Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

von Pfarrer Hans-Peter Premur
(Krumpendorf, Kärnten)

 

Sonntag, 11. Mai 2003

Heute ist Muttertag. Mit diesem Satz begrüße ich sie frühmorgens an einem Tag, der noch für viele tiefe Gefühle verantwortlich sein wird. Sicher sind es Gefühle der Dankbarkeit, die heute noch in uns aufkommen werden, immer dann wenn wir realisieren, wem wir unser Leben verdanken, tritt die Geisteshaltung der Dankbarkeit in unser Herz. Dankbarkeit erzeugt Harmonie, wer dankbar ist, der ist im Guten, der ist versöhnt mit allem. Vielleicht beschleicht sie heute aber auch das Gefühl der Ohnmacht oder der Schuld. Denn an einem Tag, der so im Licht steht wie der heutige, ist auch immer gleichzeitig viel Schatten da. Was alles in meinem Leben ist nicht gelungen? Wo sind Brüche, ja Frakturen da oder eben nur lose Enden der Beziehungsschnur?

 

Heute ist Muttertag und ich empfehle ihnen, den Tag entspannt und ohne allzu große Erwartungen zu beginnen. Es soll ein Tag des echten Gefühles sein und nicht einer, der in die oberflächliche Muttertagsmaschinerie hineingezwängt wird. Ein Tag, an dem wir uns offen ehrlich und auch versöhnungsbereit tief in unsere Augen schauen können. Ein Tag, der uns an das Leben selbst erinnert. Das Leben, das uns durch unsere Mütter gegeben wurde, das Leben, das uns durch die Mutter Natur geschenkt wird, kann uns mit tiefer Dankbarkeit erfüllen und uns die Augen öffnen für die mütterliche Seite Gottes selbst.

 

 

Montag, 12. Mai 2003

Ich habe für diese Tage einen Leitfaden für sie. Ich möchte in der großen Schatzkiste der christlichen Tradition kramen und sie mit ein paar Gedanken überraschen, die man in die Reihe von „Wiederentdeckungen“ stellen kann. Impulse aus dem Bereich der Spiritualität, die den Alltag durchstrahlen. Ich möchte also mit Ihnen über Spiritualität in Verbindung mit dem Alltag sprechen.

 

Eine solche Wiederentdeckung ist für mich das Wort: Gesegnete Mahlzeit! Die tiefere Bedeutung dieses Zurufes ging mir auf folgende Weise auf. Ich habe vor einigen Jahren Verantwortung in einem Bildungshaus wahrgenommen. Dabei fiel mir sofort auf, dass man sich zu Mittag mit dem Zuruf „Mahlzeit“ grüßte, aber nicht nur das, auch beim Mittagstisch wiederholte man diese Worte noch mehrere Male. Ich schaute dann im Wörterbuch der Gebrüder Grimm nach, was da über das Wort Mahlzeit zu lesen war. Am Ende meiner Nachforschungen fand ich jedoch heraus, dass das bloße Wort Mahlzeit – und sei auch noch so viel Gefühl dabei – eine Degenerationsform ist. Wir haben uns damals im Bildungshaus und im Restaurant mutig daran gemacht, das sinnvollere und auch spirituellere Wort „Gesegnete Mahlzeit“ einzuführen. Von den Serviererinnen bis zur Chefetage nahmen wir uns vor, diesen Wunsch vor dem Essen einander ganz bewusst zuzusprechen. Wie ein kurzes Tischgebet etwa. Dabei haben wir einige Überraschungen erlebt. Versuchen Sie es doch auch einmal. Ich wünsche Ihnen heute eine gesegnete Mahlzeit.

 

 

Dienstag, 13. Mai 2003

Jetzt im Mai sind wir alle von der Gewalt der erwachenden Natur bewegt. Das Osterfest ist vorüber und wir gehen auf Pfingsten zu. Für viele ist dies die schönste Zeit im Jahr. Es ist jetzt genau die Zeit in der die Schöpfung – die Natur – uns in besondere Stimmungen versetzen kann. Manchmal sind es regelrecht spirituelle Erfahrungen. Haben sie, liebe Zuhörer schon einmal beim Spazieren gehen daran gedacht, sich einfach einmal unter einem großen Baum hinzusetzen und inne zu halten oder zu beten? – Sie finden dies vielleicht abwegig aber für viele große Menschen in der Geschichte war der Baum als ein besonderer Platz, als spiritueller Ort außerordentlich wichtig. Gautama Siddharta zum Beispiel meditierte viele viele Tage unter einem Baum in Indien bevor er dort zum Buddha, zum Erleuchteten wurde. Im Alten Testament finden wir immer wieder außerordentliche Begegnungen, die unter Bäumen stattfinden. Engel treffen auf Menschen und Gott gibt sich dort mehrmals zu erkennen. In den Evangelien ist es der Apostel Nathanael, der unter einem Feigenbaum eine Gotteserfahrung macht. Und als Jesus selbst betete war er oft allein - und ich wette - sicher auch unter einem Baum, nicht erst nur am Ölberg.

 

Deshalb habe ich das Sitzen unter Bäumen für mich als eine spirituelle Praxis wiederentdeckt, die mitten im Alltag mich in die Nähe Gottes und seiner großen Heiligen bringt. Gerade jetzt wäre die Zeit, die Schöpfung miteinzubinden in die eigene Gebetswelt. Nutzen wir die Chance unter Bäumen zu sitzen, nachzudenken, zu meditieren, zu beten.

 

 

Mittwoch, 14. Mai 2003

Liebe Hörerinnen und Hörer. Sie werden heute sicher noch oft bei ihrem Vornamen gerufen. – Vielleicht ist dies sogar schon geschehen! Mir ist es ein Anliegen, diesen Gedanken am Morgen aus der Schatzkiste der christlichen Spiritualität hilfreicher Impulse für den Alltag herauszusuchen. Deshalb möchte ich Sie heute an Ihren Namen und an seine Bedeutung erinnern.

 

Vor einigen Jahren hatte ich als junger Theologe die Gelegenheit, eine ganze Woche mit Hans Urs von Balthasar, dem großen Lehrer der Kirche zu verbringen. Er machte mich auf meinen Namen aufmerksam, und dass ich sowohl den Apostel Johannes als auch Petrus als meine Namenspatrone habe. Sein damaliger Rat war: Ich sollte mich bemühen, der Bindestrich zwischen den beiden Aposteln zu sein, eine Balance zwischen Mystik und Amt. Ich habe danach meine Eltern gefragt wie es zu meinem Namen gekommen ist. Das Gespräch, das sich daraufhin entwickelte war für mich höchst aufschlussreich und ich erfuhr einiges neues dabei.

 

Der Name eines Menschen ist ein besonderes Merkmal. Sofort reagiert man wenn man gerufen wird und man identifiziert sich mit dem eigenen Namen. Kann unser Name aber auch, wie vorher angedeutet, eine lebensleitende Bedeutung haben? Steckt im Namen so etwas wie ein spirituell-genetisches Muster, das uns prägen kann und möchte?

 

Liebe Hörer, Sie werden heute sicher noch öfter bei Ihrem Namen gerufen werden. Nehmen sie dies doch als Anlass, über die tiefere Bedeutung ihres Lebens, ihres Auftrags in dieser Welt und über sich selber nachzudenken.

 

 

Donnerstag, 15. Mai 2003

Haben sie heute Nacht geträumt? So frage ich, obwohl ich weiß, dass es eine rhetorische Frage ist da Sie sich mit mir nicht unterhalten können. Träume zu haben ist nicht immer leicht und sich an sie erinnern zu können noch schwerer. Und dann erst mit jemandem darüber sprechen. Doch vielleicht gibt es Menschen, mit denen Sie über ihre Träume reden. Zwei Freunde von mir erzählen sich regelmäßig ihre Träume. Wenn es sein muss auch am Telefon. Diese beiden machen das schon viele Jahre. Dadurch ist nicht nur die Freundschaft eine tiefere geworden, sonder auch das miteinander Reden. Manchmal haben sie die Botschaften dieser Träume so besser verstanden durch das Gespräch. Denn Träume sind auf verschiedenen Ebenen bedeutungsvoll und können sogar Auslöser, spirituelle Impulse, für unser Alltagsleben sein.

 

Im Neuen Testament wird uns zum Beispiel der Hl. Josef als großer Träumer vorgestellt. Die Bibel erzählt uns, dass er im Traum Erscheinungen von Engeln hat. Wegen seiner Fähigkeit, auf diese Botschaften zu hören und den tieferen Sinn seiner Träume in die Realität umzusetzen, ist viel Gutes geschehen. Liebe Zuhörer, ich möchte heute ihre Aufmerksamkeit auf die Welt ihrer Träume richten. Horchen wir doch öfter in diese Seite unserer Seele hinein und haben wir den Mut, mit guten Freunden über unsere Traumerfahrungen zu sprechen. Dadurch vertieft sich nicht nur die Freundschaft, sondern es kann dadurch viel Gutes in Bewegung kommen.

 

 

Freitag, 16. Mai 2003

Haben Sie heute schon das Läuten der Kirchturmglocken gehört? Ich finde dieses schwingende Tönen so bewegend und bin froh, in einem Land zu leben wo das Glockenläuten zum Alltagsleben gehört. Jedes mal, wenn ich dieses Läuten höre, erfüllt mich eine besondere Stimmung. Vielleicht geht dies von den Vibrationen des gegossenen Metalls direkt in mein Gefühl über. Es ist dann so, dass ich inne halte und diesen Moment genieße. Ja, es sind besondere Augenblicke, an denen dieses Läuten zu hören ist. An den Eckpunkten des Tages, morgens, mittags und abends – so als ob die Glocken mit dem Lauf der Sonne gemeinsam ertönen.

 

Glocken wecken auf – sie laden ein zur täglichen Bejahung des Lebens, rufen Menschen zusammen und Glocken bringen Gemüter in Hochstimmung. Manchmal rufen Glocken auch zur öffentlichen Trauer auf. Das Glockenläuten zu Pfingsten aber oder an einem anderen hohen Festtag ist eine besondere Schwingungserfahrung die sich über viele Menschen legt. Es ist so, als ob sich in diesem Moment, wenn die Glocken ertönen, der Geist besonders in der Lage ist, sich Gott zuzuwenden. Nutzen wir diese Momente des Tages, wo der schwingende, erhabende Laut des Glockengeläutes uns mitten im Alltag erreicht, uns inne halten lässt und uns in die Gegenwart Gottes hineinläutet.

 

Samstag, 17. Mai 2003

In dieser Woche habe ich für sie einfache Impulse aus der spirituellen Schatzkiste des Christentums ausgesucht. Dinge, die uns täglich widerfahren, die uns aber symbolisch richtig verstanden mitten im Alltag in die Nähe Gottes bringen. Wie etwa das Läuten der Kirchturmglocken oder das Miteinander Sprechen über einen besonderen Traum oder aber das betroffen Sein von der Bedeutung des eigenen Namens. Es kann uns auch die Natur eine große Hilfe sein auf unserem spirituellen Weg, sie lädt uns ein, zu verweilen, unter einem Baum zu sitzen ...

 

Gerade jetzt im Mai wo vieles voller Wonne ist und sich auch in uns die Lebendigkeit regt, feiern wir Menschen gerne und es ist gar nichts Unmoralisches daran, mit Menschen, die man gern hat, einmal so richtig zu feiern. Das haben viele große Heilige und sogar Jesus Christus selbst oft getan. Dort wo Lebensfreude ist, mit dabei zu sein und mitzutun gehört auch zum spirituellen Weg. Denn es ist gerade die Freude ein wesentliches Merkmal, das man religiösen Menschen anmerken sollte. Sich freuen können und anderen eine Freude bereiten, ist die Herausforderung eines erfüllten Lebens.

 

Ich möchte sie heute in meiner letzten Morgenbetrachtung zum Feiern einladen. Nehmen sie sich wieder einmal vor, anständig zu feiern. Das kann auch alleine sein, an besonderen Momenten des Tages, der Nacht oder feiern sie mit Freunden, auch wenn der Anlass nur der ist, dass man eben Freunde hat. Lassen sie sich aber auch zu den großen Feiern der Kirche einladen, wo der Mensch aus seiner kleineren Welt in die große Gemeinde hineingetaucht wird.

 

Das Feiern brauchen wir Menschen, und die Welt braucht Menschen, die feiern können.