Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

Mag. Richard Schwarzenauer, Dechant in Salzburg-Gnigl

 

 

Sonntag, 1.Februar 2004

 

   „Wollen wir in Frieden leben, muss dieser Friede aus uns selbst kommen“ meinte der französische  Philosoph Jean J. Rousseau. Und das schon vor 250 Jahren. Friede kommt also nicht zuerst von den politischen Systemen, auch nicht aus der richtigen Geldverteilung, so wichtig diese sind, sondern aus mir persönlich.

 

So ein Satz könnte in der Bibel stehen. Und tatsächlich hat Jesus wohl genau das Gleiche gemeint, als Er sagte: „Aus dem Herzen kommen die bösen Gedanken „Mord und Verleumdungen...“ (vgl. Mt 15,19.)

 

Heute ist Sonntag, also der Tag, den wir Christen dafür reserviert haben, dass wichtige Grundsätze, vor allem auch Gottes Worte, nicht vergessen werden.

 

Friede fängt immer bei mir selbst an,  sagt Rousseau. Und das sagte auch Jesus Christus.

 

Natürlich müssen elementare Lebensgrundlagen gesichert sein, bevor ich über Frieden zu philosophieren anfange. Doch woher kommt Krieg und Zerstörung, wenn nicht aus der Illusion, nur ich sei wichtig auf der Welt  und aus der Angst, immer zu kurz zu kommen. Wer sich geliebt fühlt, hat diese Angst nicht und hält es nicht aus, ohne Wege zu suchen, wie Zerstörungen zu vermeiden sind.

 

Man kann sicher deshalb nicht einfach jedes Unrecht schlucken. Aber Revanche mit allen Mitteln kommt erst recht auch nicht in Frage.

 

„Wollen wir in Frieden leben, muss der Friede aus uns selbst kommen“.

 

Ich wünsche Ihnen Frieden.

 

 

 

 

 

Montag, 2. Februar 2004 

 

"Unser Leben ist die Geschichte unserer Begegnung"

  Sagt Anton Kner im kleinen Büchlein "Was ich Dir wünsche". Das Wichtigste im Leben verdanken wir also den Begegnungen: Das fängt bei der Umarmung der Mutter an und geht durch alle Formen der Freundschaften. - Aber auch jede ehrliche Auseinandersetzung ist eine Begegnung, die maßgeblich das Leben prägen kann.  Zumindest erlebe ich es so.

 

Ich frage mich manchmal, was wohl aus mir geworden wäre, wenn ich in meiner Mittelschulzeit nicht jenem Priester begegnet wäre, dessen Worte und Lebensstil so zusammenpassten, dass sie mich Jugendlichen überzeugt und ermutigt haben, ähnlich leben zu wollen.

 

Bei Maria waren es auch die Begegnungen, die sie geführt haben. Heute, am Tag der Weihe des Kindes Jesus an Gott - das meint ja das "Maria Lichtmess-Fest“ eigentlich - ist sie jenem frommen Simeon begegnet. Nach dem Jubel über das Licht, das Gott seinem Volk mit diesem Kind bereitet habe, hat er ihr dann eröffnet: „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen.“ Das hat Sie nie vergessen. Das also würde ihre besondere Rolle als Christin werden. Nach dieser Begegnung wusste sie es.

 

"Unser Leben ist die Geschichte unserer Begegnung."

 

Wem wohl Sie und ich heute begegnen werden?  Sicher vielen Menschen. Damit aber immer auch Ideen und Aufträgen. Und wenn harte Wahrheiten dazu gehören, soll es recht sein, wenn sie mich nur reifen und meiner besonderen Rolle gerecht werden lassen. Wie sollte ich auch sonst beten können "Dein Wille geschehe!“

 

"Unser Leben ist die Geschichte unserer Begegnung!“

 

 

 

Dienstag, 3.Februar 2004

 "Entdecken heißt finden, was man nicht gesucht hat"

 

Das sind die beglückendsten Erlebnisse des Lebens: Manche finden bei einem Ball, auf den sie eigentlich nicht gehen wollten, den Partner des Lebens. Andere finden im Krankenbett, dass sie nicht nur einmal heimlich geflucht haben, den Zugang zu einem ganz neuen Sinn ihres Lebens. Wieder andere finden beim Suchen eines Fehlers plötzlich eine nie gemeinte Alternative des Denkens.

 

Man mag das die "Gnadenstunde" des Lebens nennen, oder einfach Glück oder vielleicht auch nur "Zufall". Immer ist etwas Unberechenbares gemeint.

 

Jesus hat das auch gekannt, als er in einem Gleichnis von dem "Schatz im Acker" erzählte, den ein Mann fand und für den er dann alles hergibt. Er wandte das allerdings auf das "Reich Gottes" an. Und das verwundert: Treibt also Gott mit mir so etwas wie ein Lotteriespiel?

 

Jesus meinte offenbar, dass beides wichtig ist und bestehen bleibt: Gott und seine Weisheit wollen gesucht sein. Das Finden ist aber immer noch "Zufall". Und "Zufall" meint dabei nicht blindes Schicksal, sondern das, was mir "zufällt",  also auch Glück und Segen, wie immer ich es nenne.

 

Ich kann Gott keine Vorschriften machen, was er mir wann zu geben und klar werden zu lassen hat. Auch nicht beim Beten. Und sicher füllt er nicht einfach meine Lücken aus. Sondern er wartet, bis ich meinen Teil im Leben getan habe. Dazu darf ich immer bitten, dass mich Gott etwas entdecken lässt, das ich vielleicht nie gemeint habe, weil ich es eben nicht als wichtig eingereiht und erkannt hatte.

 

"Entdecken heißt finden, was man nicht gesucht hat". Ich wünsche Ihnen gute Entdeckung.

 

 

 

Mittwoch, 4.Februar 2004 

 

"Brunnen sind Stationen auf dem Weg zur Quelle"

 

Aber wer denkt schon an die Quelle - beim Zähneputzen? Wen interessiert die Quelle überhaupt, solange es das Wasser zu trinken gibt? Mir geht das auch oft so. Mich erinnert das daran, wieder bewusst zu leben: An die Quelle zu denken, dass es sie gibt. Sie als "selbstverständlich" zu nehmen, verbaut immer den Blick für die Wunder, die unsere Welt erhalten. Und die Undankbaren sind es, die unsere Reserven und Ressourcen verschwenden.  Sie riskieren in ihrer Gedankenlosigkeit, dass irgendwann niemand mehr leben könnte.

 

"Brunnen sind Stationen auf dem Weg zur Quelle". Zuerst denke ich dabei an die Millionen Menschen, die in Indien oder in der Sahelzone einen erreichbaren Brunnen bräuchten. Wie viele Tausende Menschen müssten nicht sterben, wenn sie Wasser-Brunnen hätten? Wir werden ihnen helfen müssen.

 

Dann aber denke ich bei diesem Spruch auch an das Lebens-Wissen. Denn wo wären wir, wenn wir alles selbst entdecken und leisten müssten.

 

Der heutige Tagesheilige Rabanus Maurus  ist für mich so etwas wie ein christlicher Brunnen, der vor 1200 Jahren als Bischof seinen Mainzern das Quellwasser echten Glaubens vermittelt und damit die Entwicklung ganz Deutschlands maßgeblich beeinflusst hat.

 

Auch alle Eltern sind solche "Brunnen", also Stationen auf dem Weg zur Quelle! Wichtig, dass sie manchmal prüfen lassen, ob ihr Wasser auch virenfrei ist.

 

Wir können aus vielen Brunnen trinken. Einer der Original-Brunnen ist die Bibel. Sie ist eine besondere " Station auf dem Weg zur Quelle". Ich wünsche Ihnen gute Brunnen.

 

 

 

Donnerstag, 5. Februar 2004

 

"Es ist ein Wunder, geliebt zu werden und zu lieben“

 

Wer kennt diese Freude nicht, jemanden, den man liebt, zu sehen? Der Puls schlägt schneller, wenn er oder sie mit mir spricht. Die Welt schaut plötzlich überall schön aus, selbst im Regen-Wetter, wenn ich mich geliebt weiß.

 

Der Schweizer Kurt Marti hat diesen Satz allerdings in seinen "Leichenreden" geschrieben. Da, sagt er, ist die Rede vom Lieben erst recht gefragt. Niemand kann es definieren, was Liebe eigentlich ist, und doch weiß es jeder, zumindest in der Sehnsucht. Sicher hat es zu tun mit gegenseitiger Anerkennung.

Dass unser Wort "Lieben" auf die gleiche Wortwurzel zurückgeht wie das Wort "Loben" ist kein Zufall. Auch "Glauben" kommt vom gleichen Stamm. Zum Leben brauchen wir das Lob! Und, dass jemand an mich glaubt und ich an jemand glauben kann! Alles andere macht einsam und unglücklich.

 

"Es ist ein Wunder, geliebt zu werden", beteuert Kurt Marti.

 

Aber auch "zu lieben" ist ein Wunder. Denn manche können bei allem nur mehr an sich denken und fragen sich, warum sie denn nicht glücklich sind.

 

Ein "Wunder" kann man erbeten und geschenkt bekommen, aber nicht machen. Ich kann niemanden wirklich so ummodeln, dass er/sie ein Liebender wird. Man muss - das ist wohl entscheidend für die Liebe - das Staunen lernen über eine schöne Blume und über einen Menschen neben mir.

 

Solche Wunder kommen, wenn wir sie ersehnen und erbeten.

 

Sogar die ärgsten Rüpel fangen einmal an feinfühlig zu handeln, wenn sie sich geliebt fühlen und werden fähig, selbst zu lieben. Das sind Wunder. "Es ist ein Wunder, geliebt zu werden und zu lieben." Ich wünsch´  es Ihnen.

 

 

 

 

Freitag, 06.Februar  2004 

 

"Auch wenn die Brücke bricht, bestehen die Ufer weiter"

 

Ein Albtraum! Mit dem Auto plötzlich vor einer gebrochenen Brücke zu stehen,   oder Brücken zwischen Menschen gebrochen sehen zu müssen. Auch wenn die Brücke bricht, besteht das Ufer weiter. Das heißt,  das Ende der Welt ist es noch immer nicht, sagt dieser Spruch von Stanislaw Jerzy Lec. Das zu glauben, wünsche ich allen, die in ihrer Ehe gescheitert sind. Wie nötig braucht das auch, wer krank ist und die Brücke der Gesundheit brechen spürt.

 

Und auch an die vielen Enttäuschten denke ich jetzt.

 

Wie viele Brücken waren nach dem Krieg kaputt? Die Menschen haben nicht nur vor den Trümmern der Ruinen geweint, sondern noch mehr vor den Abgründen des Hasses. Sie sahen aber auch langsam wieder die Ufer und haben dort die Stützen für neue Brücken angesetzt;  auf denen wir nun die Völker Europas verbinden. Darüber staune ich heute oft.

 

Ja, so bitter ist es, wenn Kulturen eingerissen werden. Wenn man wenigstens danach das Leben und den Frieden wieder neu als Geschenk entdeckt, haben selbst solche schmerzlichen Prozesse etwas Segensvolles.

 

Am Freitag denke ich natürlich auch theologisch weiter: Wie viele Menschen haben im Wohlstand gemeint, die Glaubensbrücken einreißen zu dürfen, weil sie Gott nicht brauchen. Nach der Erfahrung von Sinnlosigkeit durch Kriege, Krankheit und Langeweile des Lebens sind sie zum Denken neu erwacht. Ob sie die Kreuzesbrücke sehen und begehen wollen, die Gott auf unser Ufer durch die Auferstehung Jesu neu errichtet hat?

 

Denn „auch wenn die Brücke bricht, bestehen die Ufer weiter."

 

 

 

 

Samstag,  07. Februar 2004

 

"Freude ist gespürtes Leben"

 

Der Alltag kann verflixt blind machen. Die Blumen sind vergessen, das Frühjahr,  die Glückwünsche zum Geburtstag wirken nicht mehr und auch die Vorsätze sind fahl geworden.

 

Was hilft dagegen? Eigentlich nichts wirklich, außer das Leben neu zu spüren. Wer an einer Maschine steht, arbeitet in Wirklichkeit mit am Gelingen der Gesellschaft. Stell dir die Menschen vor, die durch deinen Missgriff, durch Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit  zu Schaden kommen. Freude kommt durch das gespürte Leben und nicht durch Perfektion der Maschinen.

 

Ob im Lehrberuf, in der Familie oder in der Kirche,  wenn das Leben nicht mehr gespürt wird und die Menschen, die daran hängen, nicht mehr vor Augen stehen, wird alles nur noch zur Plage und es gelten nur mehr die Gesetze.

 

Manchen gelingt es sogar, den Fasching wie eine Pflichtübung zu absolvieren, wo das Blödeln und eine andere Rolle als nur die ernste, keinen Platz haben.

 

Freude ist aber gespürtes Leben. Und das Leben besteht nicht nur aus Pflichterfüllung, so wichtig diese dann wieder sein wird. Nicht zufällig verschläft der normale Mensch ein Drittel jeden Tages und damit auch sein ganzes Leben.  Als ob Gott uns das Nichtstun und Feiern verordnet hätte.

 

Auch die Vielfalt des Denkens werden wir nie abschaffen können. Und wer fremde Kulturen nur als Konkurrenz oder als Gefahr sieht, weiß sie nicht als Ausdruck des vielgestaltigen Lebens zu sehen. Schade!

 

In den Worten Jesu steht, dass selbst die Haare auf dem Kopf von Gott alle gezählt sind.

 

Er mag eben das Leben. Und "Freude ist gespürtes Leben.“