Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

Pater Dr. Karl Josef Wallner OCist, Stift Heiligenkreuz, NÖ

 

 

Sonntag, 9. März 2003

Liebe als Herausforderung

 

In der Fastenzeit machen wir halt wieder verschiedene Vorsätze. Entscheidend ist aber, dass wir in der Liebe wachsen. Die wahre Liebe ist eine Herausforderung. Mir ist das vor 15 Jahren bewusst geworden, als ich Mutter Teresa in Wien begegnet bin. Damals habe ich sie von ihrem Kloster in Wien abgeholt zu uns ins Stift Heiligenkreuz. Die Schwestern hatten gerade den Sandlern das Essen gegeben und waren abfahrtsbereit, als noch ein Obdachloser – viel zu spät – hereingekommen ist. Also, Mutter Teresa hat ihn seelenruhig bedient.

Wir glauben immer, dass wir Gutes zurückbekommen müssen, wenn wir Gutes tun. Als dieser Sandler fertig war, ist er aufgestanden und hat Mutter Teresa angespuckt. Warum weiß ich nicht! So ist das Leben! Was Mutter Teresa dann gemacht hat, werde ich mein Leben lang nicht vergessen: Sie hat sich vor ihn hingestellt, ihn mit ihren großen Augen angeschaut, und diesen unsympathischen Typen dann einfach liebevoll im Gesicht getätschelt. So als wollte sie sich bedanken. Das ist es, was Jesus meint, wenn er sagt: „Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten!“

 

Montag, 10. März 2003

Mutter Teresa betet für mich

 

Mutter Teresa von Kalkutta war sicher einer der ungewöhnlichsten Menschen. Für mich ist dieser Tage ein kleines Jubiläum: Am 15. März 1988 war Mutter Teresa zu Besuch bei uns im Stift Heiligenkreuz und ich durfte sie damals mit dem Auto abholen. Wie ich vor ihr gestanden bin, war ich betroffen, denn ich bin 1,92 groß, und die kleine gebückte Ordensfrau reichte mir gerade bis zum Nabel. Eine kleine Frau mit einem riesengroßen Herzen!

Als ich sie damals vor 15 Jahren mit dem Auto nach Wien zurückgebracht habe, verabschiedete sie sich von mir mit den Worten: „Bleiben Sie treu, ich werde für sie beten!“ Mutter Teresa ist 1997 gestorben. Der Papst wird sie heuer im Herbst, nach nur 5 Jahren, selig sprechen. Da hat also vor 15 Jahren eine Heilige zu mir gesagt: „Ich werde für sie beten!“ Diese Hilfe habe ich schon die ganzen letzten Priesterjahre gespürt. Die Heiligen halten ja ihre Versprechen und sind unsere Schutzpatrone. Jeder von uns hat seinen Namenspatron, für jeden gibt es Helfer im Himmel, die für uns beten.

 

Dienstag, 11. März 2003

Die äußere Schönheit

 

In der Bibel heißt es: „Der Mensch sieht auf das Äußere, Gott aber schaut auf das Herz!“ Im September wird der Papst die kleine Ordensfrau Mutter Teresa von Kalkutta selig sprechen. Demnächst feiere ich meinen 40. Geburtstag, und irgendwie merke ich, dass die Haare weniger werden, der Bauch wächst usw. Klar: Das äußere vergeht. Für mich sind viele Stars eine Abschreckung, da geht es nur mehr um die Figur und das Aussehen. Von manchen bewunderten Größen gilt: außen hui und innen pfui. Ich fürchte, dass einige von denen recht unglücklich sind.

Als ich vor 15 Jahren der kleinen Mutter Teresa gegenübergestanden bin, habe ich mir gedacht: dass auf ein Gesicht so viele Falten passen! Und groß war sie ja auch nicht, diese Heilige der Nächstenliebe. Aber darauf kommt’s nicht an! Äußerlich war sie ein altes Weiblein, aber aus ihrem Inneren strahlte die Schönheit der Liebe. Mutter Teresa war für mich der schönste Mensch, dem ich je begegnet bin. Und ich würde mir wünschen, dass wir in dieser Fastenzeit viel mehr Wert auf diese innere Schönheit legen.

 

Mittwoch, 12. März 2003

Für Gott arbeiten

 

Viele guten Dinge bleiben auf Erde ohne Lohn. Das war damals vor 15 Jahren eine ziemliche Aufregung, als Mutter Teresa unser Stift Heiligenkreuz besuchte. Die Nobelpreisträgerin war berühmt, beliebt und populär. Ich hatte die ganze Organisation über, Plakate, Pressearbeit, Einladungen, Telefonat. Und es strömten 1000 Jugendliche zusammen; Mutter Teresa hielt eine ergreifende Ansprache. Eine gelungene tolle Sache! – Aber nachher kam für mich die Enttäuschung?! Es gab viele Fotos von Mutter Teresa, - einige Fotos kamen auch in die Zeitung. Aber es gab kein einziges gutes Foto von mir mit Mutter Teresa. Das hat meine Freude und meinen Stolz schon angeknackst: ich hatte die ganze Arbeit, andere aber hatten die schönen Erinnerungsfotos!

Ich gestehe: Solche Gedanken sind unchristlich und dumm! Es passiert ja jedem von uns andauernd, dass er nicht entsprechend gewürdigt wird. Ehrlich gesagt, kommen wir im Leben immer zu kurz. Aber menschliche Anerkennung vergeht. Das Ziel unseres Arbeitens sollte ein ganz anderes sein. Jesus sagt: „Euer Lohn im Himmel wird groß sein!“

 

Donnerstag, 13. März 2003

Der Rosenkranz

 

Das Gebet ist eine geistige Kraft, eine Energie, die die Welt verändern kann. Jesus sagt: „Bittet, und euch wird gegeben; klopft an, und euch wird aufgetan!“ Oft beten wir freilich nur für uns selber. Ich denke, dass wir beim Beten aber auch ein großes Herz für die anderen brauchen, ja für die ganze Welt.

Mutter Teresa, die heuer seliggesprochen wird, hat uns das vorgelebt. Sie hat den Rosenkranz nie aus der Hand gelegt. Der Rosenkranz ist ja ein einfaches Gebet, das nur aus der Wiederholung von „Vater unser“ und „Gegrüßet seist Du Maria“ besteht. Aber er ist machtvoll. 1988 durfte ich Mutter Teresa mit dem Auto chauffieren. Kaum war sie eingestiegen, hatte sie schon den Rosenkranz in der Hand und begann zu beten. Sie hat auch gesagt hat, wofür sie beten will: „Für Russland, für Albanien, für Mister Gorbatschow...“ Ein Jahr später, 1989, war dann die große Wende im Osten. Der Eiserne Vorhang fiel, heute wächst Europa zusammen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Gebet unsere Welt zum besseren verändern kann.

 

Freitag, 14. März 2003

Engel und Heilige

 

Es gibt Mächte und Kräfte außerhalb dieser Welt, die uns beschützen. Das sind die Heiligen und Engel. Jeder von uns hat einen Namenspatron, der vor Gott für uns bittet. Jeder von uns hat einen Schutzengel, dem wir am Herzen liegen. Vor 5 Jahren ist Mutter Teresa von Kalkutta gestorben, heuer im Herbst wird der Papst sie selig sprechen. Das heißt: Nach ausführlicher Prüfung ist die Kirche zur Überzeugung gekommen, dass diese Frau eine Heilige war. Auf ihre Fürbitte hin ist inzwischen auch bereits mehrere wunderbare Heilungen erfolgt. Seligsprechung heißt: Wir können überzeugt davon sein, dass sie wirklich bei Gott ist und für uns Fürbitte hält.

Unvergesslich wird mir sein, als ich vor 15 Jahren abends Mutter Teresa im Auto von Heiligenkreuz nach Wien zu führen. Von der Wienerwaldautobahn A 21 hat man ja einen herrlichen Blick auf Wien: Damals lag das nächtliche Wien wie ein helles Lichtermeer zu unseren Füßen. Neben mir auf dem Beifahrersitz Mutter Teresa, die den Rosenkranz in der Hand hielt und betete. So durfte ich irgendwie hautnah erfahren, was es heißt, dass die Heiligen für uns auf Erden beten.

 

Samstag, 15. März 2003

Bescheidenheit

 

Gläubige Menschen sind meistens humorvoll. Wenn jemand verbissen und fanatisch ist, stimmt etwas nicht mit seiner Gottesbeziehung. Mit Mutter Teresa habe ich folgende Anekdote selbst erlebt. Als dieser Engel der Nächstenliebe 1988 bei uns zu Besuch war, war ein riesiges Gedränge um die Nobelpreisträgerin, Hunderte wollten sie berühren. Ich spielte eine Art Bodyguard und hatte die Aufgabe, sie nach Wien zurückzubringen. Es gelang mir, Mutter Teresa in das bereitstehende Auto zu bugsieren. Rund um das Auto drängten sich Menschenmassen an die Fensterscheiben, um die berühmte Frau zu sehen. Ich saß am Steuer und plötzlich wurde mir bewusst: neben mir sitzt Mutter Teresa! Und ich sagte etwas verlegen: „Heute ist der 15. März, das ist das Fest des heiligen Klemens Maria Hofbauer. Er der Patron von Wien.“ Da schaute mich Mutter Teresa an, lächelte schelmisch und sagte: „Ach so, jetzt verstehe ich, warum hier so viele junge Leute in der Kirche waren...“ – Kaum hatte sie’s gesprochen, zückte sie den Rosenkranz und begann mit ihren Schwestern im Auto zu beten. Also wenn das nicht humorvolle Bescheidenheit ist.