Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

Pater Arno Jungreithmayr (Thalheim/Wels, OÖ)

 

Sonntag, 19. 1. 2003

Seht das Lamm Gottes

 

“Seht das Lamm Gottes” - so spricht Johannes über Jesus im Sonntagsevangelium. Es muss eine so außergewöhnliche Güte und Freundlichkeit von diesem Jesus ausgegangen sein, wenn er Lamm genannt wird oder, wenn sogar, wie am letzten Sonntag bei der Taufe Jesu geschildert, eine Taube, ein eher scheuer Vogel, sich auf seine Schultern setzt. - Ein neuer Maßstab kommt auf die Erde.

Dieser Jesus erklärte seinem Freundeskreis: auch ihr seid wie Schafe unter den Wölfen. Im Wirtschaftsleben gelten gewöhnlich andere Ziele: es gilt vielfach, ein Fuchs zu sein oder um seinen Löwenanteil zu kämpfen. Kinder werden oft dahingehend geformt, immer Siegertypen zu sein.

Das Evangelium hat diese ungewöhnliche Vision von der großen Schafherde: wenn jemandem so ein schutzloses Lamperl entgegenläuft, dann möchte man´s streicheln, beschützen, es erweckt Zutrauen. Niemand fürchtet sich.

In vorchristlicher Zeit sprach man noch davon, dass ein Löwe aus dem Stamm Juda als Messias kommen würde. - Nein, das Lamm ist sozusagen das Wappentier des Christentums.

Die sichere Nachricht des Neuen Testaments ist: Gott ist wie ein Lamm, das alles zu schenken bereit ist. Sein Wesen ist Geduld. Freuen wir uns, dass der Schöpfer der Welt, von dem unser Leben einmal beurteilt wird, einem vertrauenerweckenden Lamm gleicht.

Vielleicht können wir in diesem Sinn auch wieder bewusster und froher das Agnus Dei, das Lamm Gottes beten.

 

Montag, 20.1.2003

Gott, der Bräutigam

 

Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Ein anschauliches Bild aus dem Mund Jesu zum Thema, warum Christen zur Freude und Fröhlichkeit berufen sind. Nach einer Hochzeit pflegte ein Paar damals in Israel nicht zu verreisen, sondern blieb daheim und das Haus stand eine Woche lang allen Freunden offen, sodass ununterbrochen Frohsinn und Heiterkeit herrschten. (Diese Woche bildete die sorgloseste Zeit im arbeitsreichen Leben der meisten Menschen.) Jesus vergleicht seine Schar mit den geladenen Hochzeitsgästen. - (Wenn nun das Faschingstreiben wieder beginnt hat diese närrische Zeit wohl auch seine tieferliegende Ursache in der frohen Haltung, die Christen eigen ist, weil wir an Erlösung und an ein gutes Ziel glauben.)

Ein ungewöhnliches Gottesbild wird in diesem Jesuswort gezeichnet: Gott als Bräutigam. Dieses Bild kommt im Alten Testament des öfteren vor: das verliebte Turteln im Hohenlied wird auf das Verhältnis Gott-Mensch bezogen. Bei Jesaja lesen wir: wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich über dich dein Gott. Wie ein Mann sich an seine Frau bindet, so vermählt sich mit dir dein Erbauer! - Gott: meine Braut bzw. mein Bräutigam, das ist die prickelnde Vorstellung der Bibel über die göttlich-menschliche Beziehung. Von einer Braut, einem Bräutigam darf man erwarten, dass es täglich zu spannenden, beglückenden Begegnungen kommt. Der heutige Tag möge uns dies auch erleben lassen.

 

Dienstag, 21. 1. 2003

In ihm leben wir

 

Die meisten von uns stellen sich Gott wohl nach unserer menschlichen Art vor. Wie könnten wir auch anders.

Also, als eine Art Person, als ein großes Gegenüber, zu dem man DU sagen kann, wie Vater oder Mutter, wie Geliebte oder Freund.

Ganz anders Paulus in Athen. Da sagt er von Gott: “In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.” Das ist eher ein kosmisches Gottesbild, wir in ihm.

Da wird Gott gesehen wie der große, alles umfassende Mutterschoß, in dem wir Embryos schwimmen und wachsen und strampeln, ernährt durch Seine Nabelschnur, angeschlossen an Seinen göttlichen Kreislauf.

In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir wie in einem großen Ei, in dem wir bis zum Lebensende zu vollen Menschen ausreifen dürfen. Auch das ist nur ein Bild. Aber wie sollten wir sinnlichen Menschen anders als in Bildern versuchen, das große Geheimnis zu umkreisen, das wir Gott nennen.

Diese Bilder verdeutlichen uns, dass wir nicht gelenkt werden wie von einem Marionettenspieler, sondern Nahrung und Energie bekommen für eigene Entscheidungen und auch heute wieder ein Stück wachsen können, um dem Ziel, ganz Liebende zu werden, schrittweise näher zu kommen.  

 

Mittwoch, 22. 1. 2003

Mensch sein dürfen

 

“Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst; du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott!” So betete man schon Jahrhunderte vor Christus. Welch Privileg ist es doch, unter den Aberbilliarden Lebewesen ein Mensch sein zu können. Eigentlich müsste man sich einen ganzen Tag nur freuen über diesen Vorzug, dennoch vergeuden oder versäumen nicht wenige das kostbare Leben durch Verbitterung oder ständiges Sich Sorgen. Am meisten werde ich nachdenklich, wenn mir bewusst wird, dass wir niemals aufhören werden zu existieren. So wie das Weltall wohl unbegrenzt ist, wird unser Leben kein Ende haben. Der Gedanke daran soll nicht nervös machen, sondern eher manchen Ärger oder übermäßigen Kummer relativieren. Es gilt, sich stets an seine Größe und erhabene Berufung zu erinnern: wir dürfen Menschen sein, zusammen mit den anderen, die das gleiche Privileg haben; und das ist eigentlich Grund genug, das Leben als Fest zu verstehen und den Urheber dieses Privilegs, den Schöpfer zu feiern. “Du hast uns nur wenig geringer gemacht als Gott. Lass uns daher nicht kleinkariert über Kleinigkeiten nörgeln, lass uns vielmehr die Größe des Lebens bestaunen!”

 

Donnerstag, 23. 1. 2003

Engel und Mächte

 

Die Bibel spricht oft davon, dass ein Engel erschienen ist: auf der Jakobsleiter, im Feuerofen, bei der Verkündigung an Maria, im Traum des Josef, auf dem Hirtenfeld, am Ostermorgen. In Gestalt von himmlischen Mächten bricht das Geheimnis Gottes herein in unsere Welt. - Wir leben nicht mehr in biblischen Tagen. Zu uns kommt kein Engel. Wir müssen ohne Weisung und Trost von oben den Weg finden. Oder sind unsere Augen nicht sensibel genug, die Engel am Weg zu erkennen? Der Zuspruch aus Psalm 91 gilt doch immer noch. Seine Engel bietet Er auf für dich, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen! Jeder Mensch hat nach biblischer Überzeugung einen unsichtbaren Begleiter. Die Sicht von oben ist anders als unser Blickwinkel. Nach biblischer Sicht geht jeder Mensch mit seinem Engel durchs Leben. Engel sind eine Quelle der Inspiration. Ich wünsche uns die Sensibilität, um die innere Stimme, die Zeichen am Weg, das Geführtwerden durch diesen Tag auch wirklich wahrzunehmen. - Dietrich Bonhoeffer hat selbst in der Gefangenschaft während des 2.WK dies erfahren: Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag...

 

Freitag, 24. 1. 2003

Wie ein kniendes Kamel

 

“Nur ein kniendes Kamel kann man beladen!” So war einmal ein Artikel über das Gebet betitelt. Kamele haben eine unglaubliche Ausdauer und sind extrem belastbar. “Ich bin ein Kamel!” denkt man sich manchmal, wenn man sich dieses oder jenes aufladen lässt... “Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen!”, schreibt Paulus den Galatern. Um Lasten übernehmen zu können, braucht es - ähnlich wie beim Kamel - das In-die-Knie-Gehen. Während das Kamel körpereigene Reserven mobilisieren kann, haben wir aus einer anderen Quelle zu schöpfen, nämlich aus dem Kontakt nach oben. Mich bewegt immer wieder der Satz aus der Apostelgeschichte: als sie gebetet hatten, bebte die Erde. Es war ohne Zweifel die Erfahrung, dass ein vertrauensvolles Wort, zum Himmel gerichtet, eine Antwort zur Folge hat. Das kürzeste Gebet ist Abba, Vater. Oder einfach den Namen Jesu Christi auszusprechen in Erinnerung an den Römerbrief: Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet! Dieser Name ist mit Energie verbunden, die auch uns, die wir als Christen seinen Namen tragen, zur Verfügung steht.

 

Samstag, 25. 1. 2003

Das Wort vom Kreuz

 

“Das Wort vom Kreuz ist für uns Gottes Kraft und Gottes Weisheit!”- schreibt Paulus den Korinthern. Wenn ich einen Menschen oder Gegenstand mit dem Kreuzzeichen segne, stelle ich ihn unter die Herrschaft der heilenden Kräfte. Dabei ist das Kreuz nicht als solches, in seiner Äußerlichkeit wirksam (das wäre Aberglaube), sondern mein Glaube an die heilende und rettende Kraft Gottes.

Segnen kommt vom lat. signare, etwas signieren, mit einem Zeichen versehen. Ein Kind wird bei der Taufe mit dem Zeichen Christi gesegnet. Dies besagt: Du bist für immer mit dem guten Vorzeichen besiegelt, dass Gott dich überallhin begleitet.

Jesus empfiehlt: Segnet die, die euch nicht mögen! Freundschaft ist nicht mit jedem möglich, aber das Licht aus der Höhe auf den anderen zu lenken durch das Segnen, das ist ein guter Weg. Und überhaupt vielen, die uns begegnen, in Gedanken das Kreuz auf die Stirn zu zeichnen, würde gewiss manch Heilvolles bewirken.

Mit dem großen Kreuz, das wir über uns selbst schlagen, segnen wir die Gedanken, dann die Gefühle, die linke Seite als Bereich des Unbewussten, schließlich die rechte Seite, das Bewusstsein.

Gemäß der biblischen Aufforderung: Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn!