Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

Mag. Paul Arzt, Salzburg

 

 

Sonntag, 17.8.2003

Wir stehen mitten im Sommer. Heuer ist er ja so heiß wie schon lange nicht mehr. Die einen sind gerade auf Urlaub gefahren, die anderen sind schon zurück und erzählen, wie es war, und zeigen ihre Fotos: beeindruckende Landschaften, lustige Aufnahmen der Familie, Schnappschüsse, die die Erinnerung wach halten an Tage der Entspannung und Erholung.

 

Heute ist Sonntag, der 1. Tag der Woche, der Tag des Herrn. Ein ganz gewöhnlicher Sonntag, ein Sonntag im Jahreskreis. Ein Sonntag im Hochsommer...

 

Der Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und des Gottesdienstes erinnert uns Woche für Woche, dass das Leben mehr ist als Leistung. Vor jedem Arbeits- oder auch Freizeitstress ist unser Leben ein Geschenk.

Im heutigen Gottesdienst hören wir in der Lesung eine Empfehlung, heute würde man sagen: einen Tipp, der den ersten Christinnen und Christen in Ephesus geschrieben wurde: „Sagt Gott dem Vater jederzeit Dank für alles!“ (Eph 5,20) Meine Erfahrung ist, dass ich gerade dann, wenn ich zu mir finde und zur Ruhe komme, in mir – in meinem Herzen – diese Dankbarkeit “für alles“ spüre, die uns die Hl. Schrift nahe legt. Gerade der Sonntag kann uns dabei helfen, dieser in uns schlummernden Dankbarkeit auf die Spur zu kommen.

 

Montag, 18.8.2003

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Arbeitswoche – falls Sie nicht zu jenen Glücklichen gehören, die derzeit auf Urlaub sind. Die Sommerzeit ist ja in vielen Betrieben gar nicht so leicht zu bewerkstelligen. In manchen Wochen ist fast die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht da; und nicht alles kann aufgeschoben werden auf September, bis die Belegschaft wieder komplett ist. Da kann es schon zu Stress und auch zu Konflikten kommen.

 

Meine Kolleginnen und ich – wir sind 5 Leute im Team – machen es seit Jahren so, dass wir bei der Urlaubsplanung darauf schauen, dass nie gleichzeitig mehr als zwei weg sind. Und es geht sich fast immer aus, wenn jeder von uns bei seinen Urlaubswünschen ein wenig nachgibt. Und diejenigen von uns, die die Stellung halten, arbeiten auch für die anderen, die sich gerade erholen, damit diese nicht von einem Berg an Unerledigtem erschlagen werden, wenn sie aus dem Urlaub zurück sind.

 

Hat das etwas mit christlichem Glauben zu tun? – Ich glaube schon. Zumindest sehe ich eine faire und gerechte Urlaubsplanung und die Bereitschaft andere zu vertreten als eine Chance zu konkretem Christsein. Vielleicht hat ja der Apostel Paulus auch schon an etwas Ähnliches gedacht hat, als er schrieb: “Einer trage des anderen Last; So werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (vgl. Gal 6,2).

 

Dienstag, 19.8.2003

Heute lade ich Sie zu dieser frühen Morgenstunde zu einem Kurzausflug ein. Wir fliegen nach Nürnberg, wo heute das Fest des Stadtpatrons, des Hl. Sebaldus, gefeiert wird. Dieser Heilige hat irgendwann zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert gelebt, und zwar als Einsiedler. Und es werden tolle Dinge über ihn berichtet. Einmal soll er auf seinem Mantel über die Donau bei Regensburg gefahren sein. Wanderern und Pilgern soll er gegen Wegelagerer geholfen haben – und viele andere wundersame Legenden erzählt man sich von ihm.

 

Bereits seit dem 11. Jahrhundert wird Sebaldus vom Volk verehrt; heilig gesprochen wurde er von Papst Martin V. im Jahr 1424.

Mir persönlich gefallen zwei Züge an diesem Heiligen, die irgendwie etwas miteinander zu tun haben: Zum einen wird erzählt, dass sich – es war Winter – durch das innige Gebet des Heiligen ein Eiszapfen in Brennholz verwandelt hat. Und andererseits ist es bemerkenswert, dass es eine mittlerweile evangelische Kirche ist, in der die Reliquien des Hl. Sebaldus aufbewahrt werden.

 

Für eine echte Ökumene der offenen Türen zwischen den Kirchen werden noch etliche Eiszapfen zu Feuer werden müssen, scheint mir.

 

Mittwoch, 20.8.2003

Heute denke ich an meinen Neffen Samuel in Klagenfurt. Er feiert seinen Namenstag, und in der Familie meines Bruders steht in guter katholischer Tradition der Namenstag dem Geburtstag nicht viel nach.

 

Mit Samuel, dem Richter und Propheten des Alten Testaments, hat mein Neffe auch einen tollen Namenspatron, von dem es in der Bibel viel zu lesen gibt. Geschichten über Saul und David und das Königtum in Israel. Besonders berührt mich immer wieder die Erzählung von der Erwählung Davids. Isai, sein Vater, stellt Samuel alle seine Söhne vor; aber Gott sagt zu Samuel, dass der Erwählte, der nächste König Israels, nicht dabei ist. Erst auf die bohrende Frage des Propheten, ob Isai nicht noch einen Sohn habe, wird David, der die Schafe hütet, geholt. Und Samuel, der offensichtlich einen übersinnlichen Riecher gehabt hat, erkennt: Dieser ist es!

 

So ein Gespür brauchen auch wir, wenn es darum geht, unsere Mitmenschen zu erkennen. Gerade bei Kindern ist es wichtig, zu erahnen, was in ihnen steckt, sie weder zu viel noch zu wenig zu fordern, sie bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten.

 

Meinem Neffen Samuel wünsche ich einen schönen Namenstag und uns allen ein gutes Gespür “Marke Samuel“!

 

Donnerstag, 21.8.2003

An den warmen Sommerabenden sitzen meine Frau und ich gerne im kleinen Garten vor unserem Haus und genießen das Zirpen der Heuschrecken, bis die Sonne untergeht. Vor ein paar Tagen gesellte sich wieder einmal Nathalie zu uns. Sie ist 8 Jahre alt und genießt die Ferien, geht gerne schwimmen und spielt mit ihren Freundinnen und Freunden. Irgendwie kamen wir auf ihren Religionsunterricht zu sprechen und ich habe sie gefragt, ob sie mir ihr Religionsheft zeigt. Mich interessiert eigentlich alles, was Kinder machen – und gemeinsam haben wir ihr Heft durchgeblättert. Da waren viele schöne Zeichnungen von biblischen Geschichten. Und mittendrin – unter einer wunderschönen strahlenden Sonne, die sie gezeichnet hatte – war ein Morgengebet aufgeschrieben:

 

Lieber Gott, ich bitte dich,

schau auch diesen Tag auf mich.

Was ich denke, red´ und tu,

gib deinen Segen mir dazu.

 

Dieses einfache Gebet hat mich sehr angesprochen, nicht nur weil man es sich leicht merkt. Ich glaube auch, dass Gott einfache Gebete besser versteht...

 

Freitag, 22.8.2003

Haben auch Sie eine Lieblingsstelle in der Bibel? Wir stehen ja mitten im Jahr der Bibel, das unter dem Motto: “Suchen. Und Finden“ steht. Vielleicht haben Sie in den Medien schon da und dort wahr genommen, dass Prominente über ihr Verhältnis zur Bibel und ihre Lieblingsstelle gesprochen haben. Für mich ist das eine interessante Ergänzung zum Steckbrief eines Menschen, wenn ich nicht nur weiß, welche Lieblingsspeise er hat oder Lieblingsmusik er gerne hört. Ich glaube, über eine Lieblingsbibelstelle lässt sich auch viel über die Grundhaltung eines Menschen erfahren.

 

Meine Lieblingsstelle habe ich bereits während meines Theologiestudiums gefunden, und sie ist es geblieben. Sie steht im Buch Jesaja und lautet: „Mach den Raum deines Zeltes weit, spann deine Zelttücher aus, ohne zu sparen. Mach die Stricke lang und die Pflöcke fest!" (Jes 54,2)

 

Wie ein offenes, einladendes Zelt, in dem Vorbeikommende verweilen können und das trotzdem Sicherheit bietet, weil es feste Pflöcke hat – so erträume ich mir mein Leben. Sicherheit und Offenheit ergänzen sich. Ein Bildwort, das mich nicht loslässt und immer wieder fasziniert. – Falls Sie noch keine Lieblingsstelle in der Bibel haben – das Suchen allein ist schon der Mühe wert; Und das Finden erst recht.

 

Samstag, 23.8.2003

Am Samstag wird in vielen Haushalten zusammen geräumt und geputzt. Ich habe in den letzten Wochen auch aufgeräumt und viel weggeschmissen. In einer Woche endet meine zweite Funktionsperiode als Salzburger Kinder- und Jugendanwalt und ich werde mit 1. September diese verantwortungsvolle Aufgabe an meine Nachfolgerin übergeben.

 

Diese Wochen des Abschiednehmens waren sehr spannend, teilweise etwas hektisch, aber doch so, dass ich gut weggehen und das, was meine Mitarbeiterinnen mit mir in 10 Jahren aufgebaut haben, vertrauensvoll übergeben kann.

 

Ich bin eher eine Sammlernatur, ich hebe vieles auf, und das war in den letzten Jahren immer wieder ein Vorteil, abgesehen davon, dass ich selber schon auch darunter gelitten habe, dass meine Ablagestapel höher und höher wurden. Aber: Was meine Kolleginnen gesucht und gebraucht haben – in meinen Stapeln haben sie es oft gefunden.

 

“Es gibt eine Zeit zu sammeln und eine Zeit wegzuwerfen“, heißt es im Buch des Predigers im Alten Testament. Ich hatte Lust daran, vieles noch einmal in Händen zu haben und dann wegzuwerfen – und einige Erinnerungsstücke auf die Seite zu legen. Und jetzt bin ich offen für das Neue, das mich ruft.