Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Pfarrerin
Margit Geley, Evang. Pfarrgem. Salzburg-West in Taxham
Sonntag,
15.6.2003
Ein
Zimmermädchen eines Nobel-Hotels probiert die Kleidung eines Gastes
an. Dadurch kommt es zu einer Verwechslung und ein einflussreicher
Politiker verliebt sich in sie und sie in ihn, ohne, dass er weiß,
dass sie nur das Zimmermädchen ist. Nach einigen Verwirrungen kommt
schließlich alles auf und sie wird gekündigt und damit sind ihre
Träume nach einem besseren Leben scheinbar kaputt.
Ein
Freund sagt zu ihr: „Es kommt nicht darauf an, ob du hinfällst,
es kommt darauf an, wie du wieder aufstehst!“
Dieser
Satz aus dem Film „Manhattan Love Story“ mit Jennifer Lopez und
Ralph Fiennes hat mich sehr berührt.
Ich
weiß, dass ich Fehler mache, ich weiß, dass ich andere verletze,
ich weiß, dass ich nicht perfekt bin – so wie das ja kein Mensch
ist. Ich weiß, dass es in meinem Leben Scheitern und Versagen gibt.
Es gibt wohl keine Person auf dieser Welt, die immer alles richtig
und gut macht.
Ich
kann dem Scheitern also nicht ganz und gar ausweichen, und
wesentlich ist wahrscheinlich vor allem, wie ich mich meinem
Scheitern stelle. Ich möchte mit meinem Versagen liebevoll umgehen,
ich möchte mir zugestehen, dass Fehler sein dürfen, auch wenn es
schmerzhaft ist. Ich will mir die Chance geben aus meinen Fehlern
Neues zu lernen.
„Es
kommt nicht darauf an, ob du hinfällst, es kommt darauf an, wie du
wieder aufstehst.“ – dieser Satz begleitet mich und vielleicht
auch Sie an diesem Sonntag.
Montag,
16.6.2003
Geht
es Ihnen auch manchmal so, dass Sie sich einen Plan machen für
einen Tag und dann am Abend feststellen, dass Sie kaum die Hälfte
erledigen konnten? Da sind Ihnen andere Termine, andere wichtige
Dinge dazwischen gekommen und der schöne Plan konnte nicht erfüllt
werden – dass Sie dafür andere Dinge gemacht haben, verschwindet
da oft.
Ich
kenne das auch gut, da plane ich mir meine Woche durch, was ich wann
erledigen will, dann kommt es manchmal anders. Mir geht es so, dass
ich gern plane, da habe ich das Gefühl, dass ich mein Leben
gestalte und organisiere. Und meistens gelingt das auch ganz gut.
Allerdings gibt es Ereignisse, die ich nicht in der Hand habe, die
sich nicht planen lassen und die dann alles durcheinander bringen:
da wird ein Kind krank, oder ich selbst, da braucht eine Freundin
Unterstützung und Beistand, da kommt ein unangemeldeter Besuch, da
stirbt jemand, der mir nahe steht. Plötzlich ist in der Familie
oder Ehe eine Krise aufgetaucht, die Zeit und Kraft fordert um bewältigt
zu werden, oder es trifft einen die Liebe.
Manches
im Leben liegt nicht in meiner Hand, ich kann es nicht planen. Und
ich nehme an, dass es in Ihrem Leben nicht viel anders ist. Manches
muss ich aus der Hand geben, das will ich immer mehr lernen. Ich
kann nicht alles selbst bestimmen, manches kommt einfach auf mich zu
und verändert meinen Plan, verändert mein Leben.
„Gott
hält die ganze Welt in der Hand, Gott hält auch Sie und mich in
seiner Hand“ – darauf möchte ich immer mehr vertrauen.
Dienstag,
17.6.2003
Im
Film „Manhattan Love Story“ verliebt sich Jennifer Lopez als
Zimmermädchen in einen einflussreichen Politiker und er sich durch
einige Verwechslungen auch in sie. Als dann die ganze Geschichte
auffliegt und die beiden sich wieder trennen, fragt der Sohn seine
Mutter: „Glaubst du, dass er uns vermisst?“ Und sie antwortet:
„Er wäre dumm, wenn er es nicht täte!“
Mich
beeindruckt bei dieser Aussage der Stolz und die Würde, die diese
Mutter sich selbst und ihrem Sohn vermittelt. Ja, sagt sie, ja, ich
bin es wert, dass mich dieser Mann liebt. Auch wenn ich nur als
Zimmermädchen arbeite und er eine einflussreiche Persönlichkeit
ist, ich bin es wert, geliebt zu werden, ich bin es wert, ein gutes
und glückliches Leben zu leben. Und ihrem Sohn sagt sie damit: du
hast eine wertvolle Mutter und du kannst stolz auf sie sein!
Diese
Frau kennt ihren Wert, sie behält ihre Würde, auch wenn das gar
nicht so leicht ist, nachdem gerade eine Beziehung zerbrochen ist.
In so einer Zeit fragt sich so mancher: was bin ich denn noch wert,
wozu lebe ich denn, was ist an mir so falsch, dass mein Partner mit
mir nicht mehr leben kann oder will?
Der
eigene Selbstwert wird ganz klein und vieles im Leben ist in Frage
gestellt.
Wenn
ich mich, wenn Sie sich daran festhalten können, dass Sie es wert
sind, geliebt zu werden, dann sind auch solche schweren Zeiten zu überstehen.
Denn
eines ist ganz sicher: Sie sind liebenswürdig, sie sind ein
einzigartiger Mensch, sie sind es wert, dass jemand sie liebt.
Mittwoch,
18.6.2003
Es
gibt so Tage, da regnet es und regnet es, alles ist trüb und grau.
Und plötzlich reißt es dann auf, die Sonne kommt durch. Dann draußen
zu sein, die Jacke wegzulegen, sich in der Sonne und Wärme
auszustrecken, das ist etwas herrliches. In mir wächst in solchen
Augenblicken eine große Dankbarkeit darüber, dass mir so viel
Gutes geschenkt wird – im kleinen, wie im Großen. Manchmal kann
ich es gar nicht so recht fassen, dass es solche Momente des Glücks
immer wieder gibt, dass mir immer wieder Leben zusteht. Gerade in
Zeiten, die schwierig sind, wo die Sorgen die Oberhand haben, da zu
spüren: „da meint es einer gut mit mir“ – das ist eine
wunderbare Erfahrung.
Jesus
hat uns versprochen, dass wir ein erfülltes Leben leben dürfen. Es
steht uns ein Leben zu, das reich ist an Tiefe, das reich ist an
Beziehungen, die gelingen. Es steht uns ein Leben zu, das wert ist
gelebt zu werden. Und so ein Leben steht uns zu, nicht weil wir
besonders ordentlich sind, nicht weil wir so gut und brav leben. So
ein erfülltes Leben steht uns zu, weil wir, weil ich, weil Sie ein
Mensch sind, der von Gott in diese Welt gestellt wurde.
Einfach
nur zu leben - das ist
für mich der Sinn des Lebens. Zu leben, so gut ich es vermag, mit
den Entscheidungen, die ich treffe, ob sie sich nun als richtig oder
falsch herausstellen mögen.
Dankbarkeit
empfinde ich, wenn ich dann spüre: „Gott meint es gut mit mir“.
Donnerstag,
19.6.2003
Die
guten Menschen kommen in den Himmel, die bösen kommen in die Hölle
–so wurde es den Menschen viele Jahrhunderte lang beigebracht. Ich
möchte mit Ihnen heute darüber nachdenken, was eigentlich gut und
was eigentlich böse ist. Denn so einfach ist das ja gar nicht zu
unterscheiden.
Ich
stelle mir zum Beispiel einen Menschen vor, der ziemlich genau weiß,
was er will. Er kann sich sicher und schnell entscheiden, und verlässt
sich dann darauf, dass seine Entscheidungen richtig sind. Das klingt
doch eigentlich gut und in vielen Situationen seines Lebens wird aus
dieser Fähigkeit Gutes entstehen. Manchmal allerdings entscheidet
er vielleicht zu schnell, fragt nicht nach, ist sich zu sicher –
und trifft falsche Entscheidungen. Ist er jetzt böse?
Wir
haben alle Stärken und Schwächen, die uns ja letztlich von Gott
geschenkt wurden, und aus diesen Stärken und auch aus den Schwächen
kann jeweils Gutes oder auch Böses entstehen.
Da kann es sein, dass ich einem anderen sehr weh tue – was
sozusagen in die Kategorie „böse“ gehört – dass aber aus
dieser Verletzung eine besonders innige Versöhnung erwächst, die
neue Qualität der Beziehung schenkt, und es ist dann doch
„Gutes“ geworden.
Ich
bin überzeugt, dass Gott uns kennt, ich bin überzeugt, dass wir
alle letztendlich bei Gott, also „im Himmel“ sein werden, denn
Gott wird verstehen, warum wir leben, wie wir leben, manchmal böse
und meistens gut.
Freitag,
20.6.2003
Seit
meiner Jugend habe ich folgendes Bild vor mir: ich sehe eine große
ausgestreckte Hand und in dieser Hand springt ein Mensch herum. Dazu
gehört für mich der Satz: „Du kannst nicht tiefer fallen, als
nur in Gottes Hand.“
Egal,
was ich tue, egal, was ich denke und empfinde, egal, wie schwach ich
mich fühle, ich werde aus der Hand Gottes nicht fallen. Seit vielen
Jahren bin ich davon überzeugt, dass das stimmt, dass Gottes Liebe
keine Grenzen hat, dass nichts, was ich tue an der Liebe Gottes zu
mir etwas ändern kann. Allerdings hatte ich auch noch ein gutes
Sicherheitsnetz zwischen mir und dieser Hand. Die wirklich wichtigen
Dinge, die Gefühle, für dich ich mich schämen musste – und wer
hat die nicht , all die unangenehmen Seiten an mir, die wollte ich
mit niemanden teilen.
Erst
allmählich habe ich gelernt, dass zum sich Gott anvertrauen auch
dazu gehört, sich seiner selbst nicht zu schämen. Dass dazu gehört,
sich anderen Menschen anzuvertrauen, um Hilfe zu bitten. Und schließlich
gehört dazu auch in manchen Lebenssituationen, sich anderen
Menschen auszuliefern und auf ihr Verständnis und ihre Unterstützung
zu hoffen. Erst in der Not sieht man, wer die wirklichen Freunde
sind – so heißt es ja. Und was für ein Glück zu merken, dass
meine Freunde da sind, dass sie mich unterstützen und verstehen.
Was für ein Geschenk, endlich zu spüren, dass Gottes Hand mich
wirklich und wahrhaftig trägt – auch ohne mein Sicherheitsnetz.
Samstag,
21.6.2003
In
diesem Frühsommer beschäftigt mich ganz stark die Frage, was
eigentlich die Schönheit des „Erwachsen-seins“ ausmacht. Vieles
ist für mich damit verbunden, erwachsen zu sein: ich gestalte mein
Leben selbstständig, ich wähle meine Beruf, ich bin unabhängig,
ich muss mein Mittagessen selbst kochen, meine Wohnung putzen, meine
Rechnungen zahlen.
Erwachsen-Sein
ist ein vielschichtiges Wort, ich wachse nicht mehr und dennoch
entwickle ich mich weiter. Ich weiß, wer ich bin und gleichzeitig
ist es immer wieder eine Suche nach neuen Perspektiven fürs Leben.
Erwachsen zu sein heißt für mich, auch die Herausforderung immer
weiter lebendig zu bleiben, Träume zu träumen und Träume zu
leben.
Am
meisten aber finde ich die Schönheit im Erwachsen-sein darin, dass
ich die Verantwortung für mein Leben voll und ganz übernehmen
kann. Ich treffe Entscheidungen, gestalte mein Leben und bin voll
dafür verantwortlich. Nicht mehr die Eltern tragen die
Verantwortung für mein Leben – unabhängig, wie meine Kindheit
war – ich selbst kann mein Leben in die Hand nehmen. Nicht mein
Partner trägt die Verantwortung, sondern ich selbst darf mein Leben
verantworten.
Manchmal
ist es nicht leicht die Verantwortung zu tragen, vor allem, wenn es
um unangenehme Entscheidungen geht, oder darum, Konflikte
auszutragen. Manchmal ist es einsam und schwer, sich zu entscheiden,
aber es dann letztendlich zu tun und dafür auch gerade zu stehen
ist ein gutes, ein würdevolles Gefühl, das ich nicht mehr
vermissen möchte in meinem Leben.
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