Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

Msgr. Dr. Ernst Pöschl aus Eisenstadt, Burgenland

 

Sonntag, 11.01.2003

Auf einer Spruchkarte habe ich gelesen: „Halt an! Wo läufst du hin?“

Wo laufe ich eigentlich hin? Wo fahre ich hin, damit es noch schneller geht? Warum tun wir das alles? Ganz einfach, um dort glücklich zu sein.

 

Der zweite Satz auf der Spruchkarte sagt mehr: „Der Himmel ist in dir!“

Gott schenkt uns im Herzen – so können wir es ausdrücken – ein Glück, das die Welt uns nicht bieten kann. Mitten im Alltag kann uns dieses Glück geschenkt werden: ein innerer Friede, tiefe Freude. Damit ist auch gemeint, dass Gott in unseren Herzen ist. Und wo Gott wohnt, da ist Freude des Himmels.

Der Spruch schließt mit den Worten: „Suchst du den Himmel anderswo, du verfehlst ihn für und für.“

 

Einer hat im Leben viel gesucht und ist viele Irrwege gegangen. Später wurde er ein ganz großer Heiliger. Er hat das alles selbst erfahren. Vor rund 1600 Jahren hat der Hl. Augustinus gesagt: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir, O Gott!“

 

 

Montag, 12.1. 2004

Der Film, „Ein Leben für den Frieden“, der vor wenigen Wochen im Fernsehen gezeigt wurde, hat viele Zuseher wieder an Papst Johannes XXIII. erinnert, der durch seine gütige Art die Menschen begeistert hat. Gerade der innere Friede seiner Persönlichkeit war es, der ihn, als er überraschend zum Papst gewählt wurde, die Bürde seines Amtes tragen ließ. Damals stellte er für sich „Regeln der Gelassenheit“ auf. Diese Regeln sprechen vom persönlichen Glück, vom seelischen Gleichgewicht, von der Zeitplanung und vom Umgang mit Angst.

 

So heißt die erste Regel: „Heute, nur heute, werde ich mich bemühen, den Tag zu leben, ohne die Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.“

Der Beginn dieser Sätze mit: „Heute, nur heute“ soll Mut machen, für einen Zeitraum, der leicht überschaubar ist. Wir könnten sehr leicht aufgeben, wenn wir sozusagen Probleme des ganzen Lebens vor uns sehen. Der Schlüssel liegt dabei im Vertrauen auf Gott und nicht auf die eigenen Kräfte. Eine weitere Regel Johannes XXIII: „Heute, nur heute, werde ich keine Angst haben. Ich werde mich an allem freuen, was schön ist und an die Güte Gottes glauben.“

 

 

Dienstag, 13.01.2004

Auf einer Landstraße ist mein Auto plötzlich stehen geblieben. Ich lenke es an den Straßenrand. Nun bräuchte ich jemanden, der sich beim Auto besser auskennt als ich. Ich rufe mit meinem Handy den Pannendienst an. Der Fehler ist rasch behoben. Der fehlerhafte Bestandteil wurde ausgetauscht und ich kann weiterfahren.

 

Wie mir das passiert ist, habe ich an das Wort von Johannes XXIII. gedacht: „Heute, nur heute, werde ich in der Gewissheit leben, dass ich von Gott für das Glück geschaffen wurde. Nicht erst für den Himmel, sondern schon jetzt auf Erden!“

 

Was dieses Wort mit mir und meinem defekten Auto zu tun hat? Auch wenn ich vielleicht im Augenblick nicht glücklich bin, weil in letzter Zeit manche Dinge passiert sind. Enttäuschung, Krankheit, Angst.

 

Alle diese Ereignisse ändern nichts daran, dass ich von Gott für das Glück geschaffen wurde. Nicht erst im Himmel, sondern schon jetzt soll ich Glück erleben. Ein Auto ist dazu bestimmt, dass es fährt, auch wenn es im Augenblick Probleme damit gibt. Aus dem Griechischen kommt übrigens das Wort „Automobil“ – d.h. das von selbst fährt. Auch wenn in einer Reparaturwerkstätte viele Autos stehen, mit denen man nicht fahren kann. Sie alle sollen flott gemacht werden. Und mit der Bestimmung des Menschen, glücklich zu sein, sollte es anders sein?

 

 

Mittwoch, 14.1.2004

Wenn es mir die Zeit erlaubt, komme ich gern heim in mein Elternhaus. Dort lebt meine Mutter mit vier Generationen. Die Jüngste ist die kleine Anna. Sie ist zwei Jahre alt. Sie weiß, dass ich ihr immer etwas mitbringe. Gleich aber sagt sie: „Bruder!“ Auch für ihn möchte sie etwas haben. Dann: „Luzia!“ Das ist ihre Schwester. Dann geht sie und teilt mit ihnen.

 

Jesus hat gesagt: „Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Reich Gottes kommen.“ Kinder denken anders als wir Erwachsene. Machen sie sich Sorgen, dass es für sie nicht reichen könnte, wenn sie mit anderen teilen?

 

In der Welt, in der wir leben, geht es oft ganz anders zu – in den Familien, am Arbeitsplatz, in der Politik. Ich finde es schlimm, wenn sogar in der Werbung auf primitive Instinkte spekuliert wird. Als Tugend wird es sogar noch hingestellt: „Ich habe nicht geteilt, weil es mir so gut geschmeckt hat.“

 

Aus vielen Briefen von Missionaren und Entwicklungshelfern weiß ich um die vielfältige Not der Menschen, für die sie sich einsetzen. Viele hungern, es fehlt am Nötigsten.

 

Ich denke, dass wir ein wenig von der kleinen Anna lernen könnten. Wenn sie etwas bekommen, dass sich auch gleich denken: „Bruder!“ oder „Schwester!“

 

 

Donnerstag, 15.1.2004

In den ersten Jahrhunderten nach Christus lebten Mönche in der Wüste Ägyptens. Einer von ihnen erzählte folgende interessante Geschichte:

Er vergleicht den Mönch mit einem Hund, der einem Hasen nachläuft. Im Mund hat er den Geschmack des Hasen und lässt nicht nach, bis er ihn gefasst hat. Andere Hunde sehen ihn und rennen ihm nach. Aber nur der, der den Geschmack des Hasen im Mund hat und ihn selbst gesehen hat, wird nicht ermüden und umkehren. Er wird sich auch durch Gesträuch und Dornen nicht abhalten lassen, den Hasen zu verfolgen. Die Hunde aber, die nur laufen, weil es die anderen auch tun, werden bald müde werden und aufgeben.

Was will der Mönch damit ausdrücken?

Die Sehnsucht nach Gott bewegte ihn und seine Freunde dazu, in die Wüste zu gehen und in der Einsamkeit dort treu durchzuhalten. Gott ist für ihn wirklich da. Darum hat er die Welt verlassen und alle diese Beschwerden auf sich genommen.

 

Was ich aus dieser Geschichte gelernt habe?

Wir brauchen nicht in die Wüste zu gehen, um Gott zu finden. Es genügt schon eine Zeit der Stille im Laufe des Tages. Wenn ich in dieser Zeit etwas von der Freude, die Gott im Herzen schenkt, erlebt habe, dann werde ich nicht aufgeben.

 

 

Freitag 16.1.2004

Im Vorbeigehen habe ich beobachtet, wie gerade in einem kleinen Wohnhaus das Gas eingeleitet wurde. Jahre lang zuvor hat dort die Gasleitung des Dorfes vorbei geführt. Jemand hat mir erklärt, Tausende von Kilometern aus Sibirien. Nur wenige Meter waren notwendig, damit noch vor Weihnachten die Zentralheizung die Räume in diesem Haus erwärmt. In dieser Beobachtung sehe ich ein Gleichnis.

 

Vor einigen Wochen hat ein Mädchen, das zu unserer Jugendgruppe gestoßen ist, sich bewusst für den Glauben entschieden. Das Mädchen kannte den Glauben, denn seine Eltern waren religiös. Es war aber die Entscheidung notwendig, die Einladung Gottes aufzunehmen und gleichsam den Anschluss an Gott herzustellen.

 

Zurück zum Wohnhaus! Eine Erdgasleitung führe jahrelang nur wenige Meter am Haus vorbei. Trotzdem wurde es in diesem Haus nicht warm. Es musste der Entschluss gefasst werden, den Anschluss herzustellen.

Gott ist uns immer nahe – in seiner Liebe und Güte. Er hört nicht auf, uns einzuladen. Immer wieder sagt er zu uns: „Komm!“ Vielleicht kann auch hier dieses Wort eine Hilfe sein: Entscheidet euch bewusst für Gott. Alles andere ist vergänglich! Gott allein nicht!!

 

 

Samstag, 17.1.2004

An diesem heutigen Tag werden an den Börsen der ganzen Welt rund 1.000 Milliarden gehandelt werden, d.h.: Wertpapiere in dieser gigantischen Höhe wechseln ihre Besitzer.

Die Aktien von Betrieben haben bekanntlich einen höheren Wert, wenn die Gewinne möglichst groß sind, am besten in zweistelliger Höhe ausfallen. In solchen Betrieben werden häufig aber Arbeiter entlassen oder es wird die Produktion in Länder verlegt, wo noch billiger produziert werden kann. Bei diesen Planungen denkt kaum jemand an die Menschen, die davon betroffen sind. Nur die Höhe des Gewinns scheint zu zählen.

 

Und doch:

Ein einziger Mensch, der in einem solchen Betrieb beschäftigt ist, ist mehr wert als die Aktien, die an einem Tag in der Welt gehandelt werden. Ein einziger Lehrling ist mehr wert als diese 1.000 Milliarden.

 

Ich habe den Eindruck: Bis sich dieses Bewusstsein in unseren Köpfen durchsetzt, werden noch viele Milliardenbeträge an den Börsen gehandelt werden.