Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Johanna
M. Hofer (Lendorf/Spittal, Ktn.)
Sonntag,
24. November 2002
"Meine
eigene Berufung"
Mit
der kommenden Woche geht das "Jahr der Berufung" zu Ende.
Ich
sehe dieses Motto fast als Lebensaufgabe:
Berufung
bedeutet für mich, meinen eigenen Weg zu erspüren.
Dazu
brauche ich keine aufwändige und kostspielige Marktforschung, weder
die neuesten Statistiken noch gut gemeinte Ratschläge von
lebenserfahrenen Köpfen. Damit ich meinen Weg klar erkenne, muss
ich mir nur etwas Zeit nehmen- und das am besten täglich.
Meine
Intuition, "mein Herz" oder wenn ich es christlich sehe:
"Gottes Stimme in mir" - macht sich erst bemerkbar, wenn
es in meinem Inneren und um mich herum ruhig geworden ist. Diese
Stimme weiß, was gut für mich ist und welchen Weg ich einschlagen
soll. Sie ist wie ein sicherer Kompass, auf den ich mich verlassen
kann. Und - sie bestärkt mich, mich selbst mit allen schönen und
dunklen Seiten anzunehmen und so zu leben, wie ich von meinem Schöpfer
gemeint bin.
Ein
Mensch, der seine Berufung erkannt hat und ihr nachgeht, muss
keineswegs ein entbehrungsreiches Leben führen. Er zeichnet sich
dadurch aus, dass er seine Fähigkeiten und Talente einzubringen
versteht und einen tiefen Sinn in seinem Leben findet. Er lebt
bewusst und leidenschaftlich, mit viel Freude, Liebe und Friede im
Herzen. Gerade durch diese positiven Kräfte lassen sich vor allem
schwierige Zeiten im Leben leichter und besser überstehen.
Vielleicht
nehmen Sie sich heute ein bisschen Zeit, Ihrer inneren Stimme
nachzuspüren?
Montag,
25. November 2002
"Orientierungspunkte"
Wenn
der Nebel ins Land zieht, verändert sich unsere Wahrnehmung. Da
verschwimmen klare Strukturen zu unkenntlichen Schatten, die uns die
Orientierung meist
schwer machen.
Auch
im übertragenen Sinne ist es in dieser unruhigen, gewaltbeladenen
Zeit nicht einfach, sich zurecht zu finden.
Im
Alltag werden zur besseren Orientierung Verkehrsschilder und
Gesetze, aber auch mündliche Empfehlungen eingesetzt, damit wir
Menschen gut und sicher miteinander leben können.
Auch
in meiner eigenen, unsichtbaren Innenwelt brauche ich
Orientierungspunkte. Ich brauche neben allen Entscheidungen, die ich
aus meinem derzeitigen Erfahrungsschatz fälle, eine Orientierung,
die beständig und unverrückbar ist.
Vielleicht
ist es Gott, den ich brauche, gerade in meiner geistigen
Schaltzentrale, in der ich meine weiteren Wege und Entscheidungen
festlege. Denn Gott - oder wie immer ich ihn nennen möchte - setzt
Maßstäbe, die darauf ausgerichtet sind, Leben zu fördern und
Leben zu erhalten. Der göttliche Kraftstoff, der dafür
verantwortlich ist, ist die Liebe. Sie ist es, die wirkliches Leben
erst möglich macht und mir eigene Schritte erlaubt.
Ich
wünsche Ihnen, dass Sie auch heute die Orientierungspunkte finden,
die Sie brauchen, um Ihren Weg sicher gehen zu können.
Dienstag,
26. November 2002
"Das
Leben als Schicksal oder selbstbestimmter Weg?"
Soll
ich mein Leben als vorbestimmtes Schicksal sehen? Oder kann ich es
mir in allem selbst zurecht zimmern?
Wenn
ich meinen Weg nur als vom Schicksal gezeichnet sehe, gebe ich damit
auch meine eigene Verantwortung ab und ertrage alles passiv. Das ist
natürlich bequemer, wenn ich - in Selbstmitleid versunken - die
Schuld an Unglücken oder dem harten Leben an sich dem "lieben
Gott" oder den Mitmenschen geben kann.
Andererseits
leben wir manchmal auch im Irrglauben, alles in der Hand zu haben.
Das geht so lange gut, bis wir durch Naturkatastrophen, unheilbare
Krankheiten oder andere Unglücke wieder auf den Boden gebracht
werden.
Ein
nordischer Philosoph hat einmal gesagt: „Uns wird nicht gestattet,
den Rahmen unseres Schicksals zu wählen. Was wir aber hineingeben,
liegt an uns."
Für
mich persönlich ist neben dem Aufspüren der vielen Möglichkeiten
zu einer Verbesserung des eigenen Lebens die Erdung im christlichen
Glauben wichtig. Diese Erdung stabilisiert mich besonders in
schweren Zeiten.
Dort,
wo ich keine Kraft mehr habe, mich
aufzurichten und mir selbst andere Menschen nicht helfen können,
weiß ich um den Trost und die Stärkung von oben! Dann spüre ich,
dass mir ein Gott nahe ist, der
alle Tiefen des Lebens durchgemacht und selbst den Tod überwunden
hat.
Es
liegt allein an uns selbst, was wir in den Rahmen des Schicksals
hineinlegen: Ob er nur mit Wut, Anklagen und Neid anderen gegenüber
gefüllt wird, oder aber die eigenen Stärken mobilisiert werden, um
wieder aufzustehen und aufrecht unseren Weg weiterzugehen.
Mittwoch,
27. November 2002
"Abschied
von der ewigen Jugend"
Wir
können uns heutzutage in jedem Alter auf "jung " stylen.
So
kann der Mensch nach dem heutigen Stand der Wissenschaft alte Zellen
wieder reparieren, in Haare wieder jugendliche Farbe und Glanz
zaubern, ausufernde Fettdepots im Körper durch chirurgische und diätetische
Maßnahmen abbauen. Nur unsere Seele lässt sich nicht kosmetisch
verjüngen oder verändern, sondern bleibt oft durch übertriebenes
Äußerlichkeitsdenken auf der Strecke.
Ich
finde, hier ist das rechte Maß angesagt, das nur jeder einzelne für
sich allein bestimmen kann.
Nur
derjenige, der seine Falten, grauen Haare, seine Glatze oder die
Altersflecken wie auch immer integrieren kann, wird auch in den
reiferen Jahren zufrieden seinen Weg gehen können.
Wir
müssen uns mit unserer Endlichkeit abfinden und das Beste aus
unseren Tagen herausholen.
Im
alttestamentarischen Buch Kohelet heißt es: „Denn selbst, wenn
ein Mensch viele Jahre zu leben hat, freue er sich in dieser ganzen
Zeit und er denke zugleich an die dunklen Tage: Auch sie werden
viele sein. Alles, was kommt, ist Windhauch."
Innere
Klarheit, Freude, Friede und Humor im Herzen wirken sich
nachweislich auf unsere Ausstrahlung und die äußere Erscheinung
aus. Vor allem Sorgenfalten lassen sich hiermit erfolgreich ausbügeln!
Donnerstag,
28. November 2002
"Das
endliche Leben als Geschenk"
Wir
leben - wissenschaftlich gesehen - in einem Zeitalter des Schöpfer
Menschen, der bereits imstande ist, im Reagenzglas Organe
nachwachsen zu lassen.
Es
fällt uns daher meist schwer, zu akzeptieren, dass wir nicht alles
in der Hand haben. Schon gar nicht unsere Lebenszeit.
Das
Leben wird oft bewusst oder unbewusst als Besitz oder sogar als ein
einklagbares Recht gesehen. Dadurch bleiben viele enttäuscht zurück,
wenn sich hochgesteckte Ziele nicht erreichen lassen.
Wir
vergessen oft, dass unser Leben ein Geschenk ist. An Geschenke kann
ich keine Bedingungen stellen - ich darf und soll sie mit offenem
Herzen und Dankbarkeit annehmen.
Nicht,
dass ich mein Leben ständig danach ausrichte, jeden Moment sterben
zu müssen. Aber es schadet niemandem, sich seine Endlichkeit immer
wieder einmal vor Augen zu führen.
Dadurch
sehen wir auch vieles nicht mehr als selbstverständlich an, sondern
bemerken dankbar die unzähligen Augenblicke, die das eigene Leben
reicher machen: ein aufbauendes Lächeln im Gesicht des Partners,
eines Kindes oder Nachbarns oder eine zufällig freie Parklücke,
die anscheinend nur auf uns wartet.
Nützen
wir doch die Zeit, die uns und unseren Mitmenschen bleibt. Ein
Blumenstrauß zu Lebzeiten geschenkt, tut seinen Dienst eher als am
offenen Grab. Und eines der wertvollsten Geschenke, die wir einander
machen können, ist wohl, ein paar bewusst genützte Minuten oder
Stunden zu verschenken. Vielleicht gibt es dazu heute eine
Gelegenheit?
Freitag,
29. November 2002
"Umgang
mit dem Tod"
Der
November ist für mich der Monat, in dem ich im Religionsunterricht
das Thema Tod anschneide. Zunächst braucht es schon etwas Überzeugungsarbeit,
um darüber sprechen zu können und das ist auch nicht
verwunderlich:
Mit
unserer Leistungs-, Erlebnis- und Fun-Gesellschaft können Tote
nicht mithalten. Sie können nichts von alldem bieten, was dem
modernen Menschen heute so wichtig ist: Reichtum, Ansehen oder Schönheit.
Denn im Tod werden auf einmal alle gleich: der Firmenboss eines
Weltkonzerns, seine Sekretärin, der Bürolehrling und die
Reinigungsfrau.
"Bruder
Tod", wie ihn einst Franz von Assisi nannte, bringt uns wieder
ganz auf den Boden. Heuer habe ich mich deshalb mit den Schülern im
Kreis auf den Boden gesetzt. Wir haben vom Tod aus Altersschwäche,
von unheilbaren Krankheiten, Herzinfarkt, tödlichen Unfällen und
sogar von Selbstmord gesprochen. Ich war sehr berührt von den Erzählungen
der Jugendlichen und mehr noch von der Art, WIE sie sich trotz anfänglicher
Bedenken und Ängste, darauf eingelassen haben. Da floss auch so
manche Träne und Hilflosigkeit und Respekt machten sich in unseren
Runden breit.
Trotzdem
finde ich es ganz wichtig, über dieses tiefgehende Thema zu
sprechen. Denn Trauer lässt sich nur bewältigen, wenn sie auch
zugelassen wird. Solche depressive Stimmungen sollen aber auch ihr
Ende haben und dürfen nicht zu einer Dauererscheinung werden.
In
einem biblischen Spruch werden wir daran erinnert: "Alles hat
seine Stunde: eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine
Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz."
Ich
wünsche Ihnen, dass alles davon in ihrem Leben einen Platz haben
darf.
Samstag,
30. November 2002
Ohne
Abschied kein Neubeginn
Abschiede
gehören zum Leben. Sie sind die schmerzlichsten Kapitel unseres
Daseins und gestalten sich sehr vielfältig. So z. B. bleibt es
nicht aus, dass wir uns von Eltern, Freunden, Kollegen, Partnern,
Haustieren, auch von Arbeitsstellen, von Wohnungen und Autos und von
bestimmten Abschnitten im Laufe des Lebens freiwillig oder
unfreiwillig trennen müssen.
Damit
das Abschiednehmen gelingen kann, muss ich selbst meine inneren
Verbindungsfäden langsam lösen.
Sich
krampfhaft an jemanden oder etwas klammern führt immer zu einer
Niederlage. Besser ist es hingegen, sich mit dem Schicksal zu
arrangieren und alles so anzunehmen, wie es ist - auch wenn es
schmerzt und einige Zeit braucht.
Diese
Trauerzeit ist eine heilsame Zeitspanne, die allen Schmerz, manchmal
auch Wut, Verzweiflung und Leere, aus dem Herzen wäscht.
Trauerzeiten bringen uns wieder ganz auf den Boden und machen uns
auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens wie z. B. die
Beziehungspflege, aufmerksam.
So
wie nach jeder Nacht wieder der Tag hereinbricht, so kommt nach dem
schmerzlichen Abschiednehmen und Loslassen auch wieder ein
hoffnungsvoller Neubeginn.
Ein
Verheißungswort Jesu soll Sie durch den heutigen Tag begleiten:
"Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der
Welt."
Und
das sollte uns doch Grund zur Hoffnung geben und die Kraft, mit
Zuversicht unseren Weg weiterzugehen.
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