Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

 

Sonntag, 06. Oktober 2002

Wie zu biblischen Zeiten bebauen und bewahren die Menschen die Erde, so gut sie es vermögen. Und auch wenn heutzutage Traktoren und Mähdrescher den Bauern helfen, bleiben sie doch angewiesen auf die Jahreszeiten. So wie im Frühling gesät wird, ist im Herbst die Ernte dran. Diese Ordnung ist von Gott. Ohne sie, nützt alles Mühen der Menschen nichts. Und dennoch müssen die Bauern oft genug Rückschläge und Missernten hinnehmen. Allein in diesem Sommer sind die Schäden auf den Feldern unermesslich groß. Nicht alles kann mit Geld ausgeglichen werden. Und das geschwundene Vertrauen in die Ordnung Gottes erst recht nicht. Fragen wie: „Wo soll das alles hinführen oder wird das alles immer schlimmer?“, kann keine finanzielle Entschädigung beantworten.

 

Auch der Hinweis, dass die Menschen durch rücksichtslosen Raubbau selber schuld sind, hilft nicht weiter.

Vielleicht ist es ein Ausweg, behutsamer mit der Schöpfung umzugehen. Es scheint, dass die Menschen langsam an eine Grenze kommen. Ein behutsamerer Umgang mit dem, was die Bibel Schöpfung nennt, verändert die Gedanken der Menschen. Das ist es ja auch, was Gott von den Menschen will, die ja auch seine Geschöpfe sind. Denn wenn Gott ihnen sagt, "Macht euch die Erde untertan", heißt das, er vertraut ihnen seine Schöpfung an.

 

Und auch für dieses Vertrauen Gottes in die Menschen gilt es heute, an Erntedank, zu danken.

 

Montag, 07. Oktober 2002

Im Herbst ist die Zeit der Ernte und die Menschen ernten die Früchte des Feldes, aber auch die Früchte Ihrer Arbeit. Das, was sie im Frühjahr gesät haben ist im Sommer gewachsen. Scheinbar wie von selbst.

Aber ohne Pflege funktioniert das nicht.

 

Unkraut muss gejätet werden, die Zöglinge brauchen Wasser. Was aber ist mit dem Winter? Das ist die tote Zeit, heißt es und man hat den Eindruck nichts passiert. Man kann nichts anderes tun als warten, bis der Frost geht und die Schneeglöckchen wieder sprießen. Das mag stimmen, dennoch muss ich hier widersprechen. Denn der Winter ist die Zeit, in der die Natur, die Schöpfung, ruht. Besser gesagt, sich ausruht.

Wann aber ruht der Mensch?

Sicherlich nachts, im Schlaf. Ohne dem geht nichts. Reicht das? Also, mir reicht das nicht. Seitdem ich tagsüber hin und wieder eine Pause einlege und mich ausruhe, geht es mir besser. Nicht stundenlang. Ich versuche, einfach aus dem Fenster zu schauen und sonst nichts. Die Gedanken treiben dahin und ich lasse sie treiben. Das ist schön. Anfangs ist mir das schwer gefallen und ich habe mich selbst immer wieder dabei unterbrochen. Denn wer will schon ein Träumer sein. Dem kann ich fröhlich entgegenhalten: Ich. Ich will ein Träumer sein. Denn das tut mir gut und entspannt. Letztendlich übrigens kommt das nicht nur mir zu gute, sondern auch den Menschen, die mit mir umgehen. Denn ich bin entspannter und ausgeruhter.

Der Winter ist eben keine tote Zeit. Und träumen ist keine verlorene Zeit. Das zeigt mir, dass ich lernen kann von Gottes Schöpfung. Und es zeigt mir, der Mensch ist Teil der Schöpfung. Die Bibel sagt sogar, Gottes, liebstes Geschöpf. Ein Grund mehr, dem Schöpfer aller Dinge zu danken.

 

Dienstag, 08. Oktober 2002

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Und dazu gehören Spekulatius, Christstollen und Lebkuchen.

Weihnachten ist im Dezember. Sagt jedenfalls der Kalender und davor kommen vier Wochen Advent, in denen sich die Menschen auf Weihnachten einstimmen. Das ist heutzutage anders. Als ich gestern einkaufen war, entdecke ich in meinem Supermarkt etliche Weihnachtssachen. Weihnachten im Oktober. Das ist zu früh, Advent ist im Dezember. Nun freue ich mich, und ich denke, das geht vielen Menschen so, natürlich auf Weihnachten. Und Vorfreude ist die schönste Freude, heißt es. Aber drei Monate lang Vorfreude auf Weihnachten ist zu viel. Außerdem habe ich das Gefühl, mir wird eine ganze Jahreszeit gestohlen, denn wo bleibt der Herbst? Die Tage, an denen ich mit meinen Kindern Drachen steigen lasse und Kastanien sammle.

Die Bibel sagt, Alles hat seine Zeit und ich stimme ihr zu. Ich will jetzt noch keine Weihnachtsmänner in den Regalen sehen. Und schon gar nicht kaufen, denn mir schmecken sie jetzt noch nicht. Vielmehr will ich bewusst durchs Jahr gehen und durch das Kirchenjahr auch. Das beginnt mit dem 1. Advent. Und endet mit dem Herbst und dem Gedenken an die Verstorbenen. Denn sonst sind wir irgendwann soweit, dass Ostern und Weihnachten zusammenfallen. Und das ist Betrug, weil wir es sind, die um unsere Zeit betrogen werden.

 

Mittwoch, 09. Oktober 2002

"Papa, ich mag heute kein Schulbrot mitnehmen" sagt mein Sohn zu mir. "Gib mir lieber drei Euro für einen Hamburger". Abgesehen davon, dass das überhaupt nicht in Frage kommt, weil das viel zu teuer ist, frage ich ihn, warum er plötzlich kein Schulbrot mehr essen will. "Das schmeckt nicht", bekomme ich als Antwort zu hören. "Außerdem gehen alle in meiner Klasse Hamburger essen". Dieses Argument kommt oft und ich kann es natürlich keinesfalls gelten lassen. Und was vier Jahre lang geschmeckt hat, sollte doch auch weiterhin schmecken, halte ich ihm entgegen und schicke ihn mit Brot in die Schule.

Nun kann man sagen, dass die Bedürfnisse sich ändern, warum sollte es Kindern anders gehen als Erwachsenen? Ich glaube aber, der wahre Kern liegt darin, dass "Alle" Hamburger essen gehen und keiner mehr ein Schulbrot mitnimmt. Was mir zu denken gibt ist der Wunsch, das zu machen, was alle machen. So ist der Mensch: im Rudel fühlt er sich am wohlsten und hier will er anerkannt sein. Und wenn das durch einen Hamburger geschieht, dann ist das Schulbrot eben nicht mehr angesagt. Ich frage mich nur, was bei mir und meinen Bekannten, Kollegen und Nachbarn zu Anerkennung führt. Das richtige Auto, das modernste Mobiltelefon? Ich jedenfalls nehme mir vor, hin und wieder dieses Spielchen nicht mehr mit zu spielen.

In der Bibel heißt es, die Letzten werden die Ersten sein. Die Welt wird anders. Damals und heute auch.

Morgen geht mein Sprössling Hamburger essen. Denn um Erfahrungen zu sammeln und gegen den Strom zu schwimmen, muss er dieses Spielchen mit gemacht haben. Auch wenn es mir schwer fällt.

 

Donnerstag, 10. Oktober 2002

Die Kaffeemaschine ist verstopft und der Kaffee plätschert auf die Küchenplatte, der Bus fährt einem vor der Nase weg und im Büro stürzt der Computer dauernd ab. Es gibt solche Tage, da ist man mit dem linken Fuß aufgestanden, wie man gemeinhin sagt.

 

Meiner Beobachtung nach gibt es an solchen Tagen zwei Möglichkeiten: dagegen ankämpfen oder es hinnehmen. Bei der ersten Variante, so geht es mir jedenfalls, verliere ich meistens. Der Tag geht weiter, wie er angefangen hat und ich werde nur um so grantiger, je später es wird. Die Bibel rät in diesem Fall: Alle eure Sorgen werft auf Gott. Leicht gesagt, möchte man meinen, (aber ich habe es probiert und es ändert tatsächlich was).

Nun sollen Sie sich das nicht so vorstellen, als schnüren Sie ein Bündel und werfen es in den Himmel. Vielmehr hilft es, einen Schritt zurückzutreten und den Tag mit seinen Kaffeemaschinen und Bussen hinzunehmen. Denn sie kommen sowieso auf einen zu. Es geht nur darum, wie sie mit ihnen umgehen. Alle eure Sorgen werfet auf Gott könnte so gehen, dass sie mit Gott sprechen. Beten. Dadurch werde ich zumindest gelassener und sehe die Welt mit anderen Augen. Das gelingt natürlich nicht immer. Weder Gott noch Gebete sind Maschinen. Und ein Mensch ist auch keine Maschine. Was die Bibel sagen will ist, dass Menschen auf Gott vertrauen. Denn sie sind in seiner Obhut. Der nächste Schritt ist, anderen Menschen davon zu erzählen. Denn wie mir, ergeht es anderen Menschen ja auch. Auch das übrigens empfiehlt die Bibel: einander von Gott erzählen und dem Vertrauen, das die Menschen ihm entgegenbringen dürfen. Das Buch der Bücher nennt dies: Liebe deinen nächsten wie dich selbst.

 

Freitag, 11. Oktober 2002

Immer muss eine Lampe brennen, wenn meine Kinder schlafen gehen. Dunkelheit macht Ihnen Angst. Was für meine Kinder gilt, gilt auch für viele Erwachsene. Jetzt werden die Tage kürzer und bald kommt die Zeit, an denen ich im Dunkeln aus dem Haus gehe und im Dunklen zurückkomme.

Die Bibel sagt, Christen sind Kinder des Lichts. Sie müssen keine Angst mehr haben vor Dunkelheit. Denn wo Christen sind, da ist auch das Licht Gottes. Aber die Bibel denkt schon weiter: an die Anderen, die mit uns leben. Denn was sonst sollte es bedeuten, wenn die Bibel uns ermuntert: Lebt als Kinder des Lichts, ihr seid Licht in dem Herrn. Tragt das Licht Gottes weiter. In den seltensten Fällen aber findet sich dafür ein Schalter. So wie im Kinderzimmer. Diese Lampe übrigens ist keine normale Deckenlampe, sondern speziell für meine Kinder zum Einschlafen ausgesucht. Manchmal muss sie etwas verschoben werden, damit sie besser leuchtet.

 

Das gilt auch für das Licht Gottes, das wir für die Menschen um uns herum zum Leuchten bringen sollen. Ich denke das könnte bedeuten, auf Menschen einzugehen und zu bemerken, was unser Gegenüber braucht. Und es bedeutet, sich Zeit zu nehmen. Das tun wir mit dem Versprechen Gottes, Kinder des Lichts zu sein.

Das gibt Kraft und beruhigt. So wie für meine Kinder, wenn sie einschlafen.

Samstag, 12. Oktober 2002

Heute laufen sie wieder. 22 Männer und ein Ball. Samstags ist Fußballbundesliga. Ich liebe Fußball. Neulich aber sagte ein Sprecher bei einer Übertragung: der Fußballgott ist nicht auf unserer Seite.

Fußball als Religion mit einem Fußballgott? Bei näherer Betrachtung gibt es erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zwischen Fußball und Religion: Bei beiden wird gesungen, zu beidem versammeln sich die Menschen und das am Wochenende, und bei beiden gibt es Idole.

Bei allen Gemeinsamkeiten aber ist doch ein wesentlicher Unterschied festzustellen: Jesus Christus ist gekommen, die Menschen zu erlösen und ihnen ein Leben zu zeigen, das lebenswert ist. Und Gott sagt: ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Was bedeutet, dass die Menschen nichts anderes zum Gott erheben sollen. Mit Gott als Mittelpunkt haben die Menschen gute Chancen, ein lebenswertes Leben zu führen und einander zu achten. Das ist bei Fußball nicht der Fall.

Menschen neigen dazu, sich Götter zu machen und diese zu verehren. In der Bibel gibt es dazu die Geschichte vom goldenen Kalb, das sich die Menschen bauen und anbeten. Das hat Gott gar nicht gefallen.

 

Fußball ist die schönste Nebensache der Welt und das sollte sie auch bleiben: eine Nebensache. Die Frage ist immer, wo wir Gott einen Platz in unserem Leben lassen und ob dieser Platz ihm angemessen ist. Eine interessante Lösung gibt es in einer deutschen Fußballarena: dort ist eine Kappelle für die Spieler eingebaut, von der ein direkter Weg auf den Rasen führt.