Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Christian Stuhlpfarrer, Wien
Sonntag,
7. März 04:
Multi-task
Jetzt ist es wissenschaftlich bewiesen: Frauen sind
multi-task. Das heißt: Frauen können mehrere Dinge gleichzeitig
machen. Zum Beispiel: gleichzeitig Radio hören, kochen und sich
unterhalten.
Männer können sich meistens nur auf eine Sache
konzentrieren. Immer eines nach dem anderen. Zum Beispiel: zuerst
surfen im Internet, dann telefonieren, dann fernsehen.
Das ist fast schon ein Gottesbeweis.
Nämlich dass Gott eher ein Mann ist als eine Frau.
Weil es heißt ja, die Welt wurde in sieben Tagen
erschaffen.
Zuerst am ersten Tag das Licht und die Finsternis,
dann am zweiten Tag das Himmelsgewölbe,
dann am dritten Tag das Meer und das Land
und so weiter, immer eins nach dem anderen,
bis zum siebenten Tag.
Wäre Gott eine Frau, SIE hätte die Welt nicht in
sieben Tagen erschaffen, sondern an einem einzigen.
Nicht immer eins nach dem anderen, sondern alles auf
einmal:
die Vögel, die Bäume, Tag und Nacht, das Wasser, die
Würmer, Sonne, Mond und Sterne, Adam und Eva, die Blumen, die
Fische,
das Gras und das Obst.
Montag,
8. März 04:
Turmbau
Am Anfang der Menschheit hat es auf der Erde nur ein
Volk und eine Sprache gegeben. Dann
haben die Menschen einen Turm gebaut in Babylon,
gigantisch hoch bis in den Himmel hinauf.
Da ist der Herrgott oben zornig geworden, so steht es in der
Bibel. Und als Strafe für den Größenwahn hat er dann die Sprache
verwirrt. Plötzlich hat es nicht mehr ein Volk und eine Sprache
gegeben, sondern hunderte Völker und hunderte Sprachen.
Und „keiner versteht mehr die Sprache des anderen“ bis
zum heutigen Tag, so steht es in der Bibel. Aus heutiger Sicht wäre
natürlich alles ganz anders. Aus heutiger Sicht wäre das Ganze
keine Strafe Gottes, sondern ein großartiges Job-Wunder. Neue Jobs
schaffen für die Dolmetscher.
Jobs für die Englisch- und Französischlehrer. Jobs für
die Russisch- und Japanischlehrer. Neue Kunden gewinnen für die
Sprachkursbranche.
Die Wörterbuchindustrie ankurbeln. Konjunktur
beleben! Wirtschaftswachstum!
Dienstag,
9. März 04:
Lebensmüde
Früh am Morgen läutet dein Wecker.
Du drehst das Licht auf, gehst ins Badezimmer.
Mit müden Augen schaust du in den Spiegel und denkst:
„Nichts Neues. Immer das Gleiche.“
Du steigst ins Auto, fährst in die Arbeit. Im Radio hörst
du den Verkehrsfunk, Musik, Tratsch und Nachrichten und denkst:
„Nichts Neues. Immer das Gleiche.“
Mag sein, dass es wahr ist. Das es nichts Neues gibt auf der Welt. Die ewige Wiederkehr des Gleichen.
Aber für alle Abgestumpften und Lebensmüden gibt es
jetzt eine Überraschung. Zum ersten Mal haben Wissenschafter
berechnet, wie viel
Sterne es gibt im Weltall. Nämlich 30 Trillionen.
(Eine Zahl
mit 21 Nullen!)
Und noch eine zweite Überraschung gibt es heute. Die
Wissenschafter haben noch was anderes berechnet. Nämlich: Dass es
mehr Sterne gibt im Weltall als Sand auf der Erde! Mehr Sterne im
Weltall als Sand auf der Erde.
Vielleicht wäre das eine Therapie für alle
Abgestumpften und Lebensmüden: einmal ans Meer fahren, eine
Handvoll Sand nehmen und anfangen zu zählen.
Mittwoch,
10. März 04:
Last
minute
An einem Tag im Leben wirst du deine Schuhe nicht mehr
putzen. Weil du nirgends mehr hingehen wirst. Es wird der letzte Tag
sein in deinem Leben.
Der letzte Tag in deinem Leben, wer weiß?, wird sein
wie im last-minute-Reisebüro.
Im letzten Augenblick wirst du einen freien Platz
bekommen in irgendeinem Flugzeug.
Last minute! Reisen in letzter Minute.
Viel Zeit zum Packen wirst du nicht haben. Vielleicht
kannst du noch schnell anrufen
und sagen, dass du jetzt wegfliegst.
Last minute!
Kaum hast du das Ticket in der Hand, schon musst du
einchecken am Flughafen.
In der Halle wartet vielleicht noch dein bester
Freund. Viel Zeit zum Abschiednehmen wirst du nicht haben.
Last minute!
Schon sitzt du im Flugzeug, hebst ab. Ein letztes Mal
schaust du zurück, schaust hinunter aufs Heimatland.
Last minute!
Und das einzige, was du dann vielleicht noch denken
wirst können am letzten Tag in deinem Leben, wird irgendwas sein
wie: Rio de Janeiro. Hawai. Spanien.
Donnerstag,
11. März 04:
Sonnensystem
Zwei Kräfte beherrschen unser Sonnensystem. Die
Schwerkraft. Und die Fliehkraft.
Die Schwerkraft der Sonne hält alles zusammen, will
alle Planeten in die Mitte ziehen wie ein Magnet. Die Fliehkraft der
Planeten treibt alles auseinander, will alles fortschleudern in die
Ferne wie eine Zentrifuge. So kreisen die Planeten seit
Jahrmillionen um die Sonne, ein
jeder auf seiner Bahn, ein jeder in seinem Tempo.
Dieses ständige hin und her hält alles in Schwung
und alles im Gleichgewicht.
Und auch Du auf der Erde spürst diesen Zwiespalt.
Die Schwerkraft in dir sagt: Komm zu mir!
Sagt: Zu Hause bleiben im Vertrauten.
Dein Heimweh.
Die Fliehkraft in dir sagt: Fort von hier! Sagt:
Aufbrechen ins Ungewisse.
Dein Fernweh.
Freitag,
12. März 04:
Ursprache
Im Mittelalter hat Kaiser Friedrich II ein Experiment
gemacht. Der Kaiser hat im ganzen Land neugeborene Kinder einsammeln
lassen, Findelkinder. Unter der Fürsorge einiger Frauen sollten die
Kinder aufwachsen, wohlbehütet am Hof des Kaisers. Nur eines hat
der Kaiser den Frauen verboten: das Reden. Keine Frau durfte auch
nur einziges Sterbenswörtchen reden mit den Kindern.
Der Kaiser wollte nämlich wissen, in welcher Sprache
die Kinder eines Tages von
sich aus
anfangen zu sprechen.
Ob es so etwas gibt wie eine angeborene Ur-Sprache des
Menschen.
Diese Ur-Sprache sollte dann die einzig wahre
Universal-Sprache werden im ganzen Kaiserreich.
Jedoch das Experiment ist gescheitert.
Schon nach kurzer Zeit sind die Kinder damals
gestorben.
Und heute? Was würde heute geschehen im selben
Experiment?
Vielleicht wären die Kinder heute schon einen Schritt
weiter. Vielleicht würden
uns die 2-jährigen heute schon ein paar Worte ins Ohr flüstern in
ihrer universalen Ur-Sprache.
Coca Cola. Hollywood. Internet.
Samstag,
13. März 04:
Lachen
In der Lachforschung gibt es jetzt eine neue
Erkenntnis. Beim Lachen gibt es ein Nord-Süd-Gefälle. Das heißt: Je weiter südlich, desto mehr wird gelacht.
Demnach wird z. B. in Deutschland oder Großbritannien weniger
gelacht als in Spanien oder Italien.
Am meisten gelacht wird in Südamerika.
Warum ist das so? Liegt es an der Temperatur?
Je weniger Sonne, desto kühler das Gemüt?
Liegt es am Geld?
Je reicher ein Land, desto weniger gibt es zu lachen?
Wir wissen es nicht.
Noch streiten sich die Lachforscher über die
Ursachen. Wie auch immer.
Wer im Urlaub in den Süden fährt, will dort
vielleicht nicht nur im Meer baden und mit der Seele baumeln. Wer in
den Süden fährt, will vielleicht auch wieder einmal so richtig
herzhaft lachen.
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