Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Dechant
Mag. Richard Schwarzenauer, Salzburg-Gnigl
„Tugenden
eines modernen Christen“
Sonntag,
25. Mai 2003
Politisch
Manche
sind überzeugt, dass die Kirche sich ganz aus der Politik
heraushalten soll. Andere meinen, dass die Katholiken ohnehin
politisch wie weItanschaulich konservativ dächten usw.
Für
mich waren solche Klischees immer schon sehr falsch. Ich fühlte
mich oft fast geschmeichelt, wenn ich der "rote Pfarrer"
genannt wurde.
Nicht,
weil ich immer "rot gewählt hätte, sondern weil ich mich so
jeweils neu entscheiden konnte, welche Partei meinen christlichen
Grundsätzen jetzt und jetzt mehr gerecht zu werden, versprach.
Was
ich aus Glaubensgründen sicher ablehne, ist, das politische Leben
und die öffentliche Meinung anderen zu überlassen. Als Christ fühle
ich mich zutiefst mitverantwortlich für die politische Landschaft
in Österreich.
So
verstehe ich auch den heutigen Tagesheiligen , Papst Gregor VII. Er
hat sich - vor ca. 1000 Jahren - energisch angelegt mit dem jungen
deutschen König Heinrich IV, der nach eigenem Gutdünken Bischöfe
ein- und abgesetzt hat. So - sagte der Papst - durfte die
christliche Überzeugung nicht verwildert werden. Er hat den König
in den Kirchenbann getan, was zu dessen "Canossagang" führte.
Heimgekommen
schlug Heinrich aber bald zurück, belagerte Rom und trieb den Papst
in die Verbannung, wo dieser schließlich starb.
Doch
zu schweigen, wäre für Papst Gregor nie in Frage gekommen, auch
als es diesen hohen Preis gekostet hat.
Heute
kann man natürlich fragen, ob dieses Vorgehen auch das klügste
war. Klar bleibt trotzdem, dass unpolitisch sein, wo es um
Grundwerte der Kultur und des Glaubens geht, nicht in Frage kommen
kann. Auch heute nicht.
Montag,
26. Mai 2003
Gelassen
Er
wurde bald der "lachende Heilige" genannt: Ich rede vom
Hl. .Philipp Neri. Dabei waren die Zeiten in Rom, wo er um 1500
Priester war, nicht zum Lachen: Philipp Neri hat 15 Päpste kommen
und sterben sehen - sie waren oft alles eher als Glaubens-Vorbilder.
Die
Wirren der Reformation durch Luther hatten ganz Europa in 2 Lager
gespalten. Viele einflussreiche Christen waren persönlich fromm,
taten selbst aber wenig für die Verwirklichung des Glaubens im öffentlichen
Leben. „Man" entschuldigte sich nicht ungern mit dem Verweis
auf die Geistlichen, die ja auch nicht christlich lebten – wie
heute.
Philipp
Neri tat da nicht mit. Intelligent und immer humorvoll versuchte er
in seiner Umgebung zum Denken, Beten und sinnvollen Leben zu
motivieren. Man schimpfte rundum - wie heute - gern über die
Politiker und Kirchenführer. Er lächelte dazu und trieb oft seinen
Schabernack, sagte seine Meinung und half, wo er konnte. Und das oft
bis tief in die Nacht hinein.
Daheim
meditierte und betete er dann noch lange, um den inneren Halt im
Wissen um Gottes Beistand nicht zu verlieren.
Ich
kann ihn nur bewundern. Wie schaffte er das bloß? Offensichtlich,
weil er sich von Gott gehalten und gesandt fühlte. Es war schließlich
seine Kirche und sein Rom und sein Gott, um den es ging – und
nicht irgendetwas.
Ich
meine, dass jeder wirkliche Christ heute auch etwas von dieser
entschiedenen und humorvollen Haltung braucht. Die kommt, wenn man
sich im Beten so von Gott gehalten weiß, dass man über Böses
nicht schimpfen kann, ohne es ändern zu wollen - und sich nie auf
die Schlechteren ausredet, gelassen bleibt.
Dienstag,
27. Mai 2003
Geduldig
Eigentlich
hatte der Mönch Augustin in Rom- St. Andreas sich sein Leben ruhig
vorgestellt. Da machte ihm der Bischof den Vorschlag, eine wichtige
Mission in England zu übernehmen, um dort eine selbständige Kirche
aufzubauen. Sollte er sich so total umstellen, konnte er sich so
etwas überhaupt zutrauen? - Er ging, weil er auch 40 Helfer
mitbekam.
Doch
England zu bekehren, war leichter gesagt als getan: Die Adressaten
gebärdeten sich nicht gerade pflegeleicht. Denn der alte Zwist
zwischen den Ur-Briten und den eingewanderten Angelsachsen war gefährlich.
Man hätte das zuvor wissen sollen oder wenigstens besonderes
Feingefühl gebraucht. Beides war dem Augustin offenbar nicht gerade
auf den Leib geschnitten. Er gab auf und ging heim.
Doch
der Papst bewog ihn, wieder nach England zurück zu kehren; und
diesmal ging es anders: Die Königin Bertha erwies sich als sehr
hilfreich und auch seine Begleiter wurden immer mehr ihrem Auftrag
als Missionare gerecht.
Langsam
gewöhnte sich auch Augustin an seine Verantwortung. Und wir
verehren ihn heute als Pionier, als Heiligen.
Mich
erinnert sein Tag an alte Weisheiten:
Eine
ist, dass alles Wachstum Zeit braucht; auch Vertrauen und Glaube
muss wachsen dürfen; sie blühen nicht "von selbst",
Zudem
merke ich an Augustin, dass "Aufgeben" nicht in Frage
kommen darf: Wo ich stehe, werde ich mich bewähren. Ich werde auch
Hilfen bekommen, wenn ich mit Ruhe plane und auf Gott zu vertrauen,
nicht unterschätze. Es ist wie ein Fundament, auf das ich mich
verlassen kann.
Und
ein drittes habe ich von Augustin abgeschaut: Ich muss nicht alles
selbst können, sondern habe meine Talente, die es einzusetzen gilt.
Wenn ich sie zur Verfügung stelle und mich ergänzen lasse durch
die vielen anderen im Team, geschehen meistens die größten Wunder.
Mittwoch,
28. Mai 2003
Betend
Gott
tut normalerweise nichts ohne uns Menschen. Wenn wir unsere
Pflichten nicht tun und die Familien nicht kultiviert gestalten,
wenn wir die Natur nicht schützen und die Wissenschaft nicht
menschlich besorgen, schaut Gott oft lange zu.
Aber
umgekehrt stimmt es auch: Wir ohne Gott werden den Segen nicht
bringen, bin ich sicher.
Manche
sehen zwar die vielen Ausweglosigkeiten in der Kriegs- und
Naturgeschichte, trauen aber dem Beten sicher nichts Wesentliches
zu. Ich habe das anders gelernt: Wenn ein Prophet Jesaja im AT etwa
wie im Refrain ins Volk ruft: "Glaubt Ihr nicht, dann bleibt
Ihr nicht", ist es das sichere Wissen des Glaubenden, dass
manchmal nur mehr Gottes Geist das entscheidende "Eitzerl"
zur positiven Wende beitragen kann.
Vor
dem Studium der Bibel habe ich das schon an meiner Mutter gelernt.
Da mein Vater den Nazis zum Opfer gefallen war, war sie allein für
uns 7 Kinder und den Bergbauernhof zuständig. Einmal in der Woche
ging sie, unabhängig vom Wetter oder der Arbeitsfülle, morgens in
die Kirche. Wenn wir aufgeklärten und supergescheiten Jugendlichen
fragten, was sie denn davon habe, und dass sie sich doch lieber
ausschlafen sollte, antwortete sie nur kurz und bündig: "Meint
Ihr. Sonst hielte ich das alles aus?"
Auch
Jesus selbst hat manchmal die ganze Nacht auf dem Berg gebetet,
offenbar aus der gleichen Erfahrung.
Wir
erbitten in diesen Tagen Gottes Segen. Denn in dem Maß, wie das
Vertrauen auf Seine Begleitung wächst, lassen sich auch die
Probleme des Lebens leichter lösen. Aber noch mehr: Manchmal hat Er
allein die wirkliche Lösung in der Hand und kann sie uns nicht
aufdrängen, wenn wir sie nicht wollen. d.h. erbitten.
Auf
Martin Luther soll das Wort zurückgehen: "Heute habe ich viel
zu tun, also werde ich mehr beten."
Donnerstag,
29. Mai 2003
Hoffend
Heute
feiern wir das Fest der Himmelfahrt Christi.
Was
soll ein moderner Christ mit dem "Himmel"? Wir leben für
diese Erde und haben dabei genug zu tun. "Himmelfahrt
Jesu" klingt märchenhaft. Doch: drückt "Himmel"
nicht genau unsere Sehnsucht aus? Wir reden doch im Alltag von
"himmlisch" nicht selten und meinen dabei immer etwas
besonders Schönes, Gutes, Stimmiges.
"Himmel"
rührt unsere Sehnsüchte an und hält wach, was wir erwarten und
noch bräuchten zum Glück. Und das ist viel. Wer hat schon den
"Himmel" auf Erden? In seiner Ehe - "Liebe", die
er/sie erträumt hat? Im Beruf? In der Lebensplanung überhaupt?
Auch
ich selbst brauche noch immer eine "Verwandlung" meiner
Person in das, was ich sein könnte. Und wartet nicht wirklich jeder
denkende Mensch, der nicht resigniert hat, auf eine endgültige
Gerechtigkeit auf dieser Welt? Wann kommt sie?
Wann
kommt die Einlösung der Träume von der gelungenen Gemeinschaft und
Kommunikation? Dass sich jeder versteht und verstanden fühlt,
vielleicht auch ohne Worte? Wann wird sich zeigen, ob das mit Gott,
so wie wir ihn uns vorgestellt haben, stimmt? Warten wir nicht auch
eigentlich auf eine Ewigkeit, wo es endlich kein Vergehen und Werden
mehr gibt, sondern ein "Sein"?! Warten nicht Millionen
Trauernder darauf, ihre Vorfahren zu sehen? Und wann werde ich
selbst wissen, wer ich wirklich bin, auch aus dem Erbe der
Vorgeschichte?
Christi
Himmelfahrt ist für mich immer diese "Erinnerung an die
Zukunft", den "Himmel" nicht aus dem Auge zu
verlieren und damit meine Träume zu reinigen.
Freitag,
30. Mai 2003
Der
Berufung treu
Mit
19 Jahren wurde sie auf dem Scheiterhaufen als Ketzerin verbrannt:
Ich rede von der heutigen Tagesheiligen, der sogenannten
"Jungfrau von Orleans" der hl. Jeanne d' Arc.
Seit
ihrem bitteren Tod sind es nun über 570 Jahre her; doch spricht man
immer noch von ihr. Ja: Als Patronin Frankreichs wird sie auch heute
sehr verehrt. So eigenartig sie ihre Sendung begonnen hatte, - an
der Spitze eines Heeres, das über die Engländer gesiegt hat-, so
noch eigenartiger hat sie geendet: An die Feinde, die Engländer,
verkauft, - als Hure, als Hexe verurteilt und verbrannt. Dieses
grausige Fehl- Urteil wurde zwar schon 25 Jahre nach der
Vollstreckung durch Papst Callistus II feierlich widerrufen, konnte
sie aber nicht mehr lebendig machen. Die Bewunderung blieb:
In
jedem Prozess-Akt erweist sich, mit welch bewundernswerter
Konsequenz sie dabei blieb, ihren Auftrag zur Rettung Frankreichs
von Gott selber zu haben und nicht verraten zu dürfen.
Mich
faszinierte sie immer schon (nicht erst durch das Drama des großen
Schiller): sondern wegen ihrer exotisch anmutenden Berufung und
ihres unbeugsamen Glaubens.
Erst
spät habe ich - darüber hinaus gemerkt, dass auch ich für mein
Leben etwas Wichtiges von ihr lernen könnte. Etwa die Konsequenz,
der Berufung treu zu sein, koste es, was es wolle.
Jeder
hat nämlich eine solche ganz ihm zugemessene Berufung. Davon bin
ich ganz überzeugt. Solche Berufungen können oft mehr als
eigenartig sein. Ganz anders als die durchschnittlichen Lebensläufe.
Auch meine Entscheidung zum Priestertum habe ich so erfahren und
getroffen.
Ich
bin sicher keine Johanna von Orleans, aber unwiederholbar einmalig.
Heute berufen zu einem besonderen Dienst in der Gesellschaft.
Samstag,
31. Mai 2003
Christlich
In
einem Jahr findet im Mai der Mitteleuropäische Katholikentag statt.
Und zwar unter dem Motto „Christus, die Hoffnung Europas“.
Auch
die neuen EU- Mitglieder, wie Kroatien, Polen. Ungarn usw. sind da
schon voll dabei.
Als
ich von diesem Motto und Ereignis härte, dachte ich mir: Die trauen
sich was! Denn wie viele getaufte Christen in Europa wagen es nicht
mehr zu sagen, dass sie Christen sind; und Tausende sind nicht mehr
getauft. Das weiß "man" doch. Es sieht fast so aus, als
ob Christentum nicht mehr "in", sondern ein
"Auslaufmodell" wäre. Christus als Sozialvorbild, ja das
anerkennt man weitum, aber als „Hoffnung Europas"? Das gilt
Er wenigen.
Da
taugen schon eher die Stars der Wirtschaftsplanung oder auch jene,
die Volksmassen begeistern können.
Und
doch bin ich geradezu begeistert von diesem Ereignis: Denn, wenn
Christus und seine Lebensart und Sinngebung nicht als "Hoffnung
Europas“ neu entdeckt werden, an welche Werte werden wir uns dann
halten? Haben wir dann nicht unsere Religion und damit auch unsere
Kultur ausverkauft?
Konkret
begrüße ich da z.B. die Klarheit, mit der etwa der Katholische
Familienverband den Sonntag als geschützten freien Tag im Gesetz zu
verankern, fordert.
Ich
freue mich auch über alle, die in der EU-Verfassung wenigstens eine
Erinnerung an unsere christlichen Kultur-Wurzeln zu erhalten,
beantragen.
Ich
meine, dass wir Christen uns wirklich in breitem Ausmaß für
Christus interessieren und neu entscheiden müssen. Wie wollen wir
denn sonst anderen Religionen ein ernst zu nehmender Gesprächspartner
sein können?!
Ich
wünsche daher heute schon dem mitteleuropäischen Katholikentag
gutes Gelingen.
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