Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Sr.
Pallotti Findenig, Provinzoberin der Missionsschwestern vom
Kostbaren Blut, Kloster Wernberg, Kärnten
Sonntag,
3. August 2003
Guten
Morgen nach einer, so hoffe ich, erholsamen Nacht! Sie haben bereits
oder Sie werden bald die ersten Schritte in diesen Sonntag machen
und jeder Weg und jede Reise beginnt ja mit dem ersten Schritt.
”Die Entdeckung der Langsamkeit” ist der Titel eines Romans. Können
Sie es sich erlauben, heute für sich die Langsamkeit zu entdecken?
Behutsam mit sich umgehen, ein paar Traumfetzen wahrnehmen, spüren,
wie sie sich fühlen; ein wenig auf den Tag voraus zu schauen, was
so auf Sie zukommt: das Frühstück genießen, verkosten – ohne
dabei gleichzeitig die Schreckensmeldungen aus der Zeitung oder aus
den Nachrichten in sich aufzunehmen ... bewusst ein Stück gehen, an
einen Ort gehen, der Ihnen gut tut – vielleicht mit Menschen als
Weggefährten ... Stille suchen und ein Stück Ihres inneren Weges
gehen, hin zu unserem Gott, der mit geht und der sogar schon dort
ist, wohin ich gehe. Zu Gott, dem Weggefährten und gleichzeitig
dem, der unterwegs ist, um mich zu sehen.
Montag,
4. August 2003
Wenn
ich in den Bergen unterwegs bin mache ich die Erfahrung, dass weder
das ausführlichste Tourenbuch noch der beste Bergführer mich davon
entbinden, selber meinen Weg zu gehen. Ich selber muss schauen,
wohin ich meinen Fuß setze, ich muss den Tritt und den Griff
finden, der mir Halt gibt und einen weiteren Schritt möglich macht.
Ich muss meinen Rhythmus finden, meine Schrittgröße, auf mich hören
und auf das, was mir mein Leib sagt. Ich lerne beim Gehen meine Schwächen
und meine Stärken kennen, ich lerne nichts anderes aus mir zu
machen als das, was ich bin. Ich darf und kann mich den anderen
zumuten, so wie ich bin und ich muss den Weggefährten annehmen, so
wie er, wie sie ist. Und das wird mir leichter, wenn ich wie der
Beter von Psalm 139 sagen kann, ”Gott du schaust mich, wann ich
gehe und ruhe, alle meine Wege sind dir vertraut” und ”Führe
mich den ewigen Weg”. Ich wünsche Ihnen und mir einen guten Weg
durch den heutigen Tag.
Dienstag,
5. August 2003
Es
gibt viele Weg-Geschichten, auch Geschichten von Umwegen und
Heimwegen. Eine stammt von Jesus und wird uns im Lukasevangelium erzählt.
Sie berührt mich besonders und ist Ihnen sicher bekannt: Auf einem
Bauernhof erbittet der jüngere Sohn sein Erbteil, geht fort und hat
das Geld in kurzer Zeit verjubelt. In seiner Ausweglosigkeit geht er
in sich und wagt es, wieder nach Hause zu gehen. Als er aber noch
weit entfernt war, sah ihn sein Vater und ... was tat er, machte er
.. wie geht der Satz weiter in Ihrer Erinnerung? Lukas gibt die
Worte Jesu weiter: ”Als er noch weit entfernt war, sah ihn sein
Vater und wurde von Erbarmen bewegt”. Kein Wort des Vorwurfs –
der Vater weiß alles. Jesus erzählt diese Geschichte, weil er uns
sagen will, wie Gott ist, dieser väterlich und mütterlich liebende
Gott. In Jesus ist diese Liebe Mensch geworden. Jede und jeder von
uns darf und kann zu diesem Gott umkehren und sicher sein, dass
offene Arme ihn oder sie aufnehmen.
Mittwoch,
6. August 2003
Geht
es Ihnen auch so, dass Sie manche Tage zum Davonlaufen empfinden?
Enttäuschungen häufen sich, es drängt sich die Frage auf: Was
soll das alles, hat es noch einen Sinn, soll ich nicht weg gehen,
davonlaufen? Eine solche Geschichte steht auch im Evangelium.
Zwei
Männer hatten sich Jesus angeschlossen. Er war für sie mehr
gewesen als
Frau
und Kind, als Familie und Besitz. Sie hatten wegen ihm alles
verlassen und waren mit ihm gegangen. Und jetzt sind sie enttäuscht.
Er ist tot, hingerichtet wie ein Verbrecher. ”War das alles in
unserem Leben?”, fragen sie sich. Sie verlassen Jerusalem und
gehen in ihre Vergangenheit zurück. Ein Wanderer stößt zu ihnen
und fragt, warum sie so traurig sind. Sie erzählen ihm die
Geschichte ihrer Enttäuschung und dabei, durch sein Zuhören wird
ihnen leicht ums Herz. Sie möchten, dass dieser Fremde bei ihnen
bleibt, er tut ihnen gut, wirkt heilend. Sie erkennen in ihm Jesus.
Diesen Jesus, der nachgeht, auch jeder und jedem von uns. Jesus, der
nicht nur in Kirchen wartet. Er ist mit uns unterwegs.
Donnerstag,
7. August 2003
Es
tut gut, wenn am Ziel eines Weges das Heimkommen steht. Wodurch fühlen
Sie sich daheim? Bernadette Lutnik, eine junge Kärntnerin
beschreibt es für sich so:
”Ich
wollte Gott für morgens und abends vor dem Schlafengehen eine
Wohnung in meinem Herzen geben. Schließlich merkte ich, dass ihm
bereits das ganze Haus mit der Welt drum herum gehörte. Plötzlich
fühlte auch ich mich richtig daheim.” Ich bin überall daheim,
wenn mir bewusst ist, dass Gott da ist, weil er mir Heimat gibt,
weil er Heimat ist. Ich gehe anders weg, anders in den Tag, in
diesem glaubenden Wissen. Aus seiner Hand kann ich nicht fallen. Und
einmal wird er uns heimführen nach den langen Tagen der
Wanderschaft, aus dem Hasten in den Frieden, aus aller Mühsal der
Tage, aus der Angst vor Nacht und Tod, aus allen Fesseln in die
Freiheit, aus der ständigen Sehnsucht in die Erfüllung. Das wird
ein Fest sein, ein Fest ohne Ende.
Freitag,
8. August 2003
Ein
Lied, ein Gebet, begleitet mich auf allen weiten Fahrten. Ich möchte
es mit Ihnen teilen. Voll Vertrauen gehe ich den Weg mit dir mein
Gott, getragen von dem Traum, der Leben
heißt. Am Ende dieses Weges bist du selber dann das Ziel, du
der du das Leben bist. Manchmal werden diesen Weg viele Menschen mit
mir gehen, und wir werden Hand in Hand tanzend dir entgegen ziehn.
Dann will ich dir mein Gott ein Loblied singen. In der zweiten
Strophe wird der Weg durch die Einsamkeit angesprochen, der Weg, der
durch die Wüste führt, es ist von der Angst die Rede, dass der
Wanderer die Richtung verlieren und im Kreis gehen kann. Der Beter
bittet Gott um die Kraft zum Weitergehen. In der dritten Strophe heißt
es dann: Wenn du Vater mit mir gehst, kann der Weg nicht sinnlos
sein; wenn du an der Hand mich nimmst, weiß ich, ich bin nie
allein; denn ich kann dir o Gott, mein Leben anvertrauen, ich kann
mit dir o Gott mein Leben wagen.
Dieses
Vertrauen wünsche ich Ihnen nicht nur für heute.
Samstag,
9. August 2003
Vielleicht
machen Sie in diesen Tagen oder Wochen eine Wallfahrt, vielleicht führt
Sie ihr Weg zu einem der Plätze, an denen seit Jahrhunderten
Menschen Gott suchen. Dies sind für mich Orte, an denen sich Glaube
verdichtet und ich spüre direkt, wie viel Vertrauen hierher
getragen wurde. Glaube und Vertrauen sind hier Gestalt geworden, ich
fühle mich hinein genommen in diese Glaubensgemeinschaft, die oft
seit Jahrhunderten besteht. Glauben kann niemand von uns allein,
Mitglaubende sind Stützen. Der Beter des Psalms 84 hat dies so
erfahren: ”Wohl den Menschen, die Kraft finden in dir, wenn sie
sich zur Wallfahrt rüsten. Ziehen sie durch das trostlose Tal, wird
es für sie zum Quellgrund. Sie schreiten dahin mit wachsender
Kraft...”
Mögen
sie einen Ort haben oder finden, der ihnen Kraft gibt und Menschen,
die sie auf dem Weg ihres Lebens begleiten und stützen. Wieder
glauben und vertrauen können, das gehört für mich zu den Wundern,
die an Wallfahrtsorten erwartet werden.
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