophen, die über uns kommen. Das ist ja eine sehr einfache Antwort, die auch nach den Terroranschlägen in Ney York von christlichen Predigern hören war: Gott schickt die Katastrophen um uns zu strafen. Nein, sagt die Bibel, das tut Gott nicht. Nicht mehr. Nie mehr. Gott ist der Begleiter durch die Katastrophe hindurch, der, der auch aus den Wasserfluten rettet. Im 77. Psalm heißt es: „Die Wasser sahen dich, Gott, die sahen dich und ängstigten sich, ja die Tiefen tobten. Wasser ergossen sich aus dem Gewölk, dein Weg ging durch das Meer und dein Pfad durch große Wasser, du führtest dein Volk wie eine Herde.“ Hier wird erinnert an den Durchzug durchs Schilfmeer beim Auszug der Israeliten aus Ägypten. Auf dem Weg in die Freiheit führt Gott sein Volk durchs Wasser. Wasser ist bedrohlich und undurchdringlich. Wer will etwas gegen die Gewalt des Wassers tun? Gott ist es, der die Seinen sicher führt und begleitet.

 

 

 

Freitag, 16. August 2002

 

Die Meldungen von Unwettern und Hochwasser erreichen uns aus ganz Europa. Das Wetter spielt verrückt, sagen die Leute, es ist nicht mehr so, wie es war. In wenigen Tagen wird in Johannesburg in Südafrika eine Weltkonferenz für nachhaltige Entwicklung stattfinden. Vor zehn Jahren in Rio hat es schon so eine Konferenz gegeben. Damals wurden Maßnahmen beschlossen, durch die die weitere Umweltzerstörung zumindest gebremst werden sollte. Das Gegenteil ist seither geschehen. Die Schadstoffe, die globale Erwärmung, die Treibhausgase, das Ozonloch, alles hat sich dramatisch verschlimmert. Nun erleben wir die Auswirkungen dieser Entwicklung, eben auch den Klimawandel. Das Wetter wir extremer werde, die trockenen Gebiete noch trockener, die feuchten noch nässer. Die Wüsten werden zunehmen, gleichzeitig in vielen Weltgegenden sintflutartige Regenfälle, Überschwemmungen, Wind- und Sturmschäden, und so weiter. Die am weitesten verbreitete Gefahr des Klimawandels für menschliche Ansiedlungen sind Überschwemmungen und Erdrutsche, ausgelöst durch die Zunahme der Regenmengen und Anstieg des Meersspiegels.

 

Diese Entwicklung ist nicht neu. Sie ist seit vielen Jahren bekannt. Vielleicht konnte man auch in Österreich die Augen davor verschließen, jetzt kann das wohl niemand mehr. Was können wir tun? Das wichtigste wäre, die Emission der Treibhausgase einzuschränken. Das heißt zum Beispiel, erneuerbare Energie zu fördern, die Wälder nicht abzuholzen. Es ist bekannt, was geschehen müsste. Jetzt braucht es noch den willen, es auch durchzusetzen.

 

 

 

Samstag, 16. August 2002

 

Am Anfang sagte Gott: „Es werde Licht!“

Und es wurde Licht, und es war gut.

Dann sagte Gott: „Es möge Land inmitten der Meere sein.“

und er schuf Land, und es war gut.

Gott sagte: „Tiere mögen dort sein – alle Arten von Tieren.“

Und sie waren gut.

Dann sagte Gott: „Menschen mögen dort leben.“

Und auch wir sind ein Teil von Gottes Schöpfung.

 

So lässt sich die Schöpfungsgeschichte der Bibel in kurze Sätze fassen. Wichtig daran ist: Die Menschen sind berufen, als Teil der Schöpfung zu leben. So, dass alles um sie herum, die Tiere und die Pflanzen, aber auch die Elemente, Wasser, Licht, Boden ihre Mitgeschöpfe sind. Auf diesen Auftrag Gottes haben die Menschen sträflich leichtsinnig vergessen. Sie haben sich seit Jahrhunderten als Herren und Besitzer der Natur aufgespielt und so verhalten, als dürften sie die natürlichen Lebensgrundlagen bis aufs Letzte vernutzen für ihre wirtschaftlichen Zwecke. Aber nichts bleibt ohne Folgen. Es wird immer deutlicher. Die Folgen ihrer eigenen Handlungen schlagen sich eben auch in solchen Naturkatastrophen nieder. Gott, der selbst aus dem Schlimmsten noch Gutes schaffen kann, möge die Menschen erleuchten, dass sie umkehren vom falschen Weg und den Weg des Lebens für die ganze Schöpfung suchen.