Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

Prälat Mag. Raimund Schreier (Stift Wilten, Innsbruck)

Sonntag, 10. November 2002

Freundschaft über den Tod hinaus

Der Monat November wird nach alter Tradition auch der Seelenmonat genannt.

Da geht man öfters auf den Friedhof, gedenkt der lieben Heimgegangenen, denkt dabei auch an die Vergänglichkeit des Lebens, an den eigenen Tod.

In diesem Blickwinkel sieht der Mensch deutlicher die bleibenden Werte des Lebens - wie Liebe, Versöhnung, Freundschaft.

Ein Mann hatte Krebs. Bis zum Schluss hatte er ein unglaubliches Vertrauen auf das Leben und auf die Freundschaft. Für ihn bedeutete Freundschaft alles. Er sagte: „Für einen jungen Menschen besteht das Glück in Träumen, die einmal in Erfüllung gehen sollen. Ein Erwachsener entdeckt, dass es in der Tat Glück gibt, aber nicht, weil Träume in Erfüllung gingen, sondern weil es Freundschaft gibt. Ohne Freunde ist ein Mensch erst arm. Reich wird ein Menschenleben am Ende durch die Ernte an Freundschaft und kleinen Aufmerksamkeiten.“

Kein Mensch ist so reich wie der, der Freunde hat. Gerade der Sonntag, der Tag des Herrn, bietet sich an, Freundschaften zu pflegen und zu intensivieren.

Ich wünsche uns allen das Geschenk der Freundschaft. Tief in unserem Herzen dürfen einige wenige Menschen bei uns zuhause sein und dort wohnen bleiben, selbst wenn sie tot sind.

Kein Mensch ist so reich wie der, der Freunde hat.

Montag, 11. November 2002

Der zufriedene und glückliche Mensch

Kennen Sie die Geschichte vom König, der im Sterben lag?

Ihm hatte der Doktor gesagt: „Ihr werdet wieder gesund, wenn ihr einen glücklichen Menschen findet und sein Hemd anziehen könnt.“

Tagelang durchsuchten seine Leute das Land, bis sie am Ende einen glücklichen Menschen fanden; aber der besaß nichts, nicht einmal ein Hemd.

Die Geschichte sagt: Glück hat nichts mit Besitz und Reichtum zu tun. Wir beneiden oft steinreiche Menschen. Ihr Leben ist nicht immer ein glückliches.

Bemühen wir uns um ein zufriedenes Herz, das dankbar ist für all das, was wir haben dürfen, auch und besonders für das, was man nicht mit Geld erwerben kann: Gesundheit, Zuneigung, Liebe, Freundschaft.

Einem zufriedenen Herzen folgt dann das Glück wie ein Schatten.

In der „Zufriedenheit“ steckt das Wort „Friede“. Als Zufriedener habe ich inneren Frieden, habe ich Seelenfrieden, ein großes Geschenk des Himmels.

Viele Heilige waren Zufriedene, sie hatten Frieden mit Gott, mit den Menschen und mit sich selbst, so wie ein hl. Martin, den die katholische Kirche heute feiert.

Ich wünsche uns für diesen heutigen Tag ein zufriedenes und dankbares Herz. Dann ist uns das Glück sicher! 

 

Glück und Zufriedenheit haben nichts mit Besitz und Reichtum zu tun.

Dienstag, den 12 November 2002

Die schönen Tage

 

Der Monat November ist für mich persönlich eine schöne Zeit: Ich bewundere und bestaune die vielfältigen Farben der Baumblätter. Ich lese bei den Dichtern von den Herbstwinden und den treibenden Blättern, vom Nachsinnen über die Vollendung der Welt.

Der November hat leider auch sehr dunkle Tage, vor allem für einsame und schwermütige Menschen. Es ist die Zeit der Depression, der Krankheit unserer Epoche.

Gerade an solchen Tagen dürfen wir uns an die schönen Tage erinnern, die wir einmal erlebt haben, die Tage, an denen wir gelacht, uns pudelwohl gefühlt haben, an denen wir andere freundlich und vergnügt angelacht haben.

Wenn also der Horizont dieser Tage dunkel wird, wenn unser Herz schwer und vielleicht voller Bitterkeit wird, dann suche in Deiner Erinnerung die schönen Tage, die Tage, an denen Du Dich bei lieben Menschen daheim und wohlgefühlt hast.

Wir dürfen sie nicht vergessen, die schönen Tage! Denn wenn wir sie vergessen, kommen sie nie wieder.

Füllen wir unseren Kopf mit Gedanken der Freude, unser Herz mit Versöhnlichkeit und Liebe und unseren Mund mit einem Lachen.

Dann wird der heutige Tag ein guter Tag!

Vergiss die schönen Tage nicht, wenn der Horizont dunkel wird!

 

Mittwoch, 13. November 2002

Wirf deine Sorgen von dir ab

 

Manchmal passiert es, dass wir mit dem linken Fuß aufstehen - wie wir sagen:

Schon beim Aufwachen überkommen uns die Sorgen des beginnenden Tages; wir grübeln darüber nach, was heute alles schief gehen könnte, darüber, wovor wir Angst haben.

 

Ich habe dazu eine Art geistliches Rezept gefunden in einem alten Buch. Es entstand vor 2200 Jahren. Der Verfasser heißt Jesus Sirach; es ist ein Buch im Buch der Bücher, in der Bibel. Was da steht, gilt auch heute für uns.

„Überlass dich nicht den Sorgen,

verfalle nicht Grübeleien.

Denn Herzensfreude ist für den Menschen Leben,

und Frohsinn macht seine Tage lang.

Wirf die Sorgen von dir ab,

gönne deinem Herzen Ruhe

und halte Ärger von dir fern.

Durch Sorgen kamen schon viele zu Tode,

Schwarzmalerei hat keinen Wert.

Neid und Ärger verkürzen das Leben,

Sorgen machen vor der Zeit alt.“

(Jes Sir 30,21-24)

 

Ein Lied aus dem 17. Jahrhundert, das Johann Sebastian Bach vertont hat, fasst diesen Gedanken wunderbar zusammen: „Was helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.“

Ich wünsche uns einen sorgenfreien Morgen, einen Morgen, an dem die Sonne in unseren Herzen aufgeht!

Donnerstag, 14. November 2002

Der Trost

 

Ein kleines Mädchen kommt nach Hause zurück. Es war gerade bei den Nachbarn, von denen das achtjährige Töchterchen auf tragische Weise umgekommen ist.

“Warum bist du dort hingegangen?“, fragt sie der Vater.

„Um die Mama zu trösten.“

„Und was konntest du, kleines Mädchen denn tun, um sie zu trösten?“

„Ich bin auf ihren Schoß hinaufgestiegen und habe mit ihr geweint!“

„Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden“ (Röm 12,15), so schreibt der Apostel Paulus an seine Gemeinde in Rom.

Wenn jemand neben Dir leidet, weine mit ihm! Liebe bedeutet nämlich Teilnahme mit unserem ganzen Sein. Wer liebt, entdeckt in sich unendliche Kräfte zum Trösten. Der Mensch kann nämlich nicht leben ohne Trost.

 

Im Lateinischen heißt „trösten“ - „consolari“. Es bedeutet letztlich mit dem sein, der allein ist, der alleingelassen ist mit seinem Schmerz, mit seiner Not.

Ich wünsche uns allen Engel in Menschengestalt, die uns trösten, wenn wir traurig oder sonst in einer schwierigen Situation sind.

Und ich wünsche uns, dass wir selber andere trösten können, dass wir die richtigen Worte finden von Herz zu Herz.

Die Kunst des Tröstens: Weint mit den Weinenden...

 

Freitag, 15. November 2002

Immer zur Versöhnung bereit

 

Eine sechsköpfige Familie ist mit ihrem Auto auf dem Weg in den Urlaub schwer verunglückt. Der Mann und zwei Kinder sind tot. Die Frau und die zwei anderen Kinder sind noch am Leben. Etwas vom Schlimmsten, so erzählt mir die Frau vor dem Begräbnis, ist die Tatsache, dass sie sich mit ihrem Mann nicht mehr versöhnen konnte. Es gab viel Streit an den Tagen vor diesem grausamen Tod.

Nichts belastet so schwer, wie nicht vergeben können, nicht vergeben haben. Im Tiefsten unseres Herzens sehnen wir uns nach der inneren Befreiung, nach dem lösenden und erlösenden Wort: Ich verzeihe dir!

Es gibt nur einen einzigen Weg dorthin: Das ist die Vergebung - möglichst heute noch! Wir wissen nicht, ob wir morgen die Möglichkeit haben werden, zu verzeihen. Je schneller wir vergeben, umso einfacher. Denn sonst wird aus dem Unfrieden Hass und Rache.

Vergeben wir siebenundsiebzigmal, wie uns Jesus von Nazaret im Evangelium auffordert (vgl. Mt 18,22): Das kann viel Zeit und Ärger ersparen.

Siebenundsiebzigmal: Das heißt - immer!

Seien wir immer zur Versöhnung bereit! Auch heute!

Siebenundsiebzigmal vergeben und das möglichst heute noch -gerade angesichts des unberechenbaren Todes!

Samstag, den 16.11.2002

Humor und Lachen

 

Thomas Morus, der Lordkanzler Heinrichs des VIII. von England war bekannt wegen seines Humors. Sein befreiendes Lachen steckte alle an. Sein bewundernswerter Humor wusste sogar Situationen zu bewältigen, in denen das Lachen üblicherweise stirbt. Thomas Morus wird vom König eingesperrt und zum Tod verurteilt, weil er ihn nicht als Oberhaupt der von ihm gegründeten anglikanischen Kirche anerkennt. Kurz vor seinem Tod schreibt Thomas Morus ein Gebet um Humor: „Herr, schenke mir Sinn für Humor!“

Wer keinen Humor hat, wird von der Last und den Problemen des Lebens erdrückt; dessen Seele ertrinkt in tödlichem Ernst.

Eine wunderbare Medizin dagegen sind das Lachen und der Humor. Sie sind die beste Entgiftungskur für Geist und Herz. Lachen befreit; Humor entspannt. Lachen und Humor verringern Spannungen und Tränen.

Humor nimmt alles leichter; mit dem Humor bekommen wir Flügel.

„Humor und Geduld sind die Kamele, mit denen ich durch jede Wüste komme“, schreibt der geistliche Autor Phil Bosmans. Und er sagt weiter:

Was ist ein verlorener Tag? Ein Tag, an dem Du nicht gelacht hast!

Die beste Medizin gegen Probleme sind Humor und Lachen