Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

Pastoralamtsleiter Benno Elbs  (Vlbg.) über die verschiedenen Gesichter des Geistes Gottes

 

 

Pfingstsonntag, 8. Juni 2003

Der Geist des Mutes

 

Ich wünsche Ihnen einen schönen Pfingstmorgen. Am Beginn dieser Woche steht das Licht. Ein Läufer trägt die brennende Fackel durch die Straßen der Stadt, hinein ins Stadion, wo das Licht von tausenden Menschen mit Applaus empfangen wird.

Dieses Bild, wenn die Fackel, das olympische Feuer, entzündet wird und die Flamme sich in diesen vielen Herzen "einbrennt", das ist ein wunderschönes Symbol; diese lebendige Flamme auf ihrem Weg durch die jubelnde Menschenmenge. Bewegend und ergreifend.

In diesen Tagen vor zweitausend Jahren, lange vor Radio und Fernsehen, bekommt eine kleine Gruppe von Menschen in Jerusalem auch eine Flamme, ein Licht anvertraut. Die zaghafte Schar der Freunde Jesu ist mit einem Mal wie verwandelt. Das Feuer des Hl. Geistes, eines neuen bisher nicht gekannten Geistes, befreit sie von ihrer Vergangenheit, von der Angst,  von der Hoffnungslosigkeit. Der Geist schenkt ihnen Mut. Sie ergreifen das Wort und gehen hinaus auf die Straßen und Plätze und stellen sich in die Öffentlichkeit. Ohne Angst. Voller Selbstbewusstsein.

 

Ich möchte Sie einladen, in dieser Woche nach Pfingsten über die Energie des Geistes Gottes nachzudenken. Heute wünsche ich Ihnen den Geist des Mutes, der die Freunde Jesu an Pfingsten beflügelt hat.

 

 

Pfingstmontag, 9. Juni 2003

Der Geist der Kraft

Unlängst fragt mich bei einer Firmung ein Jugendlicher, wie man denn den Geist Gottes spüren kann. Spontan kommen mir die Gewitter der vergangenen Wochen in den Sinn. Der Wind weht ums Haus, er säuselt, er pfeift, er stürmt, und manchmal scheint er das große Gebäude wegfegen zu wollen. Wir sehen ihn nicht, wir sehen nur, was er bewegt. Ich höre ihn, doch ich kann ihn nicht begreifen. Ich stemme mich gegen ihn, dem Wind entgegen und erlebe seine Kraft, doch "fassen" kann ich ihn nie. Der Wind ist da, ist gegenwärtig, niemand bezweifelt das, obwohl er nicht zu sehen ist. Der Geist gleicht dem Wind.

 

Auch den Geist sehe ich nicht, ich sehe nur, was er in mir bewegt. Mir kommen Ideen, mir kommt die Gewissheit, die Ideen durchsetzen zu können, mir kommt die Kraft, sie zu verwirklichen.

 

Müdigkeit steckt an, Gereiztheit steckt an, Traurigkeit steckt an;

Heiterkeit steckt an, Liebe steckt an, Lebendigkeit steckt an.

Und manchmal ist es gut, aus den Räumen des Negativen woanders hin zu wechseln: in den Raum des Geistes, der Heiterkeit, der Liebe, der Lebendigkeit.

Das wünsche ich Ihnen am heutigen Pfingstmontag.

 

 

Dienstag, 10. Juni 2003

Der Geist des Trostes

 

Ich sitze am Krankenbett eines jungen Vaters, der sich mit der Diagnose Krebs auseinandersetzen muss. Tränen des Schmerzes, der Enttäuschung, der Verzweiflung kollern über seine Wangen. Ich bitte innerlich um den Geist des Trostes für diesen jungen Menschen. Trost ist immer dann gefragt, wenn wir einen Verlust erfahren, wenn eine Freundschaft zerbricht, wenn Träume zerstört werden, wenn uns ein Mensch tief verletzt oder wenn ein geliebter Mensch in den Tod gegangen ist. Und oft nehmen wir in diesen Situationen Worte in den Mund, die keinen Halt geben und eigentlich keinen Sinn stiften. Trösten heißt, zum anderen hinsprechen, Worte sagen, die ihn erreichen, die ihm ganz persönlich gelten, die zu seinem Herzen vordringen. Trösten heißt Worte zu finden von Herz zu Herz. Worte, die aus meinem Herzen kommen, ohne auf irgendwelche leeren Floskeln zurückzugreifen.

Der Geist des Trostes tritt in das Haus der Trauer ein. Dann empfindet der Trauernde den Begleiter, Dich, den Freund, wie einen Engel des Trostes. Dann erfährt er, dass der Geist Licht schenkt.

Ich wünsche Ihnen in schweren Stunden diesen Geist des Trostes.

 

 

Mittwoch, 11. Juni 2003

Der Geist der Heilung

 

Am Mittwoch nach Pfingsten denken wir an den Geist, der Heilung schenkt.

Wo ist Heil? - fragt das Kind in Palästina, das groß werden will in einem Land, in dem die Waffen und der Krieg das Sagen haben.

Wo ist Heil? - fragt der Kranke, der sein Bett nicht verlassen kann.

Wo ist Heil? - fragt der Bewohner eines Elendsviertels, dessen Lebensschritte nur von Not begleitet sind.

Wo ist der Geist der Heilung? - fragen viele seelisch und körperlich verwundete Menschen auf dieser Erde.

 

Der Geist der Heilung ist dort, wo Menschen sich wohlfühlen mit ihren Wunden, wo sie spüren, dass sie ihre Wunden zeigen können, dass sie verstanden werden. Wo sie nicht bewertet werden, sondern angenommen. Der Geist der Heilung ist dort, wo Kranke spüren dürfen, dass eine heilende Atmosphäre ausgeht: von Menschen, von einem Ort, von einer Begegnung.

Gott schenke uns diesen Geist der Heilung.

 

Donnerstag, 12. Juni 2003

Der Geist, der Vertrauen schenkt

 

Eine Erfahrung kennt jeder Wanderer: manchmal, ganz unvermutet, auf einem ungewählten kargen Pfad, da steht eine einsam leuchtende Blume zu meinen Füßen. Sie ist ein lebendiges Versprechen zwischen den Steinen, ein Versprechen, dass Gott sein großes JA zum Leben sagt. Deshalb kann ich immer wieder die „Flügel des Vertrauens in das Leben“ ausspannen, wie es die Schriftstellerin Antje Sabine Naegeli in einem schönen Gedicht formuliert:

 

Zur Weite

ist mir die Enge geworden,

denn in der äußersten Verlassenheit

habe ich erfahren,

wie geborgen ich bin.

Arm musste ich werden,

um zu erkennen,

wie reich ich bin in dir.

Weil du mich festhältst,

wage ich loszulassen,

was deine Liebe

mir abverlangt.

Zaghaft noch

sind meine Schritte,

aber ich gehe mit dir.

Ich spanne die Flügel des Vertrauens aus

und lasse mich führen

auf dem Weg,

den du mir bestimmt hast.

Ich wünsche Ihnen diesen pfingstlichen Geist des Vertrauens in das Leben.

 

 

Freitag, 13. Juni 2003

Der Geist, der Brücken baut

 

Das Ereignis des Pfingstfestes, so wie es in der Apostelgeschichte berichtet wird, spricht bewusst und ausdrücklich von einer Vielfalt von Menschen und Völkerstämmen, die in Jerusalem aus Anlass des Festes anwesend sind. Und vielleicht ist das ein Akzent des Pfingstfestes, auf den wir uns einmal einlassen sollten. Konkret auch in unserer Zeit.

 

Es fehlt noch jener Geist, um den sich die UNO bemüht, weltweit, um wenigstens ein Minimum an Menschenrechten, Personenwürde und gerechten Ausgleich zu ermöglichen. An vielen Ecken und Enden unserer Erde, in den Krisengebieten, wo zerstörerische Wut und Macht Menschen vernichtet. Ich habe die geschlagenen Kinderkörper vor Augen, ich sehe die verzweifelten Gesichter von Müttern, die um ihre Kinder bangen.

 

Wenn Menschen sich vom Geist der Menschenwürde und der Menschenrechte leiten lassen, dann wäre das ein modernes Pfingstereignis. Der Geist von Pfingsten baut keine Schützengräben. Er baut Brücken der Versöhnung.

 

 

Samstag, 14. Juni 2003

Der Geist der Heiterkeit und der Freude

Für die frühen Mönche war die Heiterkeit von innerer Klarheit getragen, eine Fröhlichkeit und Helligkeit, ein Zeichen für ein stimmiges Leben.

 

Heiterkeit und Fröhlichkeit sind nicht einfach nur eine Charaktereigenschaft, mit der man geboren wurde. Heiterkeit entsteht durch das große Vertrauen, dass man so angenommen wird, dass alles letztendlich gut ist. Ich weiß, dass ich ein Lieblingsgedanke Gottes bin und das schenkt mir eine innere Heiterkeit. Und solche Heiterkeit steckt an. In der Nähe eines heiteren Menschen kann man sich nicht über den Weltuntergang unterhalten. Man kann nicht jammern über die Zustände dieser Welt. Er verdrängt sie zwar nicht, diese Zustände, aber er sieht sie aus einem anderen Blickwinkel. Letztendlich, nämlich aus der Perspektive des Geistes, der auch die Finsternis durchschaut und der auch in der Finsternis auf den leuchtenden Grund Gottes stößt.

 

Es tut uns gut, in der Nähe eines heiteren Menschen zu sein.

Ich wünsche Ihnen heute diesen Geist der Heiterkeit und der christlichen Freude.