Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Dechant Dr. Gustav Pirich (Hollabrunn, NÖ)
Sonntag, 1. 6.2003
Guten
Morgen, heute ist Sonntag und ich wünsche Ihnen einen gesegneten
Morgen. Heute ist ein besonderer Tag, der erste Tag der neuen Woche.
Ja, sie haben recht gehört. Mit dem Sonntag beginnt die Woche.
Heute
und in den kommenden Tagen soll uns der Schöpfungsbericht aus dem
ersten Buch der Bibel Wegweiser in den Tag hinein sein.
Dort
ist dieser heutige Tag, der Überlieferung gemäß, aber der letzte
Schöpfungstag. Es heißt: „Am siebten Tag vollendete Gott das
Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag. Und Gott
segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig“. Also ein
heiliger Tag, der sich von allen anderen Tag abheben sollte.
Wie wäre es, wenn wir diesen Sonntag als einen solchen
herausragenden Tag in unserem Leben gestalteten?
Was
jedoch im Alten Testament ein letzter, überragender Höhepunkt ist,
wird mit Jesus zum ersten Tag einer neuen Schöpfungswirklichkeit. Denn am ersten Tag der Woche ist Jesus von den Toten
auferstanden. Der Sonntag ist also der Tag der Auferstehung; der
Durchbruch zu einer neuen Dimension der Schöpfung, die ewiges Leben
eröffnet. Das sollten und dürfen wir heute feiern. Gestalten wir
doch diesen Sonntag als Fest- und Freudentag, als einen Tag, an dem
wir auch den Armen und Schwachen, den kranken und leidenden
Menschen, den hoffnungsarmen und verzweifelten Nächsten, Zeit und
menschliche Nähe als Zeichen der liebenden Zuwendung Gottes
schenken. Höhlen wir den Sonntag nicht durch die alltägliche Geschäftigkeit
aus. Verhindern wir, dass dieser Tag durch materielle Gewinnsucht
seine Bedeutung als umfassender Schöpfungstag des Lebens verliert.
Ich selbst will nun auch diesen Tag feiern und dazu wünsche Ihnen
einen gesegneten Sonntag.
Montag,
2. 6.2003
Guten Morgen, der Montag,
ein neuer Tag unseres Lebens hat begonnen. Für viele hat damit auch
eine neue Arbeitswoche angefangen. Manche haben auch einen schweren
und sorgenvollen Tag vor sich. Mancher Seufzer wird jetzt beim
Aufstehen oder auf dem Weg zur Arbeit laut. Die alltägliche Eile
hat uns wieder, Entscheidungen stehen an und der gewohnte
Lebensrhythmus schreibt uns das Tagesprogramm vor. Oft haben wir
dabei keinen Blick mehr für die Natur, die uns umgibt..
Die Bibel beginnt im ersten Buch des Alten Testaments mit den Worten:
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Auch wir empfinden
diesen Morgen als einen Anfang, aber denken wir dabei daran, dass
uns ein neuer Tag geschenkt worden ist? Ist es so selbstverständlich,
dass wir wieder erwacht sind und in den Tag hinein eilen?
Und Gott sprach: „Es werde Licht. Und es wurde Licht“. Die Welt, die
uns umgibt, bekommt im Licht dieses neuen Tages die vielfältigen
Konturen und Schönheiten wieder, die uns vertraute, hoffende
Geborgenheit vermitteln wollen. Schenken wir doch in all dem Hasten
einen Blick dieser lichtvollen Schöpfung, die uns umgibt. Dieser
Blick bereichert unser Leben und bringt neue Farben in die
scheinbare Eintönigkeit unserer Alltäglichkeit. Neu Erlebtes lässt
kreativ werden, durch die Arbeit Schöpfung mitgestalten und setzt
Impulse neuer Hoffnung. Gerade
diese Hoffnung soll aber dieser Schöpfungstag besonders bei uns
wecken, deren Zuversicht in Sorgen und Krankheit zu erlahmen droht.
Das Licht, das uns jetzt alle umgibt, möge auch in denen
aufleuchten, die jetzt Angst haben und traurig sind. So wünsche ich
Ihnen, dass dieser Tag ein erfüllter Lebenstag wird.
Dienstag,
3. 6.2003
An diesem Morgen lese ich in der Bibel: Dann sprach Gott: Ein Gewölbe
entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte
also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom
Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es!“
Wasser! Wie selbstverständlich ist es uns geworden. Vertraut schon beim
morgendlichen Waschen, begleitet es uns dann den ganzen Tag. Es
erfrischt, regt das Leben an, gibt im Regen der Natur unersetzliche
Nahrung zum Wachsen und Gedeihen und ist Symbol für das dahinfließende
Leben. Das Wasser sucht und bahnt sich seinen Weg in den unzähligen
Bächen und Flüssen unseres Landes. Es überwindet Hindernisse und
Engen und sucht zielstrebig seinen Weg. Vielleicht gilt es auch in
Ihrem Leben Hindernisse zu überwinden und Engpässe zu
durchschreiten. Vielleicht wird der gedachte Tagesablauf durch
Unvorhergesehenes durchkreuzt und verändert. Das Wasser lehrt uns
Beharrlichkeit auf dem Weg zum Ziel. Sie kennen doch das Sprichwort:
„Steter Tropfen höhlt den Stein!“
Nur wer sein Leben bewusst in die Hand nimmt und zu gestalten sucht, der
öffnet stückweise seinen Sinn, weiß sich schon immer von dem
getragen, der uns das Leben gegeben hat und macht den Schwachen Mut,
die versucht sind, aufzugeben. Hindernisse zu überwinden und
Schwierigkeiten zu meistern machen den Menschen erst zu dem, was er
im Schöpfungsplan Gottes sein sollte, zum kleinen, aber
wesentlichen Partner.
Lassen wir uns also nicht treiben von der erwarteten Selbstverständlichkeit
des heutigen Tages, sondern gestalten wir ihn bewusst als einen von
uns geformten Baustein für das Ziel unseres Lebens.
Mittwoch,
4. 6.2003
Morgendliches Licht überflutet unser Land. Wir verlassen unsere Häuser,
eilen Wege entlang oder fahren mit dem Auto auf den Straßen zu
unserem Arbeitsplatz, begleiten Kinder zur Schule und gehen
Einkaufen. Wir werden Menschen begegnen, einen flüchtigen Gruß
austauschen oder ein längeres Gespräch beginnen, werden uns auf
die Arbeit konzentrieren und kurze Pausen genießen. Wir werden
heute auch manche Auseinandersetzung haben und uns ärgern. Sorgen
von gestern werden uns weiterhin begleiten, aber vielleicht wartet
auch manch freudige Überraschung auf uns.
In morgendliches Licht ist ein Stück Land getaucht, das wir unsere
Heimat nennen. Ein Boden, von dem die Bibel als Schöpfungsereignis
am dritten Tag erzählt. Ein Werk Gottes, ausgestattet mit einer üppigen
Vegetation und abwechslungsreichen Geländeformen, uns zur Freude
als Geschenk anvertraut. Geschenk bedeutet aber auch große
Verantwortung für diese Schöpfung. Die Ressourcen sind nicht
unerschöpflich und das Geschaffene ist nicht der Beliebigkeit
menschlichen Denkens und menschlicher Gewinnsucht anheim gestellt.
Verantwortung bedeutet auch, dass wir Antwort geben müssen auf die
Frage des Schöpfers: „Wie gehst du, Mensch, mit der dir
anvertrauten Schöpfung um?“
Vielleicht bedenken wir das alles, wenn wir heute die wogenden Felder,
die fruchttragenden Obstbäume, die bunten Wiesen oder die bis weit
in die Höhen der Berge reichenden Wälder sehen. Nichts von alledem
ist selbstverständlich, alles ist Geschenk an uns von dem, der es
schuf. Möge Ihnen das im morgendlichen Licht des heutigen Tages
bewusst werden und sie erfreuen.
Donnerstag,
5. 6.2003
Wie verschieden sind doch die Ambitionen des Aufstehens in der Frühe,
wenn die Sonne scheint, oder wenn aus dunklen Wolken der Regen
niederprasselt? Wie romantisch kann doch eine laue Vollmondnacht
sein? Das Licht der Sonne und des Mondes hellt unser Leben auf, lässt
jetzt schon Gedanken an die kommenden Ferien und die nahende
Urlaubszeit aufkommen.
Der Schöpfungsbericht sagt uns, dass Gott am vierten Schöpfungstag die
Leuchten am Himmel erschaffen hat, die Sonne, den Mond und die
Sterne. Die Bibel will uns nicht über das „Wie“ unterrichten,
sondern einzig und allein darüber, dass Gott dies alles erschaffen
hat.
Freuen wir uns doch darüber, dass uns die Sonne so viel Energie spendet
und der Mond mit seinem fahlen, von der Sonne kommenden Licht auch
die Dunkelheit ein wenig aufhellt. Freude empfinden und Freude
empfangen richtet auf und belebt. Vergessen wir aber nicht auch
Freude zu schenken, Licht zu sein für andere. Wie das Licht der
Sonne am Morgen die Lebensgeister weckt, so sollte die geschenkte
Zeit des Zuhörens, ein Wort des Trostes, ein Ruf der Aufmunterung,
eine ausgestreckte Hand zur Versöhnung, ein Besuch bei einem
kranken Menschen oder eine helfende Tat in trostloser Situation,
Lebenssonne und Licht bringen in das oft dunkle Leben vieler
Menschen in unserem Umfeld.
Betend sagt der Psalm 104: „Strahlt die Sonne auf, geht der Mensch
hinaus an sein Tagwerk, an seine Arbeit bis zum Abend.“ Machen wir
uns also in den Tag hinein auf und vergessen wir nicht, anderen
Licht im Leben zu bringen und zu sein.
Freitag,
6. 6.2003
Ich freue mich an jedem Morgen über das vielstimmige Gezwitscher der Vögel,
wenn ich aufstehe und es noch relativ still ist in der Welt. Was wäre
diese ganze Schöpfung, wenn es diesen vielartigen Tierreichtum in
der Luft, im Wasser, auf den Wiesen, Feldern oder in den Wäldern
nicht gäbe? Kaum auszudenken!
Doch diese Fülle ist gewollt: „Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von
lebendigen Wesen, und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe
dahinfliegen“, und „Das Land bringe alle Arten von lebendigen
Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des
Feldes.“
Unüberschaubar ist die Vielfalt an Tieren und manchmal fragen wir uns,
welchen Sinn diese Fülle hat.
Vielfalt ist ein Zeichen von geschenkter Liebe. Es gilt nicht zuerst nach
dem Sinn zufragen, sondern zu staunen, sich beschenken und damit
bereichern zu lassen. Welche Fähigkeiten entwickelt doch der
Mensch, um Geschaffenes zu verändern? Der Unterschied zur Vielfalt
der Natur ist allerdings, dass Gott alle Menschen daran teilhaben lässt,
während an der von Menschen aus der Schöpfung erdachten Vielfalt
nur ein kleiner Teil der Menschheit vollen Anteil hat. Wir können
nicht an diesem ungerechten Ungleichgewicht vorübergehen. Wir
werden nur bleibend reicher, wenn wir Leben in den uns gegebenen Gütern
teilen. Versuchen wir heute mit anderen zu teilen, dann wird uns der
Sinn von Vielfalt klarer.
Samstag,
7. 6.2003
Der letzte Tag der Woche ist angebrochen und der sechste Schöpfungstag
in der Bibel lenkt unsere Gedanken auf uns selbst, die Menschen.
Lapidar stehen hier die Worte: „Dann sprach Gott: Lasst
uns Menschen machen nach unserem Abbild, uns gleich.“ Es
heißt nicht mehr „Es werde“, sondern „lasst uns“. Gott sagt
sein unwiderrufliches Ja zu einem Geschöpf, das sein Abbild –
Liebe als frei gesetzte Entscheidung – in der Schöpfung trägt.
Fast alle Nachrichtensendungen sprechen aber auch vom Gegenbild dieser
Abbildlichkeit. Kriege, Terror, Unterdrückung, ungehemmte Machtausübung
gepaart mit wirtschaftlicher Ausbeutung machen die Armen noch ärmer
und hoffnungsloser und die Reichen reicher, doch zugleich ärmer an
innerem Reichtum. Auch wir spüren täglich an uns die Abgründigkeit
des menschlichen Versagens.
Trotz all dieser menschlichen Negativa, die uns so sehr beschäftigen, überwiegt
doch das abbildhaft Gute. Ich denke an die weltweiten Einsätze der
unzähligen Hilfsorganisationen in den ärmsten Ländern der Erde
und bei Katastropheneinsätzen, die vielen Dienste der Nächstenliebe
in der Nachbarschaftshilfe, in den Spitälern und Pflegeheimen, bei
der Begleitung Sterbender durch die Hospizbewegung und vor allem die
vielen stillen und ungesehenen Liebesdienste, die rund um die Uhr
geschehen. All dies und noch viel mehr bestätigt das menschliche
Abbild Gottes und ist Zeichen dafür, dass Gottes Ja zum Menschen
uns trägt und uns einmal endgültig zum Leben rufen will. Versuchen
wir auf diese zuwendende Weise heute wieder ein Stück weit Mensch
zu sein.
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