Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

von Direktor Johannes Fenz (Präsident des Kath.Familienverbandes Österreich)

 

 

Sonntag, 4. April 04

„Rotz und Maus aus'n Haus, da gweichte Palmbesen kimmt ins Haus!"

 

"Rotz und Maus aus'n Haus, da gweichte Palmbesen kimmt ins Haus!", sagen die Kinder im Burgenland, wenn sie am Palmsonntag die geweihten Palmzweige von der Kirche nach Hause bringen. "Was haben Palmzweige mit Ratten und Mäusen zu tun?"

Als Zeichen der Huldigung wurden Jesus beim Einzug in Jerusalem Palmzweige gestreut. Wir tragen sie zur Weihe und bringen sie dann nach Hause. Sollten wir ihm nicht auch huldigen, indem wir ihm Palmzweige streuen?

Der geweihte Palmbesen, der in das Haus kommt soll die Ratten und die Mäuse, also das Ungeziefer, vertreiben. Nur das „tierische Ungeziefer“ zu sehen wäre zu kurz gegriffen. Wie steht’s mit unserem seelischen Unrat? Mit Streit, Ungeduld, Zeitdiebstahl, Schwätzsucht, Böser Nachrede, Vorurteilen?

Die Palmzweige, welche wir in der Wohnung aufstellen, sollen uns daran erinnern, dass wir nach dem Vorbild Jesu handeln sollen. Das könnte bedeuten: Freude vermitteln, hilfsbereit sein, sich um die Schwächeren kümmern, tolerant sein und Nachsicht üben. Sind wir dazu bereit, treiben wir "Rotz und Maus mit dem geweihten Palmbesen aus dem Haus!"

 

 

Montag, 5. April 04

Verurteilt!

 

Der Film von Mel Gibson "Die Passion Christi", der gerade in den österreichischen Kinos läuft, regt auf und polarisiert. Er stellt den Leidensweg Jesu Christi auf brutalste Art und Weise dar. Der Film reduziert den Glauben auf körperliche Pein; Glaube ist nicht mehr als das Aushalten von Schmerz. Die Auferstehung klebt gleichgültig und interesselos dran. Der Film drückt somit nur einen Teil der Glaubensgrundlagen aus.

Dennoch gibt es Szenen, die zum Nachdenken anregen. Zum Beispiel, die Szene mit der verhetzten Menge, die lautstark fordert: "Ans Kreuz mit ihm.“ Haben wir daraus eigentlich etwas gelernt? frage ich mich. Gibt es nicht immer noch Situationen, wo wir vorschnell urteilen, verurteilen und aufhetzen? Ist es notwendig, dass wir noch immer Menschen, trotz all ihrer Übeltaten, hinrichten?

Das vorschnelle Urteilen darf nicht nur auf die Politik bezogen werden, wir dürfen uns alle angesprochen fühlen. Pauschal-Aussagen wie: "Das sind lauter Sozialschmarotzer! Keine Ausländer mehr - es kommen sowieso nur die Verbrecher! Die Arbeitslosen sind alle faul! sind Verurteilungen und Verletzungen, bei denen viele nur allzu gerne laut oder auch leise mitmischen. Wenn viel und laut genug geschrieen wird, muss es ja wohl stimmen. Die ruhigen, besonnenen, bedenklichen Stimmen gehen unter.

Trotzdem  muss diesem verurteilendem Geschrei und den verletzenden Pauschalierungen mit sachlichen, aber bestimmten Argumenten entgegengetreten werden. Wenn wir nach dem Motto "Das Weichste überwindet das Härteste!" handeln, wird unsere Mitwelt anders aussehen. 

 

 

Dienstag, 6. April 04

Warum hat keiner geholfen?

 

Die Karwoche erinnert uns immer wieder an den Leidensweg Jesus Christi. Unweigerlich stelle ich mir die Frage: "Warum hat ihm keiner geholfen?" Wenn er so viele Anhänger hatte, müssten doch einige aufschreien, wenn Unrecht geschieht. Sogar Petrus, der ihm ewige Treue geschworen hat, hat ihn dreimal verleugnet. Das Volk war aufgeheizt, ja es brannte und ein Brand vernichtet.

Wenn ich mir einen Hausbrand vorstelle, denke ich mir, ich kann mithelfen diesen zu löschen. Ich kann aber nicht noch während des Brandes,  das Haus neu aufbauen.

Bei Jesus war es ähnlich. Seine Anhänger, seine Familie und seine Getreuen sind zwar mit ihm mitgegangen, sie haben aber versagt. Sie zeigten Jesus dass sie hier sind, aber sie erwiesen sich als hilflos.

Erst nach seinem Tod und der Auferstehung haben sie daraus gelernt und haben sein Wertebild auch anderen Menschen vermittelt. Aus Versagen und Tod entstand etwas Neues.

In unserer Lebenswelt kennen wir auch Situationen, die schmerzlich sind, die brennen. Seien es die Ehekrisen, Streit mit Familienmitgliedern, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Schulden oder Schulschwierigkeiten.

Kehren wir zum Hausbrand zurück: Ich muss mich zuerst mit dem Problem befassen - also zuerst den Brand löschen - dann  kann ich mit dem Neubau beginnen. 

 

 

Mittwoch, 7. April 04

"Was der Mensch liebt, dem dient er"

 

Der Mammon Geld hat schon Judas dazu veranlasst Unrecht zu tun, indem er Jesus für 30 Silberlinge verraten hat.

Immer noch gibt es Menschen, die für Geld ihre Grundsätze über Bord werfen und sagen: "Wer Geld hat, schafft an!" Das bedeutet zwar nicht, dass Geld von vornherein den Charakter verdirbt. Es bedeutet aber auch nicht, dass Menschen, die gar kein Geld oder nur wenig Geld haben, automatisch einen guten Charakter haben.

Diskussionswürdig ist der Stellenwert, den das Geld in unserem Leben einnimmt. Müssen wir uns wirklich alles leisten können? frage ich mich. Was ist das für eine Gesellschaft, in der das erstrebenswerte Ziel das immer mehr und noch mehr Haben darstellt?

Was in unserer Gesellschaft so haarsträubend falsch läuft, ist der Wert, der auf Luxus, auf Statussymbole und auf materielle Werte gelegt wird. Nicht dass Familien mit kleinen Kindern auf einen Sportwagen oder einen Karibikurlaub verzichten müssen, ist absurd. Absurd ist, dass Menschen wegen derartiger Bedürfnisse auf Kinder verzichten.

Der große Sozialreformer Adolph Kolping hat einmal festgestellt: "Was der Mensch liebt, dem dient er!" Wen lieben wir jetzt mehr? Das Geld oder die Menschen? 

 

 

Donnerstag, 8. April 04

"Jesus hat den Menschen die Füße gewaschen!"

 

Als Vater von drei jugendlichen Kindern und Direktor der Berufsschule in Eisenstadt erlebe ich, dass junge Menschen oft übermütig sind. Sie handeln, ohne sich viel dabei zu denken. Sie schreien, stoßen, hetzen, raufen und stiften Unruhe. Sie lernen zu wenig und erbringen schlechte Schulleistungen.

Ein Verhalten das mir und auch den meisten Erwachsenen missfällt. Eigentlich erwarten wir, dass sie sich so verhalten wie wir das wollen. Dass sie die Leistungen erbringen, die wir uns vorstellen. Die Jugendlichen erfüllen unsere Erwartungen aber nicht immer. Wir halten ihnen dann eine "Polterpredigt" oder "waschen ihnen ordentlich den Schädl", wie wir Burgenländer zu sagen pflegen.  Die Erfahrung zeigt, dass Polterpredigten nicht fruchten. Wenn ich jemanden „den Kopf wasche“ fruchtet das auch nicht.

"Jesus hat den Menschen am Gründonnerstag die Füße und nicht den Kopf gewaschen!".  Er hat Verständnis gezeigt für die Not der Menschen, ist auf sie zugegangen und hat ihnen Halt gegeben. Der christlichen Weg, den uns Jesus vorgezeigt hat, indem er den Menschen die Füße gewaschen hat, bedeutet für mich: weniger schimpfen, weniger aggressiv sein, nicht vorschnell urteilen, Verständnis haben, Vorbild sein, helfen, wenn wir können, für den anderen da sein.

 

 

Freitag, 9. April 04

"Schuld ruft nach Vergebung!"

 

Der heutige Tag steht im Zeichen des Leidens und Sterbens Christi. Durch sein Sterben wurden wir von unserer Schuld und Sünde erlöst.

Das Schuldbewusstwein ist uns heute weitgehend abhanden gekommen. Niemand will gerne zugeben, dass er Fehler gemacht hat und Schuld auf sich geladen hat. Aber wir sind schnell, wenn es um Schuldzuweisungen geht.

Mit der Würde des Menschen nehmen wir es nicht so genau, die Sittlichkeit sehen wir selten und "Wir wolln nit aunstrafen!", damit wir unsere Ruhe haben. Ein Verhalten, mit dem wir uns mitschuldig machen.

Schuld gestehe ich mir leichter ein, wenn ich auf Vergebung hoffen kann. Das setzt die Einsicht seitens der Person und die Bereitschaft der Umkehr voraus.

Dieser Karfreitag, dieser Trauertag, macht uns bewusst, dass wir anderen Menschen gegenüber schuldig geworden sind. Den Kindern gegenüber, die wir vernachlässigt haben; dem Partner, der Partnerin gegenüber, die wir zuwenig unterstützt haben; der Gesellschaft gegenüber, weil wir uns nicht eingebracht haben oder Gott gegenüber, weil wir ihn nicht wahrgenommen haben.

Wenn ich meine Schuld einsehe und mich bei denjenigen, denen ich Unrecht getan habe, entschuldige, kann ich auf Vergebung hoffen.

Der Karfreitag vermittelt mir:  "Schuld ruft nach Vergebung!"

 

 

Samstag, 10. April 04

"Der Tod ist unausweichlich"

 

Der kürzlich verstorbene Kardinal König hat einmal gesagt: "Wir wissen nicht was das Morgen bringt, wir wissen aber mit Sicherheit, dass das irdische Leben ein Ende hat. Auf das können wir uns vorbereiten!"

Heute am Karsamstag, dem Tag der Grabesruhe, sollten wir uns das bewusst machen. Trotzdem frage ich mich, ob auch ich mit einer derartigen Klarheit und inneren Ruhe hinüberschlafen kann, wie das mein Großvater oder Kardinal König getan haben. Ich habe meinen Großvater als Mann in Erinnerung, der Gott immer  gepriesen hat. Er wurde eingesperrt, weil er nach dem Anschluss mit "Grüß Gott" und nicht mit dem deutschen Gruß grüßte. "Da Herr Gott is nau immer mehr als da Hitla!" sagte er stets. Auch er schlief im hohen Alter hinüber, nachdem er einen Tag zuvor seine Söhne um sich geschart hat, um mitzuteilen, dass er in "die Heimat" gehen wird.

Das sind Zeugnisse, welche vermitteln, dass der Glaube Halt gibt, dass er stärkt, dass man sich vor dem Tod nicht zu fürchten braucht.

Christlicher Glaube ist nicht nur Mystik, sondern auch konkreter Vollzug im Leben. Glaube fragt danach, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe! Glaube fragt, welche Handlungen ich setze! Wenn mir mein Gewissen auf diese Fragen eine positive Antwort geben kann, brauche ich den Tod – der unausweichlich auf uns zukommt -  nicht zu fürchten.