Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Senior
Karin Engele (Graz)
Sonntag,
1. Dezember 2002
Adventkranz
als religiöses Relikt
Guten
Morgen am 1. Adventsonntag
Haben
Sie auch einen gekauft oder selbst gebunden und geschmückt,
aufgestellt oder gehängt? – einen Adventkranz – meine ich natürlich,
seit 150 Jahren das religiöse Symbol der Vorweihnachtszeit: der
gewundene Kranz ohne Anfang und Ende als Symbol für Gottes
Ewigkeit, das Grün der Zweige als Zeichen seiner Treue. Die ursprünglich
violette Farbe der Kerzen forderte zu innerer Umkehr und Buße auf.
– Was ist daraus geworden? Eine vorweihnachtliche Dekoration in
durchgestylten Wohnzimmern, vor lauter Beiwerk aus Silberfäden,
Goldbändern, Holz- oder Plastikschmuck ist er kaum mehr zu
erkennen. Nein, die Kerzen zünden sie nie an, das sei zu gefährlich
–sagte mir eine Bekannte im vergangenen Jahr. Wohl gehört er
dazu, seine christliche Symbolik hat er aber weitgehend verloren. In
manchen Familien gibt es sie aber noch die besinnlichen
Adventabende, wo die Familie sich einfindet um den Adventkranz, eine
Geschichte vorgelesen, musiziert oder gesungen wird. Kinder und
Erwachsene spüren dort etwas vom Wesen und Wirken Gottes, da wird
aus Erwartung mitunter eine tiefgreifende, verändernde Begegnung.
Das wünsche ich Ihnen auch in dieser Adventzeit.
Montag,
2. Dezember 2002
Adventkalender
weckt Erinnerungen
Also,
gestern hab ich das 1. Fenster geöffnet an meinem Adventkalender.
Sagen Sie nicht, das sei kindisch. Nein, ich werde dabei jedes Jahr
von neuem mit kindlicher Vorfreude erfüllt. Ich erinnere mich an
die vielen Adventzeiten meines bisherigen Lebens. Mit Spannung
begann jeder Tag. Was wird sich heute verbergen hinter der noch
geschlossenen kleinen Tür? Manchmal war die Zahl schwer zu finden,
da brauchte es Hilfe, manchmal ging das Fensterl ganz schwer auf,
aber dann. Gestern war es eine Puppe und heute – einfach viele
Buntstifte. Dadurch wird mein Blick zurückgelenkt, als ich mit 5
Jahren in den Kindergarten kam. Da hab ich die heißersehnte kleine
Schachtel mit 6 Buntstiften bekommen. Die wurde dort in meiner Lade
mit der Sonne drauf aufbewahrt. Jeden Tag durfte ich sie hervorholen
und damit nach Herzenslust malen. So erschließt sich mit meinem
Adventkalender auch heuer ein Teil meiner Geschichte. Erinnerungen
werden wach an die Gefühle von früher, an Wärme und Geborgenheit;
an die vielen Jahre, die Gott mich bisher durchs Leben begleitet
hat. Er lässt mich zurückblicken, er schenkt mir eine Zukunft und
die Gewissheit: Du bist bei mir geborgen und von mir geliebt.
Dienstag,
3. Dezember 2002
Allzu
viel ist ungesund
Wie
viele Adventkalender haben ihre Kinder oder Enkel? Zwei, drei oder
mehr, es sind auch nicht mehr die einfachen von früher. Nein,
mindestens Schokolade soll drin sein, am liebsten werden die 24
Fenster am selben Tag aufgerissen, die Schokolade gegessen, der Rest
in die Ecke geworfen. Warum warten, wenn alles gleich zu haben ist?
„Ich krieg eh einen neuen, wenn ich will“ antwortet mir ein Kind
auf die Frage, ob es nicht schade ist um den zerstörten
Adventkalender? So ist der Umgang mit diesem liebenswerten Relikt zu
einem Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Entwicklung geworden.
Jeder will alles und das möglichst rasch. Was immer dabei zerstört
wird oder auf der Strecke bleibt, es erscheint austauschbar,
ersetzbar, nachkaufbar. Übersehen wird dabei leicht, dass es vieles
nicht zu kaufen gibt: Behutsamkeit, das Einüben ins Warten-Können
und Zufriedenheit mit dem Kleinen. Das wäre schon vermittelnswert
im Advent an unsere Kinder, aber auch an uns selbst.
Lasst
uns das Glauben langsam wieder lernen. Tag für Tag, Licht für
Licht, bis alle Lichter brennen für den, der uns entgegenkommt zu
Weihnachten mit seiner Geduld und seiner Liebe.
Mittwoch,
4. Dezember 2002
Möglichkeiten
zu schenken
Was
sollen wir Tante Ida heuer schenken? Jedes Jahr im Advent dieselbe
schwierige Frage. Er zu ihr: „Dir fällt ja sonst auch immer etwas
ein. Frag mich nicht.“ Sie: „Aber es ist ja deine Tante.“
Sie
kennen solche Gespräche – immer schwerer fällt es, Geschenke zu
finden, die im Überfluss unseres Lebens noch wahrgenommen werden.
Die Höhe des Betrags wird diskutiert, mit den Geschenken des
letzten Jahres wird gegenverrechnet. Und obwohl man das unsinnig
findet, kann sich kaum einer diesem Spiel entziehen. Aber stimmt das
wirklich: Was nichts kostet, ist nichts wert? Das Wesentliche, was
wir brauchen und geschenkt bekommen, ist gratis – Zeit, Zuwendung,
Liebe – wenn wir es bekommen. Vielleicht ist das eine Möglichkeit
– ein Wochenende mit Tante Ida, einmal wieder einen Brief an Oma
schreiben, mit selbstgebackenen Keksen die bettlägerige Nachbarin
besuchen. Birgit und Tom einen Tag lang die Kinder abnehmen.
Zeit,
Zuwendung, Liebe schenken aus der Erfahrung heraus: Wir sind selbst
Beschenkte – Gott hat uns beschenkt: Er hat uns das Leben
geschenkt und uns seine ganze Liebe in Jesus Christus gezeigt. Wenn
wir uns die Zeit nehmen, uns darauf einzulassen.
Donnerstag,
5. Dezember 2002
Worauf
bauen wir unser Leben auf?
Ach,
gestern habe ich es nicht verraten, da war ein hellblaues
Sparschwein mit Ringelschwanz hinter dem Türchen meines
Adventkalenders. Und heute? – bunte Bauklötze – der erste
Baukasten meiner Kindheit fällt mir ein, die ersten Erfahrungen mit
dem Aufeinanderlegen von Würfeln, Quadern, Pyramiden in
verschiedenen Farben und Größen. Was muss unten liegen, was steht
oben, wie hoch lassen sich die Klötzchen stapeln?
Auch
wenn wir nicht mehr mit Holzklötzen bauen, es ist doch etwas davon
geblieben. Leben braucht ein solides Fundament, auf dem ich aufbauen
kann. Das mag für die einen das gesicherte Einkommen, für andere
das eigene Häuschen sein. Doch ebenso wichtig erscheint die
zentrale Frage: Worauf kann ich bauen? Auf wen kann ich mich
verlassen? Wir haben alle unsere Enttäuschungen erlebt, freilich
gibt es Verletzungen, die nur schwer heilen. Aber da gibt es einen,
der sagt: Bau auf mich! Vertrau meiner Zusage: Dein Leben kann
gelingen. Du hast Kräfte und Gaben mit auf den Weg bekommen, sie
sinnvoll einzusetzen für andere. Damit löst sich die Frage nach
dem Sinn deines Lebens wie von selbst. Im Ja zu dir selbst, im
Dasein für andere, in der Antwort auf Gott.
(Der
ist wie ein Mensch, der sein Haus auf felsigen Grund baut.)
Freitag,
6. Dezember 2002
Nikolaus
komm ins Haus
Das
Wochenende ist in Sicht. Haben sie schon sehr darauf gewartet? –
Wie die Kinder auf den Nikolaus? Längst werden nicht nur Schuhe und
Strümpfe mit Naschereien gefüllt. „Apfel, Nuss und Mandelkern,
Feigen, Datteln, Mandarinen – all das haben Kinder gern. Doch am
liebsten auf der Welt ist auch ihnen schon viel Geld.“
Darüber
kann man nun traurig oder froh sein, tiefsinnig die guten alten
Zeiten beschwören - dabei ertappe ich mich selbst immer öfter -
oder es einfach anders machen.
Vielleicht
wirklich einmal verweigern und die Jungen zum Gespräch darüber
einladen. Freilich - der Bischof Nikolaus von Myra wird häufig mit
drei Goldkugeln dargestellt. So erzählt die Legende, dass er drei
armen schlafenden Mädchen, die von ihrem Vater in ein Freudenhaus
verkauft werden sollten, diese goldenen Äpfel zugeworfen hat, um
sie vor ihrem Schicksal zu bewahren.
Geblieben
sind, wie sooft die goldenen Äpfel – verloren gegangen sind die
Barmherzigkeit, das Mitleid mit den Armen und Elenden, die es auch
bei uns zur Genüge gibt. Vielleicht sollten wir unsere goldenen Äpfel
heuer einmal ihnen zukommen lassen.
Samstag,
7. Dezember 2002
Bücher
fürs Leben
Einmal
noch einen Blick auf meinen Adventkalender. Die Sieben steht auf
einem Päckchen, das ganz oben an einem Weihnachtsbaum hängt. Ein
kleiner Eisbär klettert an einer Leiter gerade dorthin, während
die Eisbärmama besorgt nach oben sieht, ob dem Kleinen wohl nichts
passiert. Gleich hat er es geschafft – ein Buch wird sichtbar. Oje
–s ist nicht einmal ein Harry Potter Band. Das Lesen ist eine
beschwerliche Freizeitbeschäftigung für junge Menschen geworden.
Auch wenn Bücher mein Leben deutlich geprägt und verändert haben
Aber lässt sich das noch vermitteln?
Die
Informationen holen wir uns aus dem Internet. Dass es für die
Bildung des Herzens mehr braucht als eine unüberschaubare
Informationsflut, wissen nur mehr Eingeweihte. (Werden Lesen und Zuhören
je wieder modern oder haben sie ihre Zeit gehabt?)
Hoffnung machen
mir meine Schüler im Gymnasium. Freilich würden sie lieber einen
Film sehen vor Weihnachten. Aber sie sind vorweihnachtlich nett zu
mir und lassen mich vorlesen – und sieh da – sie entspannen
sich, werden ganz ruhig und hören die alten und neuen Geschichten
vom Leben, von der Liebe, vom Glauben. Es sind Mutmachgeschichten,
Adventgeschichten, Sinngeschichten. Das ist meine Art, mit dieser
Zeit umzugehen. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Advent.
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