Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Superintendent
Paul Weiland (St. Pölten)
Sonntag,
25. Jänner 2004
Guten
Morgen!
Eine
junge Religionslehrerin hat vor kurzem auf die Frage, was ihr zum
Begriff Geld einfällt, gesagt: Ein Zahlungsmittel, davon haben wir
zuviel. Geld macht blind.
Das
klingt auf den ersten Blick interessant, aber auch ein wenig
weltfremd. Jedenfalls ist es eine Einstellung, die nur wenige
teilen. „Wenn ich einmal reich wär’“, das ist die eher gängige
Hoffnung und Erwartung zu diesem Thema.
Geld
regiert die Welt, sagt ein Sprichwort, und es ist wie so manche
andere Spruchweisheiten im Kern falsch, obwohl die Mehrheit der
Menschen eher auf dieser Seite steht. Dafür hat die junge Lehrerin
recht, obwohl diese Aussage nicht viele für richtig halten. In
Wahrheit geht es hier gar nicht mehr um Geld, sondern um eine
Lebenseinstellung.
In
der Bibel gibt es im 2. Brief an die Gemeinde in Korinth eine
interessante Definition von Reichtum. „Gott kann es machen“, heißt
es dort im 9. Kapitel, „dass er euch so viel gibt, dass ihr reich
seid zu jedem guten Werk.“
Was
wäre das für ein Leben und für ein Miteinander, wenn auf einmal
alle prassen, nicht mit den Geldscheinen, sondern mit den guten
Werken, wenn Sie und ich es als Reichsein empfinden, nicht Geld zu
horten, sondern Gutes zu tun.
Montag,
26. Jänner 2004
Guten
Morgen!
Als
Kind habe ich mich immer wieder geärgert, wenn ich von meinen
Eltern zu hören bekommen habe, ich sollte mir doch ein Beispiel
nehmen an diesem oder jenem. Heute sehe ich das natürlich etwas
differenzierter, und ich weiß von der Bedeutung von Menschen als
Vorbild und Orientierungshilfe.
Idole
können ganze Generationen von Jugendlichen leiten oder verführen.
Offensichtlich gehört es zu einem menschlichen Grundbedürfnis,
jemanden für eine Wegbegleitung oder zum Anlehnen zu haben. Es gibt
wohl eine gewisse Sicherheit, was allerdings auch das Riskante
solcher Vorbilder zum Ausdruck bringt, vor allem dann, wenn sie
nicht halten, was man sich von ihnen verspricht. Eine gewisse
Grundskepsis ist also durchaus angebracht gegenüber Idolen.
Als
evangelischer Christ habe ich auch meine Anfragen an die Praxis der
Selig- und Heiligsprechung, wie sie durch die geplante
Seligsprechung des letzten österreichischen Kaisers durch Papst
Johannes Paul II wieder ins Gerede gekommen ist.
Dabei
sehe ich jetzt einmal von Fragen der Person, des Wirkens und der Würdigkeit
ganz ab. Mir stellt sich die Frage, wie ich diese Praxis mit
biblischen Aussagen zusammenbringen kann, etwa mit dem Wort aus dem
1. Brief an Timotheus im 2. Kapitel, wo es heißt: „Es ist ein
Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der
Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.“
Dienstag,
27. Jänner 2004
Guten
Morgen!
Ist
erkennbar, wer ein Christ ist? Ich meine im Alltag, nicht am Sonntag
in der Kirche, wo man zumindest von der äußeren Handlung her auf
eine innere Haltung schließen kann.
Ich
habe diese Frage einer Runde von interessierten Menschen gestellt,
die sich mit dem Thema „Gemeinschaft“ beschäftigt hat.
Eigentlich merkt man es nicht, war die Mehrheit überzeugt. Und ich
muss sagen, sie haben die Wirklichkeit auf ihrer Seite.
Ihre
Argumente klangen ganz plausibel. Einerseits sollte man es gar nicht
merken, weil Christsein ja nichts abgehobenes, weltfernes sein soll.
Manche hatten dabei wohl die Karikatur des immer fromm nach oben
blickenden, weltfremden Träumers vor Augen. Andererseits war natürlich
die Diagnose der Taufscheinchristen, deren Glaube kaum eine
Bedeutung für das Leben hat.
Ist
erkennbar, wer ein Christ ist? Für viele Menschen sind die
Einhaltung von Pflichten, die Zustimmung zu Lehrsätzen oder die
Teilnahme an Riten und religiösen Bräuchen, entscheidende
Kriterien für die Beurteilung und Beantwortung dieser Frage.
Jesus
selbst hat im Johannesevangelium ein anderes, entscheidendes
Kriterium genannt: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine
Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ Das macht es
gewiss nicht einfacher, den Anspruch zu erfüllen, aber als
Erkennungsmerkmal ist es von einer seltenen Eindeutigkeit und
Klarheit.
Mittwoch,
28. Jänner 2004
Guten
Morgen!
Zeit
und Zeitmanagement, das sind ganz wichtige Themen geworden in
unserer Zeit. Es ist eigentlich eine Ironie der Entwicklung, dass
zwar immer alles besser, schneller und effektiver funktioniert, vom
Computer über die Verkehrsbedingungen bis zu den Kommunikationsmöglichkeiten,
die meisten von uns aber immer weniger Zeit haben.
Wenn
man jung ist, hat man zu wenig Zeit, das tun zu können, was man
gerne macht, weil andere das Zeitbudget verwalten. Wenn man seine
Existenz aufbaut, dann hat man zu wenig Zeit zum wirklichen Leben,
weil so viel anderes vordringlicher ist. Und irgendwann, dann kommt
jeder in das Alter, in dem sie überhaupt beginnt davonzulaufen, die
Zeit. Und so mancher denkt sich dann: Das kann es doch nicht gewesen
sein, das Leben.
Leben,
das hat ganz viel mit Zeit zu tun. Sich einmal die Zeit zu nehmen,
einer Einladung Folge zu leisten. Oder sich die Zeit zu nehmen, zum
Hören und zum Sehen, was um einen vorgeht, mit den Mitmenschen, mit
der Natur. Sich einmal die Zeit zu gönnen, sich in eine Kirche zu
setzen, sich auszusetzen dem Raum und der Zeit und einzusinken in
den Lebenssinn.
Das
Leben findet statt. Mit jedem von uns. Die Zeit vergeht. Für jeden
von uns. Die Frage, die bleibt, ist, ob wir in diesem Spiel
getrieben oder getragen sind.
Donnerstag,
29. Jänner 2004
Guten
Morgen!
Natürlich
habe ich berufsbedingt viel mit der Bibel zu tun. Aber sie ist mir
nicht nur wichtig, weil ich sie zur Vorbereitung von Predigten oder
Ansprachen brauche, sondern auch für mich persönlich selbst. Wie
jeder von Ihnen seine Lieblingsbücher oder Lieblingsfilme oder
sonstige bevorzugte Bereiche hat, so habe ich auch meine
Lieblingsbibelstellen.
Eine
steht im Buch des Propheten Joel. Dort wird im 3. Kapitel die Verheißung
zugesagt, dass über jeden Menschen der Geist Gottes ausgegossen
wird, dass die Söhne und Töchter weissagen sollen, die Alten Träume
haben sollen, und die Jünglinge Gesichte sehen sollen.
Dafür
liebe ich meinen Gott, dass er mir einen Geist zusagt, der träumen
lässt und Visionen schenkt. Der über den Tellerrand des Alltäglichen
hinausblicken lässt. Der geistesgegenwärtig macht, manchmal
vielleicht sogar geistreich.
Aber
nicht nur mir sagt Gott das zu, nicht nur einige sind Auserwählte,
nein, die Söhne und Töchter, die Alten und die Jungen, ja auch die
Knechte und die Mägde, heißt es in der Bibelstelle. Da finde ich
ausnahmslos alle von uns wieder in dieser Aufzählung. Da ist
niemand ausgeschlossen. Im Wissen um diesen Geist Gottes, können
wir uns Träume und Phantasien leisten.
Freitag,
30. Jänner 2004
Guten
Morgen!
Hauptsache
gesund bleiben, das ist das Wichtigste, antworten viele Menschen,
wenn man nach Ihrem Befinden fragt. Glück und Gesundheit, sie
stehen an der Spitze der Wünsche vieler. Das ist auch gut
nachvollziehbar und verständlich.
Aber
immer wieder gibt es Menschen, die bereit sind alles aufzugeben,
Besitz sowieso, aber auch Lebenssicherheit und sogar Gesundheit, nur
ihren Glauben, ihren Gott nicht. In der Zeit der Gegenreformation
hat das in Österreich Hunderttausende Evangelische existentiell
betroffen, in evangelischen Ländern römisch-katholische Christen.
Ich
frage mich selbst, wie so etwas möglich ist? Meine Erklärung dafür
ist, dass diese Menschen erkannt haben, dass es um ihre Seele geht,
um ihr Menschsein, um ihren Lebenssinn. Um Gesundheit in einem viel
tieferen und umfassenderen Sinn. Um Heilung und Rettung. Wer an
diesem Punkt in seinem Leben ankommt, für den hört jede
theoretische Diskussion um Selbstverwirklichung und Eigenerfahrung
auf.
Im
Buch des Propheten Joel habe ich eine Antwort auf meine Frage
gefunden. Dort steht: „Wer den Namen des Herrn anruft, der wird
gerettet.“ Nicht der, der ganz tolle Leistungen erbringt, nicht
der, der am meisten verdient, nicht der, der sich am meisten leisten
kann, nicht der, der am gesündesten ist.
Gott
heilt und rettet. Diese Erkenntnis setzt andere Prioritäten.
Samstag,
31. Jänner 2004
Guten
Morgen!
Schon
ist es selbstverständlich, dass Menschen verschiedener Kulturen und
unterschiedlicher Religionen im gleichen Land leben, auch bei uns.
Noch ist es nicht selbstverständlich, dass Menschen, mit anderen
Glaubens- und Lebenstraditionen, zusammenkommen, um voneinander zu hören,
aber auch im Miteinander und im Gebet die Sorgen und das Leid, die
Hoffnungen und die Ziele vor Gott zu bringen.
Im
Dialog mit den Glaubensüberzeugungen anderer von Gott zu reden und
seinen Glauben zu leben, gehört von Anfang an zu den Merkmalen der
Christen. In der Apostelgeschichte sagt der Apostel Petrus im 10.
Kapitel: „Gott hat mit gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden
oder unrein nennen soll.“
Der
Dialog nivelliert die Unterschiede nicht, er verleugnet auch nicht
die eigene Identität. Aber er hilft mit, Unkenntnis abzubauen und
Vorurteile zu überdenken.
Der
Unterschied von Glaubensweisen rechtfertigt weder Vorurteile noch
Misstrauen und schon gar nicht Gewalt. Dieser Unterschied muss uns
darin verbinden, dass wir miteinander eintreten für Gewaltfreiheit,
dass wir miteinander bauen am Frieden, dass wir uns miteinander
einsetzen für eine gerechte Welt. Darüber müssen wir ins Gespräch
kommen und bleiben, die Christen, die Moslems, die Juden und alle
Menschen guten Willens.
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