Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Dr. Adolf Karlinger, Pfarrer in Innsbruck/Saggen
Sonntag, 12.10.2003
Niemand ist unfehlbar.
Das
hört man oft. Und es stimmt auch.
Niemand
ist unfehlbar. Nicht der Kaiser, nicht der König, nicht der
Bundespräsident und auch nicht der Papst, denn auch der Papst ist
nur ein Mensch und es ist geradezu ein Grundrecht des Menschen,
Fehler machen zu dürfen.
Also
auch der Papst ist nicht unfehlbar. Wenn der Papst über das Wetter
spricht, ist er nicht unfehlbar. Wenn der Papst eine wichtige
politische Meinung vertritt, ist er nicht unfehlbar. Wenn der Papst
ein Rundschreiben über Glaube und Sitte herausgibt, ist er nicht
unfehlbar. Denken Sie an die berühmte und viel diskutierte
Enzyklika über die Geburtenregelung von Papst Paul VI.
Wir
Katholiken glauben an die Unfehlbarkeit des Papstes, aber nur in
einem sehr eingeschränkten Maß, in Ausnahmefällen, die alle 100
Jahre einmal vorkommen.
Der
Papst ist unfehlbar, wenn er
-
„ex
cathedra“ spricht, d.h. wenn er sich ausdrücklich auf sein
Amt als oberster Lehrer der Kirche beruft, wenn er
-
Glaube
und Sitte der katholischen Kirche auslegt und wenn er
-
definiert
d.h. klar abgrenzt, was der Glaube der Kirche ist und was der
Glaube der Kirche nicht ist. Nur für diesen Fall glauben wir
Katholiken, dass der Papst uns nicht in die Irre führt, dass
diese Verkündigung, die wir dann ein Dogma nennen, unfehlbar
ist.
Die
letzte unfehlbare Entscheidung war im Jahre 1950 . Also keine
Aufregung über die Unfehlbarkeit des Papstes.
Montag, 13.10.2003
Der Beichtvater des Papstes
Ich
weiß nicht, wer der Beichtvater von Johannes Paul II. ist.
Vielleicht ist es ein Kurienkardinal, oder ein ganz einfacher
Kapuziner, vielleicht ist es ein gescheiter Jesuit oder ein junger
polnischer Kaplan. Ich weiß nur, dass der Papst tatsächlich einen
Beichtvater hat.
Manche
Leute wundern sich darüber, weil sie meinen, dass der Papst wegen
der Unfehlbarkeit ja gar nicht sündigen kann. So ist es aber nicht.
Denn unfehlbar ist der Papst ja nur, wenn er ex cathedra spricht,
das heißt nur dann: wenn er als der höchste Lehrer der Kirche in
Glaubens- und Sittenfragen eine Wahrheit definiert, d.h. deutlich
abgrenzt, dann führt er die Kirche nicht in die Irre, das heißt im
üblichen Sprachgebrauch, er ist unfehlbar
Also
auch der Papst kann sündigen und braucht darum seinen Beichtvater.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Heilige Vater solche Sünden
beichtet, die er als Kind in seiner polnischen Heimat gelernt hat.
Die Sache mit dem Morgen- und Abendgebet, dem unandächtig beten,
nicht folgen, streiten und die vielen Sünden, die auch wir als
Kinder gelernt haben.
Ich
muss aus Respekt meine Phantasie und meine Neugier im Zaum halten.
Dennoch möchte ich wissen, wie es dem Heiligen Vater wirklich geht,
wenn er an die Priester denkt, die ihr Amt verlassen mussten, weil
sie die Frau ihres Lebens gefunden haben, wenn er an die
Geschiedenen-Wiederverheirateten denkt, die vom Tisch des Herrn
ausgeschlossen sind.
Ich
denke, der Heilige Vater braucht einen sehr guten Beichtvater.
Dienstag, 14.10.2003
Ein Papst tritt zurück
Es
war vor etwa 700 Jahren. Im Streit zwischen den römischen
Adelsfamilien der Colonna und der Orsini wird ein Benediktinermönch
als unverfängliche Person zum Papst gewählt. Er nennt sich Cölestin
V. Der politische Herrscher brachte ihn nach Neapel und benutzte den
unerfahrenen Mönch als sein politisches Werkzeug. Papst Cölestin
zog sich in eine Mönchszelle zurück und dachte nach. Er spürte,
dass er den Anforderungen des Amtes nicht gewachsen war. Er dachte
schließlich daran, dass die Kardinäle die Kirche regieren sollten.
Am 10. Dezember des Jahres 1294 - vor etwa 700 Jahren also - erließ
er ein Gesetz über die Abdankung von Päpsten und legte drei Tage
später tatsächlich freiwillig sein Amt zurück.
Auch
Johannes Paul II. könnte abdanken. Viele Menschen würden es verstehen, vielleicht sogar begrüßen, oder wegen
seines körperlichen Zustandes sogar fordern. Er könnte es tun. Er
tut es nicht. Was sind seine Gründe? 700 Jahre hindurch hat kein
Papst abgedankt, sondern jeder trug bis zu seinem Tod die Würden
und Bürden des Amtes. Es könnte sein, dass Johannes Paul II. der
Welt zeigen möchte,
was es heißt, treu zu sein bis in den Tod. Oder auch, dass er
zeigen will, wie man langsam stirbt. Da heute das Sterben ja ohnehin
eher verdrängt wird. Ich weiß es nicht.
Johannes
Paul II. könnte abdanken - jederzeit, er tut es nicht.
Mittwoch,
15.10.2003
Bitte kein Dogma!
Jeden
Augenblick könnte der Papst ein Dogma verkünden und die ganze
katholische Weltkirche müsste das glauben. Dagegen wehrt man sich.
Aus diesem Grund haben Dogmen derzeit einen schlechten Ruf. Darum
bitte, kein Dogma!
Wörtlich
heißt „Dogma“ – was als richtig erschienen ist. Dogmen sind
die Glaubenssäulen der Kirche.
Ich
habe bei der Matura meinen Religionskandidaten einige Male die Frage
gestellt: Hört bei den Dogmen der Kirche das Denken auf, oder fängt
es an. Die Gescheiten haben gesagt, beim Dogma fängt das Denken an,
die weniger gescheiten haben gesagt, da hört das Denken auf. Darin
liegt das Problem. Man versteht nicht sofort, was der Inhalt des
Dogmas ist und tut es kopfschüttelnd ab.
Die
Geheimnisse des Glaubens sind aber nicht so schnell einsichtig. Man
denkt nicht mehr nach, was hinter der Formulierung des Dogmas
eigentlich gemeint ist. Die Theologen und Prediger müssen die
Dogmen auslegen, neu formulieren, in die Sprache von heute übersetzen
und so weit wie möglich auch plausibel auslegen.
Völlig
missverstanden wird das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis, das
wir am 8. Dezember feiern, wo es darum geht, dass Maria als Mutter
Jesu schon vom ersten Augenblick ihrer Existenz an „voll der
Gnade“ ist – auserwählt, bevorzugt ist. „Der Glaube sucht den
Verstand“. Ich möchte soweit wie möglich auch verstehen, was ich
glaube.
Donnerstag,
16.10.203
Petrus, der Fels
Du
bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche
bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
Dies ist in lateinischer Sprache an der Innenseite der mächtigen
Kuppel der Peterskirche in Rom zu lesen.
Eigentlich
heißt er Simon, der Fischer vom See Genezareth, ein einfacher Mann,
Familienvater ohne jede weitere Schulbildung. Er bekommt von
Christus selbst den Übernamen „Kephas“, was auf lateinisch
Petrus, auf deutsch „Fels“ heißt. Den Simon hat man im Laufe
der Zeit fast ganz vergessen, er heißt heute einfach Petrus.
Von
ihm werden auch einige unrühmliche Geschichte erzählt: So hat er
z. B. im Hof des Hohepriesters gesagt: „Ich kenne den Menschen
nicht“, d.h. ich kenne Jesus nicht. Und sofort krähte der Hahn.
Eine
Legende erzählt, dass Petrus zur Zeit der Verfolgung unter Kaiser
Nero aus Rom fliehen wollte, um seine Haut zu retten. Auf der Via
Appia kommt ihm Jesus entgegen und Petrus fragt ihn: Wohin gehst du?
Quo vadis? Ich gehe nach Rom, um mich noch einmal kreuzigen zu
lassen, sagt Jesus, worauf Petrus sofort nach Rom zurückgeht, wo er
dann auch mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wird.
Dieser
Petrus wird der Fels der Kirche. 265 Päpste folgen ihm nach,
Johannes Paul II. ist der 266. Insgesamt gab es im Laufe der
Kirchengeschichte auch 36 Gegenpäpste. Jeder rechtmäßige Papst
war auf seine Weise ein Petrus, ein Fels in den Stürmen seiner
Zeit.
Freitag, 17.10.2003
Der Papst und die Ministrantinnen
Einige
Kurienkardinäle trafen sich in den langen Gängen des Vatikan und
begannen über den Zustand der katholischen Kirche zu klagen: In den
Stammländern der Christenheit nimmt der Kirchenbesuch ständig ab,
sagt der eine. Die Spaßgesellschaft nimmt so überhand, dass es
kaum noch Priester- und Ordensberufe gibt, sagt der andere. Kein
Gehorsam dem Heiligen Vater gegenüber, überhaupt, Glaube und Sitte
verkommen in den aufgeklärten reichen Ländern, stellt der dritte
fest. Und der vierte bedauert, dass auch der Peterspfennig nur mehr
sehr spärlich fließt, sodass auch ihre ohnehin mageren Pensionen jährlich
gekürzt werden. So kann es nicht weitergehen, man muss etwas tun.
Die
Ministrantinnen! Das fällt plötzlich einem ein. Die
Ministrantinnen sind ein Grundübel unserer Kirche. Keine Buben mehr
am Altar, kein Priesternachwuchs. Überhaupt die Frauen. Und das
Jammern nimmt kein Ende.
Eine
sehr fromme, konservative Zeitschrift mit dem Namen „Jesus“
greift die Ideen der Kardinäle auf. Bis dahin ist für mich alles
plausibel. Nur dass die Weltpresse aus dieser Mücke einen Elefanten
macht und die Weltkirche betreten aufheult und die Weltöffentlichkeit
endlich wieder mit dem Zeigefinger auf die konservative katholische
Kirche zeigen kann, das wundert mich.
Und
der sterbenskranke Papst Johannes Paul II. hat dieses Mal mit den
Ministrantinnen sicher gar nichts zu tun.
Samstag,
18.10.2003
Die Schlüssel des Petrus
Die
Heiligen unserer Kirche erkennt man meist an ihren Symbolen und
Werkzeugen. Der Hl. Florian hat einen Wassereimer, der Hl.
Laurentius einen Rost, der Heilige Paulus ein Schwert und der
Heilige Petrus einen Schlüssel. Jesus sagte zu Petrus: Dir will ich
die Schlüssel des Himmelreiches geben, was immer du auf Erden
binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein. Was immer du
auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.
Wie
wichtig die Schlüssel sind, merkt man erst wenn man sie verliert,
den Schlüssel zur Wohnung, zum Tresor, oder den Autoschlüssel. Wie
oft habe ich meine Schlüssel schon verloren und wieder gefunden.
Viele Gläubige rufen da gern den Heiligen Antonius an.
Petrus
und seine Nachfolger, die Päpste, bekommen den Schlüssel zum
Himmelreich. Zwar sind die Päpste im Laufe ihrer Geschichte immer
auch Schlüsselfiguren in der Kirchen- und Weltpolitik gewesen. Ich
denke an unseren jetzigen Papst, Johannes
Paul II., er hat die Türen aufgemacht zu den anderen Kirchen
und Weltreligionen, zu den Juden und zu den Muslimen. Er besuchte
und betrat als erster Papst die altehrwürdige Moschee in Damaskus.
Er sprach in der Vollversammlung der UNO. Er besuchte seine Gläubigen
auf der ganzen Welt. Und er hat, ähnlich wie Johannes XXIII., auch
den Schlüssel zu vielen Herzen der Menschen gefunden. Ich darf aber
auch glauben, dass Petrus und seine Nachfolger noch einen kleinen
goldenen Schlüssel haben, der über die Welt hinaus und durch die
Kirche hindurch ein Stück Himmel für viele und auch für mich
auftut.
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