Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Weihbischof
Franz Lackner (Graz)
Sonntag,
14.9.2003
Vom
rechten Anfangen
Beginn
und Anfang sind verschieden. Beginnen ist der erste Schritt. Doch
die Weise unserer Bewegung ist das Anfangen. Anfangen weist uns den
weiteren Weg. Anfangen ist etwas Durchgängiges, es ist letztlich
das Prinzip, das trägt. Der Beginn bleibt zurück, wird
Vergangenheit. Das unterscheidet den Anfang vom Beginn. Im Anfang
ist immer etwas von der Ursprungssehnsucht da; der Anfang weist tief
in das Göttliche hinein: Im Anfang war das Wort. Und das Wort war
bei Gott, und das Wort war Gott. Das Wort Gottes ist immer da, es
ist bleibend da in Jesus Christus. Der Anfang ist verborgen im
Jetzt. Im Anfang ist die Liebe der ersten Stunde aufgehoben. Das
Gelingen hängt wesentlich von einem mutigen, beherzten Anfangen ab.
Der heilige Augustinus sagt einmal: Die erste Stunde ist wie das
Steuer des Schiffes. Es weist uns den Weg.
Montag,
15.9.2003
Die Bedeutung der Verborgenheit
Das
Wesentliche geschieht oft im Verborgenen. Nazaret ist der Ort der
Verborgenheit Gottes. Im Hause Mariens in Nazaret, in der Normalität
dieses Alltags, war Gott in einer Weise und Dichte gegenwärtig, wie
es zuvor nie möglich und denkbar war. In Jesus Christus ist Gott
selber gegenwärtig. Dieses Zusammensein von Gott und Mensch im
Hause Mariens war und ist Paradies. Dies bedeutet, dass Gott immer
schon ein Gott mit den Menschen sein wollte. In Nazaret war dies über
einen Zeitraum von 30 Jahren im Verborgenen möglich; hier ereignete
sich Paradies. Jesus, der Gottes- und Menschensohn musste jedoch
Nazaret, die Intimität, verlassen; er musste diese ursprüngliche
Geborgenheit und Verborgenheit aufgeben, damit sich die Schriften
erfüllten. Auch uns ist Paradies möglich: Durch die Taufe, durch
das verborgene Wirken Gottes und Jesu in uns. Letztlich aber führt
auch unser Weg – wie der Weg Jesu – aus der ursprünglichen
Verborgenheit und Geborgenheit hinaus in die Unsicherheit.
Dienstag,
16.9.2003
Unser Leben ist Unterwegs sein
Der
Mensch ist häufig versucht, zu verweilen, zu bleiben. Im
Eigentlichen ist uns aber das Weggehen aufgetragen. Auch Jesus
musste weggehen. Sein Weg führt von Nazaret nach Jerusalem. Am
Anfang steht die Begeisterung, es ist die Zeit der Wunder und der
Brotvermehrung, doch der Weg führt nach Jerusalem, hinein in die
Entäußerung, in die Angst. Die Menschen am Weg wollen einen Jesus
sehen, der Wunder tut. Sie wollen einen Jesus zum Festhalten. Sie
erkennen nicht, wer er wirklich ist, nämlich der Menschensohn. Mit
dem Verlassen von Nazaret beginnt bereits sein Kreuzweg. Jesu Weg
ist auch unser Weg; es ist ein Weg, auf dem Mitmenschen etwas von
uns wollen. Dabei nimmt der Mensch seinen Mitmenschen nie ganz
ernst; er nimmt das, was ihm dienlich ist. Hier stehen auch wir am
Scheideweg: der breite Weg der Masse oder der schmale Weg zur
Gottes- und Selbsterkenntnis. Auch wenn wir weggehen, uns von vielen
verabschieden und manches aufgeben müssen: Bleiben wir uns selber
treu!
Mittwoch,
17.9.2003
Licht in der Dunkelheit
Licht
strahlt und leuchtet uns in unserem Leben an, es kommt auf uns zu,
selber werfen wir die Schatten. Doch der Mensch versteht und
definiert sich gerne vom anderen her, von dem, was Mitmenschen über
einen sagen. Um sich dabei selber treu zu bleiben, müssen wir in
die Dunkelheit unseres Herzens hinabsteigen. Auch Jesus ist in der
Nacht, nachdem er mit seinen Jüngern Mahl gehalten hat, in die
Dunkelheit seines Herzens hinab gestiegen. Dunkelheit ist der Ort,
wo ich in meiner tiefsten Einsamkeit und in meiner Einzigartigkeit
dastehe vor den Menschen und vor Gott. Die Dunkelheit des Herzens
ist aber auch der Ort der Unabhängigkeit. Hier kann ich zum
Mitmenschen und zu Gott absichtslos, frei und aus uneingeschränkter
Liebe Ja sagen. Mystiker sprechen in diesem Zusammenhang oft von der
Nacht des Glaubens. In dieser Dunkelheit waren und sind Menschen zu
größten Entfaltungen im Glauben imstande, weil sie an Gott, an das
Licht bedingungslos glauben. Selig, die nicht sehen und doch
glauben!
Donnerstag,
18.9.2003
Gottes Gabe: Eucharistie
Wie
sehr habe ich mich gesehnt, mit euch dieses Mahl zu feiern, so die
Worte Jesu am Beginn des letzten Mahles vor seinem Tod. Die
Eucharistie ist unendlicher Ausdruck dafür, dass Gott ein Gott für
die Menschen und mit den Menschen ist. Jesus bricht für uns das
Brot und reicht den Becher weiter; er bricht gleichsam sein Leben für
uns und teilt es mit uns: Seht, das ist mein Leib, für euch
hingegeben. Seht, das ist mein Blut, für euch vergossen. Tut zu
meinem Gedächtnis ebenso. Der heilige Franziskus war zutiefst berührt
von diesem Ereignis. Seht die Demut Gottes, rief er aus. Seht, wie
sich Christus in der anspruchslosen Gestalt des Brotes verbirgt!
Schlicht und unaufdringlich. Wenn wir Eucharistie feiern, geschieht
Wandlung. In der Eucharistiefeier wird uns die unwiderrufliche
Zusage gemacht, dass nicht die Dunkelheit des Karfreitags das Letzte
ist, sondern das Licht der Auferstehung am Ostermorgen. Eucharistie
– welch kostbares Gut ist uns hier anvertraut! Herr, bleibe bei
uns, brich mit uns das Brot und teile mit uns das Leben.
Freitag,
19.9.2003
Von der Not und dem Segen des Scheitern
Jesu
eigentliche Verkündigung wurde nicht angenommen, selbst dort nicht,
wo er das ganz normale Leben geteilt hat. So gesehen ist Jesus aus
menschlicher Sicht gescheitert. Solange er der Sohn des Zimmermanns
und der Wundertäter war, hat man ihm gerne zugestimmt. Doch als er
aussprach, wer er im Innersten ist, wurde er abgelehnt. Menschen
wollen die Rolle, aber nicht die Person, sie wollen die Funktion,
aber nicht das ursprüngliche Wesen sehen. Jesus spricht am Anfang
nicht vom Kreuz, sondern vom Nahegekommensein des Reiches Gottes.
Doch mit der Wendung nach Jerusalem kommt der radikale Einbruch:
Seine Rede wird hart, er spricht vom Kreuz und kennt keinen
Kompromiss mehr. Einsam und verlassen, selbst von Gott, stirbt er am
Kreuz. Der Mensch will immer am Kreuz vorbei. Aber das Kreuz ist
Realität in vieler Menschen Leben. Das Kreuz verwundet, es tut weh,
aber es zerbricht nicht, sondern es versöhnt. Der heilige
Franziskus hat dies am eigenen Leib erfahren: Nach seiner
Kreuzeserfahrung ist er zutiefst versöhnt mit seinen Brüdern und
mit Gott. Franziskus kämpft nicht mehr. Im Kreuz ist Heil, im Kreuz
ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung.
Samstag,
20.9.2003
Auferstehung
Als
es noch dunkel war, machten sich die Frauen auf den Weg zum Grab
Jesu. Wer wird uns den Stein vom Eingang wegwälzen? Die Frauen
wussten, dass ihre körperliche Kraft nicht ausreichte, um den Stein
zu bewegen. Eigentlich war es sinnlos, den Weg fortzusetzen, aber
sie gingen trotzdem weiter. Als sie am Grab ankamen, war das
Unglaubliche bereits geschehen: Der Stein war weggewälzt, das Grab
aber leer. Maria von Magdala verharrte trotzdem am leeren Grab, während
die anderen Frauen wegliefen. Und siehe, sie war die erste, die mit
Namen von Christus, dem Auferstandenen, gerufen wurde. Auch uns
liegen oft Steine, scheinbar unüberwindliche Hindernisse, im Weg.
Lassen wir uns davon nicht abschrecken, gehen wir trotzdem weiter.
Und auch wenn unsere Herzen oft leeren Gräbern gleichen und
jegliche Sinnlosigkeit auf vielen von uns lastet: Haben wir Mut,
diese Leere auszuhalten, laufen wir nicht davon, denn nur so werden
wir Christus, dem Auferstandenen begegnen und selbst die Erfahrung
von Auferstehung machen. Und der Mund wird nicht schweigen können,
wovon das Herz voll ist.
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