Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

Sonntag, 14. März 04

Morgengedanken zum Tod von Kardinal Franz König

 

 

Montag, 15. März 04

Verpackung ist nicht alles

 

von Pfarrer Gilbert Schandera (Schwanenstadt, Oberösterreich)

 

Hier gegenüber dem Studio steht ein Veranstaltungszentrum. Es heißt „Design-Center“.

Design ist anscheinend etwas Wichtiges geworden. Die Aufmachung und der äußere Schein wirken.Ich bin eigenartig berührt, wenn mir Mitarbeiter computergeschriebene Abläufe von Gottesdiensten oder Zusammenkünften geben – mit Farbdruck, Kursivschrift, rechts- und linksbündig. Diese Zettel liegen am „Tag danach“ beim Altpapier.

Mir wäre oft eine kurze handgeschriebene Ablaufskizze auch recht. Es bliebe vielleicht mehr Zeit für den Inhalt.

Ich erlebe den Hang zum Design auch in meiner Kirche. Wenn ich das problematisch finde: bin ich da altmodisch?

Braucht nicht gerade diese Gesellschaft, in der die äußere Aufmachung soviel gilt, ein Gegengewicht: Überlegung, Reflexion, Geist, Spiritualität? Im alten Rom war man „realistisch“ und sagte: Die Welt will betrogen werden, also soll sie betrogen werden. Es bleibt an uns, diesen Pessimismus zu überwinden. Wer sich selber gefunden hat und Halt in einem Größeren gefunden hat, der braucht nicht Schein erzeugen und niemand „betrügen“. Er achtet nicht auf die Wirkung. Er tut, was er für richtig hält.

Wer weiß, ob das nicht mehr wirkt als aller Aufwand um die Wirkung?

 

 

Dienstag, 16. März 04

Vergänglichkeit – Nütze den Tag

 

Ein kinderloses, aus der Kirche ausgetretenes Ehepaar hat sein Haus einem kirchlichen Friedhof vermacht – mit der Auflage der „ständigen Grabpflege“. Viel Lebensmühe für ein paar Blumen und einen Grabstein, dessen goldene Aufschrift schon bald niemandem etwas sagen wird. Ein skurriler Versuch, der Vergänglichkeit zu entgehen.

Manch einer (oder eine) schreibt ein Buch, von dem es schon 100 ähnliche gibt – vielleicht mit mehr Qualität – aber er hofft, damit etwas Bleibendes zu schaffen. Was in zwei Jahren nicht verkauft ist, holt sich eine Billigbuchkette und wirft es um 2 Euro auf den Markt.

Ich war in letzter Zeit einige Male bei Begräbnissen verdienter Kollegen, die sich im Beruf aufgerieben haben. Ich war erstaunt und betroffen, wie wenig ehemalige „Nutznießer“ die „letzte Ehre“ erwiesen haben...

Die Fastenzeit mahnt, nachzudenken. Sie mahnt uns mit dem Wort des Kohelet (im Alten Testament): Alles ist Windhauch. Wir können uns selber der Vergänglichkeit nicht entreißen. Das müssen wir einem Größeren überlassen.

 

Mittwoch, 17. März 04

Bewusst leben

 

Gedankenloses Nachahmen berührt mich immer wieder unangenehm: Da sagt einer statt des üblichen „am Ort“ jetzt auf einmal „vor Ort“. Da sagt einer statt des vertrauten „es hat Sinn“ auf einmal „es macht Sinn“ und alle plappern es nach.

Ein anderes Beispiel: Ich wundere mich immer wieder, dass so viele Kinder denselben Vornamen bekommen. Namen sollten unterscheiden. Ein seltener Vorname ermöglicht es nicht nur den Lehrern, das Kind beim Vornamen anzusprechen, er stärkt auch die Individualität.  Stattdessen löst ein Modename den anderen ab.

Überall erleben wir Nachahmung und die Absicht, nur nicht aufzufallen. Ich meine, dass religiöses Fasten auch eine Unterbrechung dieser Haltung sein könnte. Durch Überlegung und bewusstes Leben fühlen wir uns nicht nur selber gestärkt. Wir können auch etwas bei anderen verändern.

Wer etwas verändern und bessern will, muss bereit sein, manchmal zu provozieren. Religiöse, gläubige Menschen sind nicht angepasst und „brav“, sondern naturgemäß Provokateure.

Das sage ich meinen Sammlern zur Caritas-Haussammlung, die bald beginnt. Es soll sie nicht abschrecken, wenn sie sich manches anhören müssen oder ihnen die Tür zugeknallt wird. Es kann auch eine Provokation sein, sich um Hilfe und Gerechtigkeit zu bemühen. Aber ist das nicht die einzige Chance für den Gedankenlosen, doch etwas Neues zu entdecken?

 

 

Donnerstag, 18. März 04

Auf den Kompass schauen

 

Mark Twain erzählt von Ruderern, die die Orientierung verloren haben. In ihrer Panik beginnen sie immer wilder zu rudern – statt stillzuhalten und einmal auf den Kompass zu schauen. Die Zeit der Orientierung würde ihnen nicht abgehen. Sie würden mit halber Mühe doppelt so schnell ihr Ziel erreichen.

Auch im Alltagsleben sind es oft Ängste, die uns antreiben und immer „schneller“ leben lassen.

Die Idee der Fastenzeit ist eine Unterbrechung: der Blick nach Innen, das Hören auf die innere Stimme. Es braucht dazu eine gewisse „Kultur-Askese“.

Müssen wir überall dabei sein? Müssen wir jede freie Minute „ausnützen“?  Wir brauchen mehr Freizeit im ursprünglichen Sinn; freie Zeit. Zeit, in der gute Gedanken kommen. Zeit, in der wir uns selber finden, uns annehmen und auch selber genießen. Den Lebens-Kompass befragen in einer stillen Stunde; das ordnet nicht nur, es nimmt manchen Druck aus dem Leben.

 

 

Freitag, 19. März 04

In der Gegenwart

 

Manche Zeitgenossen traut man sich kaum etwas zu fragen, da sie einem das Gefühl vermitteln, sie hätten viel Wichtigeres zu tun. Schlimm ist, dass wir diesen Druck und Stress bei anderen spüren, ihn bei uns selber oft übersehen. Es tut gut, auf diejenigen etwas mehr zu achten, die einem das Gefühl geben, dass sie ganz für einen da sind, wenn man mit ihnen zusammen ist. Es tut auch gut, sich an eine Erzählung von einem Mönch zu erinnern, der auf die Frage, warum er bei vielen Beschäftigungen so gesammelt ist, geantwortet hat: Wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich; wenn ich spreche, dann spreche ich ...

Wir dagegen laufen schon, wenn wir stehen. Wenn wir laufen, wollen wir schon am Ziel sein. Weil wir oft nicht bei dem sind, was wir gerade tun, sondern schon ans Nächste denken und uns ums Übernächste sorgen, gehen wir am Leben vorbei.

Wir müssen uns „bekehren“ zum Glauben, dass nichts im Leben so wichtig ist, dass es mich von dem, was ich gerade mache, ablenken darf. Dann erlebe ich vielleicht weniger, aber das Wenige ist Leben – und mehr als genug.

 

 

Samstag, 20. März 04

Kreisläufe

 

Im vergangenen Sommer war ich in Colmar.  Ich konnte dort den „Isenheimer Altar“ sehen. Die Darstellung der Auferstehung Christi beeindruckte mich. Dieser Auferstehungsglaube fehlt in unseren sogenannten christlichen Gegenden vielen. Für viele ist unvorstellbar, was wir zu Ostern feiern werden. Was nach dem Tod kommt, interessiert sie nicht. Sie begnügen sich mit dem „kleinen Jenseits“ nach dem Arbeitsleben in der Pension (falls sie es erleben). Dafür zahlen sie in verschiedene Kassen und Versicherungen ein.

Als ich noch Religionsunterricht gab, war im Buch der 2. Klasse Volksschule die Auferstehung durch Symbole „abgebildet“: Eine Grabhöhle mit einem großen Stein daneben und ein Schmetterling. Der Schmetterling als Ergebnis einer Verwandlung.

Wenn die Raupen wüssten, was da noch kommt! Ganz abwegig ist der Vergleich nicht, mit dem wir versucht haben, den Kindern ein Leben nach dem Tod verständlich zu machen. Es gibt noch anderes als Löcher in die Blätter zu fressen, es gibt anderes als nur herumzukriechen.

Es ist sinnvoll, dem, der vom Fliegen erzählt, zu antworten: Lass uns, du hältst uns nur vom Fressen ab.