Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Pfarrer
Wilfried Blum, Göfis, Vlbg.
„Erinnernd
leben“
Sonntag,
15. Februar 04
Ich
erinnere mich am heutigen Sonntag an folgende Geschichte:
Es
war einmal ein weiser Rabbi. Zu ihm kamen viele Menschen, um ihn um
Rat zu fragen. Allen machte er Mut, stärkte und segnete sie.
Eines
Tages geschah es, dass er nicht mehr sprechen konnte. Dennoch kamen
die Leute weiter zu ihm. Nun hörte er den Menschen einfach zu. Sie
vertrauten ihm ihre Sorgen und Nöte an. Der Rabbi schenke ihnen
sein Ohr und segnete sie.
Eines
Tages geschah es, dass seine Ohren taub wurden. Aber auch das
hinderte die Menschen nicht, zu ihm zu kommen. Was konnte der Rabbi
nun noch für sie tun?
Er
sah die Menschen mit seinem gütigen Blick an und segnete sie.
Eines
Tages geschah es, dass seine Augen blind wurden. Die Menschen kamen
aber weiterhin und sie kamen sogar immer mehr. Stumm, taub, blind
war er nun. Aber er segnete sie.
Eines
Tages konnte er auch nicht mehr segnen. Trotzdem kamen die Leute
unaufhörlich.
Was
er wohl noch hatte? Sie kamen und legten ihr Ohr an sein Herz.
Es
ist Sonntag. Wer weiß, ob Gott heute nicht sein Ohr an ihr Herz
legen wird?
Montag,
16. Februar 04
Ich
erinnere mich an eine Dekanatskonferenz. Eingeladen war ein weit über
europäische Grenzen hinaus bekannter Arzt und Wissenschaftler
unserer Landesklinik. Er sprach über die Macht und Ohnmacht eines
Arztes. Mich faszinierte vor allem, wie offen und ehrlich er von
sich, seiner Arbeit und dem Umgang mit seinen Patienten erzählte.
Außer seiner fachlichen Kompetenz war vor allem seine Menschenliebe
beeindruckend. Er selbst drückte es auch so aus: „Ich mag einfach
meine Patienten“.
Er
will auch bei ihnen sein, wenn sie im Sterben liegen. Den
Schwerkranken gibt er für Notsituationen seine private
Telefonnummer. So können sie ihn auch außerhalb der Dienstzeit
jederzeit erreichen.
Vermutlich
kennen sie ebenso Menschen in ihrem Bekanntenkreis, die von ihrer
Art her liebenswert und herzlich sind. Sie lassen einem spüren: Man
mag mich. Ich werde geschätzt. Ich bin anderen nicht egal.
Solche
Menschen vermitteln auf schlichte Weise und meist ohne viel Worte,
was die „Stimme aus der Wolke“ Jesus bei seiner Taufe
beispielgebend für uns alle zugesprochen hat: „Du bist mein
geliebter Sohn, meine geschätzte Tochter. Du bist mir sympathisch.
Ich mag dich einfach!“
Dienstag,
17. Februar 04
Ich
erinnere mich an eine ORF-Universum-Sendung über das Geheimnis
Wasser im letzten Sommer. Erkenntnisse von Wasserwissenschaftler aus
Russland bis zum bei uns eher bekannten Tiroler Wasserphilosophen
Grander haben mir eine Dimension dieses alltäglichen Ur-Elementes
zugänglich gemacht, die mich seither nicht mehr loslässt. Dazu
kommen noch Ergebnisse japanischer Forscher, denen faszinierende
Fotografien von Wasserkristallen gelungen sind. Diese ändern sich
je nach positivem oder negativem Umfeld, je nach harmonischer oder
harter Musik und je nach guten oder bösen Worten. Das Wasser
kennen, heißt das Universum und die ganze Natur, das ganze Leben
kennen. Wasser speichert Informationen und trägt sie. Wasser bringt
und nimmt Leben.
Wir
leben in einer Region auf unserer Erde, wo Wasser im Überfluss
vorhanden ist. Dennoch haben wir die innere Beziehung dazu
weitestgehend verloren. Wir schätzen unser Wasser kaum mehr.
Vielfach wird Mineralwasser aus der Plastikflasche dem eigenem
Quellwasser vorgezogen.
Durch
die Bücher mit den neuen Erkenntnissen habe ich unser Wasser wieder
mehr lieben und schätzen gelernt. Und das vertraute Wort Jesu
„Ich bin das lebendige Wasser“ ist mir ganz neu in
seiner tieferen Bedeutung aufgegangen.
Mittwoch,
18. Februar 04
Ich
erinnere mich einer sehr berührenden Geschichte, die ich erst unlängst
erfahren habe. Ein Mann wurde mit der traurigen Tatsache
konfrontiert, dass er Krebs in einem unheilbaren Stadium hat: ein
Schock für ihn und seine Familie. Was mich besonders beeindruckt
hat, war, dass er nicht nur von seiner Familie her wertvolle Unterstützung
bekommen hat. Auch der neue Mann seiner ersten Frau wollte ihm
behilflich sein, so gut er konnte. Deshalb stellte er ihm sein Auto
zur Verfügung, wann immer und solange er es für seine Arbeit
brauchen konnte.
In
einer Zeit, wo Schlagzeilen von Rosenkriegen und Beziehungsskandalen
berichten, gibt es Menschen, die nicht in die Vergangenheit schauen
oder in alten Wunden wühlen, sondern die als reife Menschen Hilfe
stellen, wo immer sie gebraucht wird. Alle, die in diese
Lebensgeschichte eingebunden waren, haben sich in ihren Träumen
sicher manches anders vorgestellt, als es dann tatsächlich gekommen
ist. Aber sie haben trotzdem nicht vergessen, dass das entscheidende
Maß in ihrem Leben die Liebe ist.
Mich
erinnert es an das Wort Jesu: Ein Beispiel habe ich euch gegeben:
Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.
Donnerstag,
19. Februar 04
Ich
erinnere mich an einen tiefsinnigen Text des Schriftstellers
A. J. Cronin* mit dem Titel: Das Leben als Labyrinth.
Gefunden habe ich ihn im spannenden Buch von Spencer Johnson. Die Mäuse-Strategie
für Manager. Veränderungen erfolgreich begegnen.
Er
lautet:
Das Leben ist kein schöner, gerader Gang,
den wir ungehindert frei durchschreiten,
sondern ein Labyrinth aus Korridoren,
durch die wir unsern Weg zu bahnen haben,
verirrt und verwirrt und immer aufs Neue
in Sackgassen gefangen.
Doch wenn wir nur den Glauben haben,
wird Gott uns immer eine Türe öffnen,
keine vielleicht, an die wir selbst
auch nur im Traum gedacht haben,
doch eine, die sich uns am Ende
als segensreich erweisen wird.
Ich
denke an mir bekannte Menschen, die im Leben verirrt und in
Sackgassen geraten sind. Oft wurde ihr Gottvertrauen auf dem „Prüfstand“
gestellt.
„Doch
wenn wir nur den Glauben haben, wird Gott uns immer eine Türe öffnen…“
Mit
Jesu Wort ausgesprochen: Ich bin die Tür!
Durch diese Tür führt jeder Weg wieder ans Licht, und so
mancher Traum wird wahr.
* A.
J. Cronin
1896 in Cardross / Schottland/Großbritannien, +1981
in der Schweiz
Stationen u. a.: Ab 1914-19 Medizin-Studium in
Glasgow. Unterbrechung durch den Militärdienst im 1. Weltkrieg.
Schiffsarzt. 1921 eigene Praxis in Wales. Lebt in den USA und in der
Schweiz. Arbeitsgebiete:
Gedicht, Erzählung, Roman
Freitag,
20. Februar 04
Ich
erinnere mich im Lauf meines priesterlichen Wirkens an so manch
tragische Geschichte, die nichts
als ein bohrendes Warum hinterlassen hat. Ich denke an einen jungen
Menschen, der als Rettungsfahrer in Ausübung seines Zivildienstes tödlich
verunglückt ist. Ein hoffnungsvolles Leben mit vielen Träumen, und
dann ist plötzlich alles anders: geschockte Eltern und Geschwister,
traurige Freunde und Kollegen, ein betroffenes Dorf.
Warum?
Ich
denke an eine allein erziehende Mutter und ihren heranwachsenden
Sohn.
Alle
Hoffnungen, den Krebs besiegt zu haben, wurden begraben. Erneut sind
Metastasen aufgetreten, und die nächste Chemotherapie wurde nötig
– mit kaum mehr Chancen.
Warum?
Ich
denke an einen meiner Freunde. Vor den Weihnachtsfeiertagen wollte
er noch ein paar Tage auftanken. Aufgrund eines aggressiven
Hirntumors wurde er bereits nach wenigen Wochen nur mehr tot in
seine Pfarrgemeinde zurückgebracht.
Warum?
Die
letzte Frage Jesu am Kreuz war auch: Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen? - richtiger übersetzt: Wozu hast du
mich verlassen?
Die
Frage ist dann: Wozu soll es dienen? Worin kann ich einen Sinn
entdecken?
Samstag,
21. Februar 04
Ich
erinnere mich an ein Wort von Nelly Sachs, einer deutschen
Lyrikerin, die 1970 verstarb:
„Ihr
Ungeübten, die in den Nächten nichts lernen. Viele Engel sind euch
gegeben. Aber ihr seht sie nicht.“
Engel
sind „in“. Im großen „Teich“ der Esoterik sind sie zu
finden. Auf dem Büchermarkt ist eine Flut von Literatur mit, von
und über Engel vorhanden. Und nicht zuletzt haben die Engel auch im
frommen katholischen Alltag eine lange Tradition: in Gebeten,
Schutzengel-Bildchen oder Anhängern.
In
den biblischen Texten mangelt es nicht an Engeln. Sie sind dort
weder Energie- noch Schwingungsbündel, sondern sowohl Chiffre für
Gott als auch Boten Gottes.
Ihr
Auftrag lautet bis heute: uns zu schützen, dass wir Gott nicht aus
dem Herzen verlieren.
Viele
Engel werden oft süß und kitschig dargestellt.
Die Gottes-Engel sind anders. Das macht sie zeitlos „in“
– ob als Engel mit der Zusage: “Fürchte dich nicht, hab
keine Angst!“ oder als Engel ohne Flügel, der mir zuflüstert:
„Ich bleib bei dir. Ich lasse dich nicht im Stich!“
Es
gilt (nur) die Augen zu öffnen, um die Engel zu entdecken.
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