Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Prof.
OstR DDr. Martin Bolz (Wien)
Erster
Advent, das erste Stopplicht auf dem Adventkranz wird angezündet.
Ich sage ganz bewusst Stopplicht, denn die Kerzen auf dem
Adventkranz erzählen etwas vom Stoppen, Anhalten, Einbremsen
inmitten einer ungebremsten Zeit. So kann es mit uns nämlich nicht
weitergehen, heißt der allgemein gültige Satz, es braucht Zeiten,
heilige Zeiten des Innehaltens, Atemschöpfens und der Ruhe, denn
den Dauerlauf des täglichen Lebens kann man ja nur aushalten, wenn
man irgend wann einmal neue Kräfte schöpfen kann.
Der
Adventkranz hatte schon immer eine pädagogische Bedeutung, hat er
doch auf die Geburt Jesu hingewiesen, auf die ewige Zusage Gottes in
Form des runden, immer grünen Kranzes, im Gottesdienst auf die vier
besonderen Sonntag bis Weihnachten. Und diese pädagogische
Bedeutung hat es noch heute, sowohl in der Kirche wie in jeder
einzelnen Wohnung. So kann es nicht weitergehen, sagt das erste
Stopplicht, die erste Kerze auf dem Adventkranz, denn nur ein Leben
mit dem Zeit-Verbringen zwischen Aufstehen und wieder Schlafen gehen
ist zu wenig, da braucht es schon mehr. Und wenn jetzt in den
Kirchen das neue Kirchenjahr beginnt, dann soll es wohl mit ein
wenig mehr Inhalt gefüllt werden können als das Vergangene, denn
der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort,
das aus dem Mund Gottes kommt. Diese Stimme Gottes ist leise,
deswegen braucht es das Stopplicht, damit man zum Hören kommt
und man auch verstehen kann. Und erst wenn alle vier
Stopplichter auf dem Adventkranz heruntergebrannt sein werden, dann
heißt es Achtung, weil es dann grün wird für die neue Fahrt in
das weitere Leben.
Montag, 1.12.2003
Der
„Jahrhundertbus“ fährt unermüdlich. Ich habe das Auto öffentlich
so getauft, bei einem Heurigen, dem Geburtstagsfest der Fahrerin.
Das Auto ist ein kompaktes Fahrzeug, natürlich mit Automatik,
wendig und bequem. Die Fahrerin ist nämlich 80 Jahre alt geworden
und sie ist von den Vieren im Auto die Jüngste. Der Älteste ist
ihr Mann und die beiden Damen auf den Rücksitzen sind in ihrem
Alter zwischen den beiden. Wenn man also die Lebensjahre der
Insassen dieses Autos zusammen zählt, dann kommen einem die
Jahrhunderte entgegen, deswegen die liebevolle Bezeichnung:
„Jahrhundertbus“. Und so wird mit dem Auto eben unermüdlich
gefahren, zum Einkaufen dorthin, wo es günstig ist, im Frühjahr
ins Marchfeld zum Spargel Kaufen, an den Neusiedlersee zum Wein Einkaufen, auf den Bogusch zum Mittagessen, nicht zu
vergessen die Ausflugs- und Urlaubsfahrten.
Ich
wünsche diesem Auto und den Vieren darin noch manches Jahr des
Fahrens, man fährt in der Stadt nicht über 50 und auch nicht bei
Rot über die Kreuzung, über Land fährt man zügig, aber rast
nicht, aber alles in allem, Leben ist Bewegung, mögen auch einige
allzeit Eilige unbedacht ihren Finger auf der Hupe haben. Ich denke
mir, für diese Senioren ist wie für alle anderen älteren Menschen
in unserem Land der Advent das unausgesprochene Gebet um weitere
geschenkte Zeit, weil jeder neue Tag ein Geschenk Gottes ist.
Dienstag, 2.12.2003
Advent
riecht und schmeckt man. Wenn die Weihnachtsbäckereien noch zu
Hause gemacht werden, dann kann man es überall riechen und natürlich
auch hin und wieder ein wenig vom übrig gebliebenen Teig kosten. So
kann man es in den Kinderbüchern nachlesen und so mag es auch noch
in manchen Familien gehalten werden. Nachdem es jedoch all diese Köstlichkeiten
mehr und mehr zu kaufen gibt, wird die Bäckerei im Advent halt
weniger. Dafür gibt es dann andere Gerüche, neue Formen des
adventlichen Beisammenseins entstehen. Jahr für Jahr werden die
Punschstände in der Stadt mehr und mehr, Punsch wird im Freien
getrunken, zugunsten wohltätiger Zwecke. Da steht man also
beieinander, trifft alte und neue Bekannte, plaudert und trinkt
einen Becher Punsch, mitten in der ganz alltäglichen beruflichen
Hetzerei und trotzdem ist es irgend etwas Besonderes.
Duft
und Geschmack von Punsch sind zu einem neuen Markenzeichen des
Advent geworden, es ist, als müsse man dabei gewesen sein, in
dieser großen Familie. Und
von den Punschständen sind es auch nicht viele Schritte zu den
Advent- und Weihnachtsmärkten, bei denen die Zuckerwatte zu finden
ist. Punsch und
Zuckerwatte sind die neuen Zeichen des Advent, ein bisserl was Süßes,
es zergeht alles auf der Zunge und bleibt als Erinnerung zurück. Es
heißt ja nicht umsonst in der Liturgie: „Schmecket und sehet, wie
freundlich der Herr ist.“ Die Liebe Gottes erfährt man eben auch
über den guten Geschmack. In all dem ist auch ein wenig Wehmut der
erwachsenen Kinder drin, etwas verloren zu haben und doch zu wollen:
eine neue Zeit vielleicht mit mehr Verständnis füreinander.
Mittwoch, 3.12.2003
„Wie
heißt eigentlich die Frau von Noah?“ Sechs Jahre alt ist sie, die
fragt, denn sie hat gerade eine Arche Noah zum Spielen geschenkt
bekommen. Die dazu gehörige Geschichte kennt sie schon ziemlich
genau. Also wie hieß Noahs Frau? Stirnrunzeln, Nachdenken, dann
Nachschlagen in den schlauen Büchern mit dem Ergebnis, dass man es
immer noch nicht weiß. Immerhin, die drei Söhne hießen Sem, Ham
und Japhet, Namen, die für damals bekannte Menschengruppen, also
die Semiten, die Afrikaner und die Mongolen gestanden haben, das weiß
man ja, aber wie hieß bloß seine Frau?
Sechs
Jahre alt muss man sein, um die Antwort zu wissen: „Noahs Frau heißt
Schatzi!“ Na klar, wenn man nicht so verbohrt erwachsen denkt und
sich fragt, wie sie wohl geheißen haben könnte, damals, in der
Vergangenheit, sondern wenn man in der Gegenwart lebt und den Noah
als Zeitgenossen begreift, dann muss seine Frau einfach „Schatzi“
heißen. Der Papa nennt die Mama ja auch so und das hat etwas mit
Liebhaben und Achtung zu tun und so gehört sich das ja auch. Noahs
Frau heißt Schatzi wie die Mama auch und jetzt kann ich in Ruhe mit
der Arche Noah spielen, weil alles klar ist, sie bietet Sicherheit
gegen alle Gefahren von draußen, weil drinnen die Menschen sich
gegenseitig mögen. Manchmal wird man das Gefühl nicht los, als ob
gerade die Wochen vor Weihnachten von der Sehnsucht beherrscht sind,
man könne jetzt endlich eine Arche bauen, die den Stürmen der Zeit
trotzt, die Familie bewahrt und die am Ende wieder verlassen werden
kann, um ein absolut neues Leben anzufangen. Der biblische Noah und
sein „Schatzi“ sind dann das tröstende Beispiel, das so etwas
auch funktioniert.
Donnerstag, 4.12.2003
Vor
der Einführung des Euro habe ich nicht selten auf der Straße ein
Zehngroschenstück gefunden. Diese im Wert fast geringste Münze der
Vergangenheit ist wohl bei nicht Wenigen immer wieder irgendwie
durchgerutscht und hinterher wohl auch kaum abgegangen, denn sonst hätte
ich nicht so manches Zehngroschenstück finden und in den
Klingelbeutel legen können. Mit der Einführung des Euro lag dann
kein Geld mehr auf der Straße, erst vergangene Woche habe ich zum
ersten Mal eine 1 Cent Münze gefunden. Warum das so ist weiß ich
nicht wirklich, aber ich vermute halt einfach einmal, dass die Leute
mehr auf ihre Sachen schauen. Ich verstehe das auch, denn gerade die
Vorweihnachtszeit hat es so an sich, dass man sein Geld zusammen
halten muss, damit man Geschenke kaufen kann, weil die Wertschätzung
eines Menschen offenbar nicht selten über die Schätzung des Wertes
eines Geschenkes geht. Da darf man keinen Cent verlieren. Man darf
auch dann nichts verlieren, wenn man nichts mehr zum Verlieren hat.
Wenn
kein Geld mehr auf der Straße liegt, heißt das dann, dass die
Leute zunehmend mehr auf die geringen Dinge schauen? Wenn das so
ist, dann ist der heurige Advent wirklich der Auftakt zu einer neuen
Zeit. Das lateinische Wort „Advent“ heißt auf deutsch Ankunft
und damit ist die Sehnsucht nach einer menschenwürdigen Zeit
gemeint, wie sie an Weihnachten nun einmal verkündet wird. Ob aber
die göttliche Verheißung einer neuen Zeit auch bei den Menschen
ankommt, das entscheidet immer noch Gott alleine.
Freitag, 5.12.2003
Warum
gehört eigentlich bei uns der Schnee zu Weihnachten? Hat das etwas
mit unserem Klima zu tun, wo um diese Zeit normaler Weise Schnee
liegt? Oder hängt das doch eher mit all den Geschichten zusammen,
die früher wie heute in dieser Jahreszeit Kindern vorgelesen
werden, in denen von Weihnachten und Schnee die Rede ist? Sind es
die Bilder, bei denen die Verbindung von Landschaft und Schnee
sofort die gedankliche Verbindung zu Weihnachten hergestellt wird?
Sind es die Advent- und Weihnachtslieder, die man gelernt hat und in
der Schule lernt? Möglicherweise hängt das alles miteinander
zusammen, denn ich bin überzeugt davon, dass Menschen anders als
Maschinen Zeiten von Ruhe, Zurückziehen und Besinnung brauchen. Der
Schnee ist das Zeichen dafür, dass andere Werte eine Bedeutung
gewinnen, wenn auch die Natur sich unter eine Schneehaube zurückzieht.
Und die Wiederentdeckung dieser anderen Werte, die während des
ganzen Jahres unter der Eisdecke des täglichen funktionieren Müssens
eingefroren liegen, ist so zutiefst menschlich, weil der
menschenfreundliche Gott die Schöpfung eben so eingerichtet hat,
dass die Menschen auch zur Besinnung kommen können.
Deswegen
halte ich viel von dem Kitsch und der Folklore des Schnees vor und
zu Weihnachten, von dem knirschenden Stapfen im Schnee und den dicht
fallenden Schneeflocken, weil auf einmal mit allen Sinnen begreifbar
wird, dass auch ganz andere Erfahrungen zum täglichen Leben dazu
gehören. Und irgendwie möchten ja alle wenigstens irgendwann
einmal im Jahr wieder wie die Kinder sein, sich freuen, kleine
Geheimnisse haben und an das Advent- und Weihnachtsgeschehen glauben
können.
Samstag, 6.12.2003
Der
Bart ist ab, spätestens heute Abend, wenn die vielen Nikolause und
Weihnachtsmänner ihren Dienst getan haben. Dann wird der Bart
abgenommen und mit dem Gewand aufgehoben, bis zum nächsten Jahr.
Eltern, Kinder und die Nikolause rufen sich dann noch die eine oder
andere Begebenheit des heutigen Tages in Erinnerung und schmunzeln
dabei. Der Bischof auf Abruf hatte seinen Auftritt.
Dabei
hat es diesen Nikolaus ja wirklich einmal gegeben, der als Bischof
dafür gesorgt hat, dass seine hungernde Gemeinde etwas zum Essen
bekommen hat. Dieses Beispiel ist so nachdrücklich in Erinnerung
geblieben, dass der 6. Dezember als Tag des Nikolaus im Kalender
festgehalten und bis heute auch begangen wird. Nur die Gestalt des
Nikolaus hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert: statt der
Lebensmittelversorgung für alle ist er zum Kindernikolaus geworden.
Er hat noch den Sack, in dem sich kleine Geschenke für die Kinder
befinden. Und weil Geschenke ja auch verdient werden müssen, hat er
die Rute dabei, deren Anwendung vor allem die Kinder daran erinnern
soll, dass sie sich schon anstrengen müssen, damit sie etwas
Besonderes bekommen können. Nikolaus, der Helfer seiner Gemeinde
hat sich ein wenig in den Rohrstaberloberlehrer verwandelt, den man
durch Bravsein und Hersagen von Gedichten zufrieden stellen muss. In
diese Szene passt dann auch der Krampus ganz gut dazu, der kann das
Strafen und Schrecken mit Ketten und Geschrei noch besser als der
Nikolaus.
Ich
persönlich mag den Nikolaus, ohne Rute, ohne Sack, als Erinnerung
daran, dass man als Christ soziale Aufgaben wahrzunehmen hat.
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