Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Roland Trentinaglia,
aus Hörbranz in Vorarlberg

 

 

SONNTAG, 22.12.2002

„Irgendwo brennt für jeden ein Licht!“ Vielleicht haben Sie diesen uralten Schlager noch im Ohr. Und heute zünden wir die 4. Kerze am Adventkranz an. Das Licht spielt in diesen Tagen eine große Rolle. Irgendwo brennt für jeden ein Licht! Dies will zunächst besagen, dass es für jeden Menschen einen Menschen gibt, der ihm das schenkt, wofür das Licht ein Sinnbild ist: Wärme und Geborgenheit; Verstehen und Güte; Hilfe und Annahme. Ja, Menschen können füreinander Auch so etwas sein, wie Licht.

„Irgendwo brennt für jeden ein Licht!“ Das könnte auch bedeuten, dass es auf allen Wegen unseres Lebens Lichter gibt; Lichter der Hoffnung. Besonders dann, wenn die Dunkelheiten der Einsamkeit und der Krankheit über uns hereinbrechen. Auch in solchen Situationen von Schicksalsschlägen kann es geschehen, dass uns irgendwoher ein Licht aufstrahlt und in unsere Dunkelheit hineinleuchtet.

„Irgendwo brennt für jeden ein Licht!“, könnte heute, am 4. Adventsonntag, bedeuten, dass uns das bevorstehende Fest der Menschwerdung Jesu auch ein stückweit  Licht und Hoffnung bringen kann. Und das deshalb, weil wir von Gott ernst genommen werden.

Ich persönlich glaube, dass das bevorstehende Weihnachtsfest auch ausdrücken will: Ich Gott, will mit Dir, Mensch, das Leben teilen. Ich will Dein Lebensziel, Dein Halt, Deine Orientierung, Deine Lebenskraft und Deine Freude  und Deine Zukunft sein. Ich will Dir für Dein ganzes Leben Licht sein!“

 

 

MONTAG, 23.12.2002

Die Tiere diskutierten einmal miteinander über Weihnachten. Im Laufe der Diskussion begann ein Streit darüber, was wohl das Wichtigste an Weihnachten sei. „Na klar, Gänsebraten“, sagte der Fuchs. „Was wäre wohl Weihnachten ohne Gänsebraten?“ „Schnee, sehr viel Schnee!“, meinte der Eisbär. Und er schwärmte ganz verzückt von einer sogenannten „weißen Weihnacht“! Das Reh warf ein: „Ich brauche aber einen Tannenbaum, sonst kann ich nicht Weihnachten feiern!“ „Aber nicht so viele brennende Kerzen“, heulte die Eule auf! „Schön schummrig und gemütlich muss es sein!“ „Mein neues Kleid sollte aber von allen gesehen werden!“, sagte darauf der Pfau, ziemlich gekränkt. „Wenn ich kein neues Kleid bekomme, ist für mich nicht Weihnachten!“ „Aber vergiss vor lauter Kleid nicht was Süßes! Einen Stollen oder Kekse!“ brummte der Bär. „Ach komm“, warf der Dachs ein. „Pennen, pennen und nochmals pennen! Das ist das Wahre!“ „Und saufen“, ergänzte der Ochse. „Wieder einmal etwas zum Saufen!“ Kaum hatte er das aber gesagt, versetzte ihm der Esel einen mächtigen Huftritt! „Du Ochse, du! Und an das Jesuskind denkst du überhaupt nicht?“ Da senkte der Ochse beschämt den Kopf und sagte leise: „Ach ja, das Jesuskind. Das ist doch die Hauptsache! Du, Esel, sag einmal, wissen das die Menschen überhaupt noch?“

 

 

DIENSTAG, 24.12.2002

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir Lippen, die nicht verletzen und das letzte Wort gesprochen haben, sondern die trösten, bewundern, aufbauen und liebkosen.

 

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir Ohren für die feine Stimme des Gewissens und die oft ungesagten Worte der Mitmenschen.

 

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir Hände, die gern und ohne Absicht geben, die dankbar nehmen, die beten und Geborgenheit und Zärtlichkeit schenken.

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir Füße, die nicht treten und zerstören, sondern den Weg zum anderen finden.

 

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir einen Geist, der weit und offen ist, der andere nicht unterdrückt, demütigt und ausbeutet, der vielmehr in Ansätzen Gottes Größe und Liebe erfahren lässt.

 

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir ein Herz, das lieben, vertrauen und an einen gütigen Gott glauben kann.

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir ein Wesen, in dem viele Menschen zuhause sein können und das nicht müde wird, Liebe zu üben und Schuld zu vergeben.

 

Heut Abend ist Weihnacht:

Ich wünsche Dir das Licht der Weihnacht, nämlich die Erfahrung, dass Gott mit uns und in uns leben will.

 

 

MITTWOCH, 25.12.2002

Allen Zuhörerinnen und Zuhörern wünsche ich von Herzen einen gesegneten Weihnachtstag!

 

Wie ist es zu erklären, dass heute noch Weihnachten gefeiert wird, dass die Geburt eines Kindes vor fast 2000 Jahren in einem Winkel der Erde zum Inhalt eines Festes auf der ganzen Welt wird? Wie ist es zu erklären, dass Menschen, die behaupten, ihren Kinderglauben längst abgelegt zu haben, sich selbst widerlegen, wenn sie einen Christbaum schmücken, wenn sie Weihnachtlieder singen oder summen, wenn sie eine Art Heimweh bekommen, wenn sie ihre Härte durchbrechen, wenn sie sich bemühen, gut zu sein, sich vielleicht zu versöhnen oder Frieden zu schließen?

Man kann zunächst sagen, das sei eine bloße Äußerlichkeit und Weihnachten sei schon längst Sache der Wirtschaft geworden. Trotzdem: Man kann auch hinter die Kulissen sehen und da entdecken wir in uns selber eine Ursehnsucht nach Lieben und nach Geliebt – Werden; eine Sehnsucht nach einem befriedeten Leben.

Entschuldigung, woher das alles? Weihnachten zeigt auf, dass unser aller Leben um vieles größer ist, als es uns die bisweilen so beinharte Realität des Alltags weismachen will. Denn Weihnachten ist das Einfalltor Gottes in unsere Welt. In Jesus seinem Sohn, wird Gott Mensch, damit in uns selber die Hoffnung nach unserer eigenen Menschwerdung wachsen kann, eine Hoffnung, den Menschen zum Liebenden und zum Glaubenden macht.

 

 

DONNERSTAG, 26.12.2002

Der heilige Stefanus – ach ja – im sogenannten „kirchlichen Jargon“ wird er auch als „Erzmärtyrer“ bezeichnet. Er war von Beruf Diakon. Seine Aufgabe bestand also darin, sich um die Armen und Kranken zu kümmern. Er tat das mit großer Hingabe. Als überzeugter Anhänger der Botschaft Jesu hatte er es allerdings gegenüber einer total antichristlichen Gesellschaft gar nicht leicht. Mehr noch: er war den anderen ein Dorn im Auge. So war sein Leben geprägt von großen Auseinandersetzungen mit den Gegnern des Christentums. Das führte dazu, dass Stefanus – wegen seines Glaubens an Jesus Christus – gesteinigt wurde.

Heute wird bei uns niemand mehr wegen seiner Glaubensüberzeugung gesteinigt. Höchstens belächelt. Stefanus war ein mutiger Mann. Er stand voll zu Jesus Christus. Heute gehört auch Mut dazu, sich öffentlich zu Jesus zu bekennen. Ich denke da an junge Menschen, die sonntags auch noch in die Kirche gehen und sich in unseren Pfarrgemeinden engagieren: eine verschwindend kleine Zahl, zugegeben. Und vielfach werden sie von Kolleginnen und Kollegen belächelt. Oder ich denke an den Schüler der 3. Klasse Hauptschule, der mir voller Stolz am Dienstag, im Religionsunterricht, erzählte, dass er sonntags in der Kirche war. Und was bekam der Schüler von einem Klassenkollegen zu hören: „Was? Du warst in der Kirche? Bist du krank?“

 

Den heiligen Stefanus, den gibt es immer wieder, auch heute noch, mitten unter uns!

 

 

FREITAG, 27.12.2002

Schnell sind „Stille Nacht, heilige Nacht“ und „Oh du fröhliche“ verklungen. Irgendwie ist noch der Duft von Keksen und abgebrannten Sternspritzern in der Luft, zusammengeknülltes Weihnachtspapier liegt herum und das vor zwei Tagen geschenkte Spielzeug für das Kind ist inzwischen auch schon alt geworden. Manch einer von uns ist vielleicht sogar sehr froh darüber, dass Weihnachten vorbei ist. Immer diese Sentimentalität – nicht auszuhalten!

Was bleibt in unserem Alltag von Weihnachten, dem sogenannten „großen Fest der Liebe“ übrig? Die Erfahrung, zu viel gegessen und getrunken zu haben? Oder hat ein familiärer Streit alle vorgenommene Festfreude total überlagert? Vielleicht waren für manche von uns diese Tage wirklich Tage der Freude. Vielleicht sogar Tage der Freude über Gott und über seinen Sohn Jesus. Jesus, ein hebräisches Wort, heißt auf deutsch übersetzt: „Gott rettet.“ Ich denke, egal, wie nun der nachweihnachtliche Alltag Sie „wieder hat“, das ist es, was bleibt nämlich: Gott rettet! In uns Menschen lebt seit der Menschwerdung Jesu eine viel größere Hoffnung in unseren Herzen, eine Hoffnung und Kraft, die unseren Alltag erträglicher machen kann. Denn wenn wir Weihnachten so verstehen, dass Gott uns sagen will, dass er mit uns das Leben teilt, mit uns durch Dick und Dünn geht, dann können wir ruhig das Weihnachtspapier beiseite schaffen!

 

 

SAMSTAG, 28.12.2002

Das Fest der unschuldigen Kinder! So steht’s heute im Kalender. In Anlehnung an den Bericht in der Bibel, in dem es heißt, dass der König Herodes in Bethlehem alle männlichen Kinder bis zum zweiten Lebensjahr umbringen ließ, weil er nicht von seinem Königsthron verdrängt werden wollte.

Gott sei Dank gibt es heute keine solch brutalen Herrscher mehr! Und doch: Kinder kommen heute auch noch unter die Räder! Ich denke an die sexuell missbrauchten Kinder in Familien, ich denke an Kinder, die von Priestern missbraucht wurden und werden; ich denke an Kinder auf den pornografischen Seiten des Internets; ich denke an Kinder, die durch gewissenlose Dealer dem Rauschgift zugeführt werden; ich denke an Kinder, die um ihre Kindheit und Jugendzeit betrogen werden, weil Kinderarbeit ihr einziger Daseinszweck zu sein scheint. Ich denke an Kinder, die in unserer Gesellschaft nicht Kind sein dürfen, weil sie entweder von vorneherein abgetrieben werden oder schon so auf „Erwachsensein“ hin, getrimmt werden, dass ein „Kindsein“ schon gar nicht mehr möglich ist!

 

Unschuldige Kinder! Das gab’s nicht bloß einmal im Laufe unserer Menschheitsgeschichte. Unschuldige Kinder, die gibt es heute noch, und zwar überall dort, wo ein grausamer Machtanspruch von uns Erwachsenen das Kind beraubt: beraubt um das Gute und das Schöne, beraubt um eine Gotteserfahrung, beraubt ums wirkliche Menschsein!