Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Rektor
Mag. Christian Stromberger (Bildungshaus St. Georgen/Längsee, Kärnten)
Sonntag, 16. Februar 2003
Der
Sonntag ist für viele Menschen eine Chance für die Erholung von
Leib und Seele und wohl auch deshalb so wichtig. Gerade der Winter lädt
uns ein, in diesem prächtigen
Umfeld die Schönheit der Natur zu erfahren. Einige werden den
heutige Tag nützen, indem Sie Schifahren, Eislaufen oder einfach
durch die Landschaft spazieren. Oft erzählen mir die Leute, dass
sie im Wald Ruhe und zu sich selber finden. Andere finden innere
Harmonie bei einem Lauf durch die Landschaft. Die alten Philosophen
haben dieses Ideal als ein Leben gemäß der Natur bezeichnet. Die
freie Natur wird so zu einem Raum, in dem wir zu uns selber kommen können,
die Natur als großer Meditationsraum, wo der Mensch sich selbst erfährt
und hie und da auch eine Gotteserfahrung macht. Denn wir müssen oft
angesichts der Schönheit der Schöpfung staunen und erahnen, dass
hinter dieser sichtbaren Welt ein unsichtbares Geheimnis steht.
Paulus hat in Athen über Gott, der uns umgibt gesagt: „In ihm
leben wir, in ihm bewegen wir uns und in ihm sind wir.“ An diesem
Sonntag wird das Wort Gottes in vielen Kirchen verkündet. Es gibt
aber auch noch das ungedruckte Wort Gottes, das es zu erfassen gilt.
Ein Glaubenslehrer erteilte den Rat: Vor dem Studium der Heiligen
Schriften solle man die Liebesbriefe lesen lernen, die Schnee, Wind
und Regen ihm schicken. Gehen wir heute durch diesen Tag und erspüren
wir die vielen Botschaften der Natur, die auch Botschaften Gottes
sind.
Montag, 17. Februar 2003
Ich
lebe in einem Ort, der wie viele andere in Österreich nach einem
sehr bekannten Heiligen benannt ist: St. Georgen. Der heilige Georg
hat auch vielen Kirchen seinen Namen gegeben. Georg war ein römischer
Soldat, der in der Christenverfolgung aufgrund seines Glaubens
grausam ums Leben gebracht wurde. Der heilige Georg wird in den
meisten Darstellungen als Ritter abgebildet, der reitend gegen einen
Drachen ankämpft und aus dieser Auseinandersetzung als Sieger
hervorgeht. Die Menschen wussten wohl auch immer um die Bedeutung
eines Drachenkampfes, denn der Drache ist ein Bild für das Böse,
das Dunkle und Schattenhafte in unserer Seele. Somit ist dieser
Georg ein Vorbild und Beispiel eines mutigen Menschen; er scheut
nicht die Auseinandersetzung. Auch wir brauchen Mut, das Dunkle in
uns zu erkennen; wir brauchen Mut, das Schattenhafte in uns zu verändern
und anzunehmen; wir brauchen Mut, uns von dem, was uns verschlingen
will, zu befreien. Mit großem Mut gilt es sich auch den Problemen
zu stellen, die heute auf uns zu kommen. Verändern wir, was veränderbar
ist, und nehmen wir an, was nicht mehr zu ändern ist und lernen wir
immer mehr das eine vom anderen zu unterscheiden.
Am
Morgen dieses Tages wünsche ich ihnen auch diesen Mut, die heutigen
Herausforderungen anzunehmen und gleichzeitig sich nicht von den
eigenen Grundsätzen abbringen zu lassen
Dienstag, 18. Februar 2003
Wenn
wir in einen neuen Tag hineingehen, da haben wir wohl auch so manche
Erwartungen. Einige Erwartungen und Pläne werden unsere Mitmenschen
betreffen: Vielleicht hoffen wir, dass die anderen uns keine
Probleme machen werden, ja, dass sie sogar einige unserer Probleme lösen
könnten; vielleicht erwarten wir, dass andere auch unsere Arbeit
erledigen oder dass ein gutes Auskommen möglich sein wird. Hie und
da wünschen wir uns, die oder den nicht unbedingt treffen zu müssen.
Es gibt ganz verschiedene Erwartungen an die Menschen, denen wir
heute begegnen werden. Es werden so manche Pläne und Vorstellungen
über den Verlauf des heutigen Tages sicher durchkreuzt werden.
Vieles, was die anderen betrifft, liegt eben nicht in unserer Hand.
Wie wir aber selber handeln, das liegt in unserer eigenen
Verantwortung, hier haben wir auch viele Möglichkeiten. Jesus hat
diese innere Haltung und Einstellung einmal sehr markant auf den
Punkt gebracht: „Alles, was ihr von den anderen erwartet, das tut
auch ihnen, darin besteht das Gesetz und die Propheten.“ Also ist
die Botschaft der Heiligen Schrift in dieser sogenannten Goldenen
Regel zusammengefasst: zunächst gilt es, mit den anderen so
umzugehen, wie wir es selber auch erwarten. Wenn wir heute
freundlichen Menschen begegnen wollen, dann wollen wir zunächst
selber diese Freundlichkeit an den Tag legen, auch dann, wenn sich
der andere nicht von unserer Freundlichkeit anstecken lässt. Doch
glaube ich, dass sich unsere Umwelt durch unser Handeln verändert;
wir können die Wirklichkeit mitgestalten. Eine Einladung zu einem
Experiment: „Alles, was ihr von den anderen erwartet, das tut auch
ihnen!
Mittwoch, 19. Februar 2003
Bei
einem Bekannten habe ich auf der Bank hinter dem Tisch einen Polster
gesehen mit der Aufschrift: Mei Ruah will i habn. Hier wird eine
Einladung ausgesprochen, im Laufe des Tages innezuhalten und auf
diesem Kopfkissen Kraft zu schöpfen. Jeder Tag hat so seine eigene
Plage und es erhebt sich die Frage, wo finde ich in meinem Alltag
solche Orte der Ruhe. Wir suchen als Menschen einen Weg zwischen
Anspannung und Entspannung und viele sind dauerhaft einer oft allzu
großen Anspannung ausgesetzt, die sich letztlich auch auf ihre
Gesundheit auswirkt. Es gehört für mich auch zur täglichen
Lebensqualität dazu, kurze Zeiten für mich zu reservieren, wo es möglich
ist, über das Getane und auch mein Verhalten nachzudenken. Von
Jesus wird berichtet: „In aller Frühe, als es noch dunkel war,
stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten“. Hier
wird ein Lebensmodell vorgestellt: der Versuch, nicht mit Hektik und
unter Zeitdruck in den neuen Tag hinein zu fallen, sondern besonders
in den Morgen des Tages eine kurze Zeit der Stille zu planen, um
auch unsere Vorhaben klar vor Augen zu haben. Vielleicht den Tag
auch mit einem Wunsch, mit einem Dialog mit Gott, mit unserer
inneren Kraft zu beginnen.
Donnerstag, 20. Februar 2003
Am
Beginn eines Tages kann ich mir auch die Frage stellen, wie weit ich
heute meine Sprache, meine Worte so wähle, dass ich damit eine gute
Wirkung verbreite und mich nicht an so manchen Unheil beteilige, wie
eine kleine Geschichte über die Entstehung von Gerüchten erzählt.
Diese Art von Gerede gehört ja zu unserem Alltag und hat oft
schwerwiegende Wirkungen. Ein Schüler konnte es kaum erwarten,
seinem Meister das Gerücht zu erzählen, das er auf dem Markt gehört
hatte „Warte einen Augenblick“, sagte der Meister.
„Was
du uns da erzählen willst, ist es auch wahr?“
„Das
glaube ich nicht.“
„Ist
es nützlich?“
„Nein,
das ist es nicht.“
„Ist
es witzig?“
„Nein.“
„Warum
sollten wir es dann erfahren?“
Ich
meine, dass dies eine gute Beurteilung darstellt, wenn etwas nicht
einmal witzig ist, was sollte uns an so manchen Themen
interessieren?
Oft
ist das Weitererzählen nicht so schlimm, wenn wir nicht noch
Verbesserungen daran vornehmen würden. Besonders in sehr hitzigen
Gesprächen, wo wir schon zu einer verletzenden Antwort ansetzen möchten,
ist es angebracht, einige Augenblicke zu warten und dann erst zu
sprechen. Auch das Schweigen ist eine Möglichkeit einen Raum des überlegten
Redens zu ermöglichen. Bedenken wir, als aufmerksame Zuhörer ist
es nützlich, wahrzunehmen, was der andere nicht sagt oder was er
eigentlich zwischen seinen Sätzen ausdrücken möchte.
Freitag, 21. Februar 2003
In
dieser Zeit des Faschings maskieren sich viele Mitmenschen und
ergreifen die Chance, in andere Rollen zu schlüpfen. Hie und da
macht es wohl Spaß, sich in andere Personen und Berufe
hineinzuversetzen. Nach der Demaskierung hat uns der Alltag wieder.
Doch wenn wir unseren Alltag hinterfragen, wird so manche Maske
weiterhin getragen. Manchmal setzen wir eine sehr freundliche Maske
auf und sind innerlich ganz anders gestimmt. Unser Ausdruck stimmt
mit der inneren Einstellung nicht zusammen. Wir sind dann nicht
authentisch und nicht glaubwürdig. Bei einigen Menschen trifft die
Beschreibung zu: „Was du bist, schreit lauter als was du sagst.“
Gerade in den Gesprächen mit den Leuten in der Mitte ihres Lebens
wird ersichtlich, dass es auch einen lebenslangen Fasching geben
kann, wo sich so manche schmerzhaft bewusst werden, dass sie im
falschen Zug sitzen. Es wird ihnen bewusst, dass ihre Berufswahl
oder auch ihre Partnerschaft sie in eine Rolle gezwungen haben, die
nicht ihrem Wesen entspricht. Häufig ist eine Überforderung die
Folge, da man nicht mehr die Situation ertragen kann, da vieles zu
anstrengend wird. Eine innere Unruhe tut sich auf, die manchmal mit
Beschäftigung und mit starken Getränken betäubt wird. Der Mensch
will scheinbar in der Mitte seines Lebens wesentlicher werden; erst
hier findet so mancher seinen eigenen Weg oder er findet keinen Weg
mehr. Der Weg des Lebens ist ein Lernen und ein Sammeln von
Erfahrungen; es gibt auch Modelle von bewährten Wegen, die schon
viele gegangen sind. Jesus sagt von sich: Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben. Der eigene Lebensweg hängt mit der Wahrheit
des eigenen Lebens zusammen, wo man sich nichts vormachen will und
sich nicht selbst belügt. Dann erst beginnt die Fülle des Lebens,
von der unser Glaube spricht.
Samstag, 22. Februar 2003
Vom
weisen Sokrates erzählt man, dass er öfters auf den Marktplatz
ging, um sich anzuschauen, was er nicht brauche. Er hatte eben eine
Freude daran, in seiner Art von Bescheidenheit, viele Dinge nicht
brauchen zu müssen. Das war für ihn kein Verzicht, sondern auch
eine Lebenserfahrung, da er wie viele andere erkannte, dass der
eigene glückliche Zustand nicht unbedingt mit dem Besitz zusammenhängt.
Mir ist schon klar, dass zu wenig an Besitz, zu wenig an
Lebensnotwendigen kein wünschenswerter Zustand ist. Doch ist diese
Gefahr bei vielen unseren Zeitgenossen wohl nicht gegeben. Es
scheitert bei ihnen nicht an den Annehmlichkeiten des Lebens und
trotzdem scheinen sie nicht glücklich zu sein. Die Zufriedenheit
vieler Menschen ist nicht gegeben, obwohl sie mehr als genug haben.
Womit mag das wohl zusammenhängen? Sokrates hätte wahrscheinlich
gesagt, dass sie zu wenig nachdenken. Wer denkt, der dankt nämlich.
Das Leben braucht auch ein Nachdenken, wo wir zur Einsicht kommen,
wie viel nicht selbstverständlich ist und worin wir eigentlich sehr
beschenkte Menschen sind. Die Intensität unseres Wahrnehmens ist
auch für die Zufriedenheit ausschlaggebend. Es kann nämlich ein
sehr einfacher Lebensstil den Menschen eine tiefe Zufriedenheit
vermitteln, die richtige Dosis entscheidet über Heilmittel oder
Gift für den Menschen. Vielleicht denken wir bei dem Weg- oder
Loslassen, dass uns etwas entgehen könnte, doch ist es
wahrscheinlich umgekehrt: Vieles bekommt einen neuen Wert und wird
zu einem Genuss und nicht zum Überdruss! Besonders die christliche
Tradition hat diesen Zusammenhang in ihren Lehren aufgenommen:
Selbsteinschränkung kann dem Leben eine neue Qualität geben und
verhindert eine Konsumeinstellung, die nur eine kurze Freude bringt.
Dieser Samstag könnte ein Tag sein, wo wir auch diese Erfahrung
machen können, von woher und durch was wir eigentlich leben. So könnte
dieser Tag mit einer Dankbarkeit für die sogenannten vielzitierten
kleinen Dinge verbracht werden, die wir aber oft erst entdecken und
schätzen müssen.
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