Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

Sr. Pallotti Findenig,
Provinzoberin der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut, Wernberg, Kärnten

 

Sonntag, 11. April 04

Warum ist diese Nacht so anders als andere Nächte? Warum kommen Christen zusammen in der Dunkelheit und feiern das Licht und den Morgen? Warum leuchten Feuer von den Bergen und wecken Böllerschüsse uns auf? Weil Nacht, Dunkelheit, Angst, Ausweglosigkeit und Tod nicht das Letzte sind. Weil Jesus, unsere Hoffnung, sein Leben für uns lebte. Weil Gottes Verheißung größer und stärker ist als aller Zweifel. Weil wir die Erfüllung unserer Hoffnung gemeinsam feiern wollen. Das Grab ist nicht das Letzte, unser Leben ist nicht zu Ende. Gottes Verheißung und alle Zeichen, die er uns als Hilfe für unseren Glauben gibt, greifen tiefer als das Grab. Ich kann und darf mich verlassen. Jesus Christus ist auferstanden! Halleluja! Dieser Ruf, dieser Gruß, dieser Ausdruck unserer Freude, diese Zusammenfassung all dessen, was unseren christlichen Glauben ausmacht, möge jeder und jedem von uns Flügel verleihen und unseren Füßen Tanzschritte zeigen.

 

 

Montag, 12. April 04

Glauben Sie, fragte man mich, an ein Leben nach dem Tode? So beginnt ein Gedicht von Maria Luise Kaschnitz. Sie antwortet: Ja. Aber dann wusste sie keine Auskunft mehr zu geben, wie das sein solle. Nur wie es nicht sein wird: Keine Hierarchie, kein Niedersturz verdammter Seelen, nur Liebe, frei gewordene, nie aufgezehrte Liebe, Liebe die alle und alles umfasst. Was antworten Sie, wenn Sie gefragt werden, ob es ein Leben nach dem Tode gibt? Gibt es Antworten, die aus Ihrer Sehnsucht, Ihrem Glauben, aus Ihrer Erfahrung kommen? Ich kann mich den Gedanken von Maria Luise Kaschnitz gut anschließen, ich möchte auch so glauben und antworten. Was bleibt, ist Liebe, nicht Gebot oder Gesetz. Ewigkeitscharakter hat nur die Liebe, dieses bedingungslose  Wohlwollen – nicht aus Anstrengung, nicht aus Pflicht – einfach so, weil ich zuerst geliebt wurde, ins Leben geliebt wurde. Mehr erwarten Sie nicht nach dem Tode? Und die Dichterin antwortet: Weniger nicht.

 

 

Dienstag, 13. April 04

Schwer kann das Aufstehen und weitergehen sein, wenn Hoffnung entschwunden ist, wenn alles nach Ende ausschaut. Wie gut tut es da, einen Ort zu haben, wo ich weinen kann, wo Platz für meine Trauer ist. Maria, vermutlich Jesu engste Freundin, trauert um ihn. Sie steht vor seinem Grab, blind vor Tränen, gefangen in ihrem Schmerz. Er hatte versprochen, dass sein Tod nicht das Ende ist. Aber – nach diesem Sterben, das sie miterlebt hat, noch daran glauben? Und dann steht er vor ihr, er DIE Liebe ihres Lebens. Sie hält ihn für den Gärtner, erst die vertraute Stimme, wie er MARIA sagt, lässt sie erkennen und ihr Herz weit werden. Die Freude und Begeisterung verleiht ihr Flügel. „Ich habe den Herrn gesehen, er lebt!“ wird die Botschaft, dieser liebenden Frau für eingeschüchterte und verzweifelte Männer. Diese Botschaft zieht weltweite Kreise. Die Kirche verleiht ihr den Titel „Apostolin der Apostel“ Lassen wir uns von ihr anstecken!

 

 

Mittwoch, 14. April 04

„Friede sei mit euch!“ ist der Wunsch Jesu an seine total verängstigten Freunde und mein Wunsch an Sie für den heutigen Tag. Jesus kommt, steht plötzlich in der Mitte der Apostel mit Wunden an Händen und Füßen und wünscht Frieden, Shalom. In ihm und um ihn ist Friede, weil er das Karussell der Gewalt und Aggression durchbrochen, Achtung vor jedem, Versöhnungsbereitschaft und Vergebung gelebt hat. Friede ist bei ihm kein leerer Wunsch, sondern beginnt zu wirken, weil er sich verwunden ließ, statt zu verwunden, weil er nicht zurück zahlte, was ihm angetan wurde. Er unterbrach die Kette von Gewalt und Gegengewalt. Er überwand das tödlich Böse durch seine Bereitschaft, es an sich geschehen zu lassen. Ich erinnere mich noch gut, wie meine Großmutter sagte: „Du musst nachgeben, du verstehst es besser“, das wollte ich nicht, ich wollte nicht unterliegen, sondern stark und mächtig sein. Aber wer ist in Wahrheit mächtiger, stärker? „Friede sei mit euch!“

 

 

Donnerstag, 15. April 04

Ist Ihnen der Apostel „Thomas“ vertraut? Er ist in die Geschichte eingegangen als der Zweifler. Ich meine, er wollte der Sache auf den Grund gehen und nicht einfach das übernehmen, was ihm Freunde in ihrer Begeisterung sagen. Er war ein denkender Mensch, vielleicht skeptisch. Er braucht handgreifliche Beweise für seinen Glauben. Erst wenn er Jesu verletzte Hände berühren und seine Hand in Jesu Seitenwunde legen kann, dann will er glauben. Jesus nimmt ihn beim Wort und nahe an sich und seine Verwundungen heran, Jesus steht zu seinen Wunden, sie sind Beweis seiner Identität. Dieses Zugeben von Verwundungen, tödlichen Wunden, überzeugt Thomas. Welche Beweise für Jesus wie er lebt und unter uns ist, brauche ich? Ich hoffe und wünsche mir, dass er mich auch so nahe an sich heran nimmt, mich an Leid und Auferstehung teilhaben lässt, so dass ich glauben kann. Ich lasse mich gern von Thomas und seinem Glauben anstecken.

 

 

Freitag, 16. April 04

Auferstehung schon im Leben – Auferstehung mitten am Tag – der vielen kleinen, täglichen Tode wegen – ist es nicht das, wonach jede und jeder von uns sich sehnt? Dass ich mit der und dem reden kann, wo jedes Wort versiegt ist; dass ich zugeben kann, was mich kränkt, was mich erniedrigt – und verstanden werde; dass ich sagen kann: Es tut mir leid – ohne weitere Anschuldigung oder Verteidigung; dass ich - ja, was denn noch? Dass ich vielleicht schlicht und einfach „Guten Morgen“ sage zu jemandem, wo ich keinen Gruß zurück erwarte; dass ich die kleinen Nadelstiche aushalte, ohne zurückzustechen – aber auch sagen kann: Warum tust du das? Was stört dich? Habe ich dir etwas getan? Dass ich jemandem Gottes Segen wünsche ohne die Bitte, dass das an ihm oder ihr geändert wird, was mich so sehr stört; dass ich auch von mir selber nichts Unmögliches erwarte; dass ich zufrieden bin mit dem, was der  heutige Tag bringt und am Abend schlicht danke sage dafür.

 

 

Samstag, 17. April 04

Wenn es keine Feste mehr gäbe bei uns, wenn wir eines Morgens erwachten und es nur mehr Arbeit und Last und Muss gäbe? Wenn wir, erschöpft von aller Tätigkeit, die Quelle verlieren, aus der der Geist der Festesfreude kommt, diese Freude, mit Menschen zusammen zu sein, die Freude aneinander? Und wenn die Sehnsucht nach Gebet, nach zweckfreier Zeit, nach Stille nicht mehr vorhanden ist. Wenn kein Geschmack mehr da ist für das, was über den Alltag hinausreicht? Auch über das, was wir kaufen und uns leisten können. „Es muss im Leben mehr als alles geben“, sagt in einem Kinderbuch der alte, unansehnliche Stoffhase. „Mehr als alles“, was wir be-greifen, er-fassen, be-halten können. Diese Leuchtspur durch alle Dunkelheit, Sorge und Trauer hindurch. Ja, es gibt sie. Ich erlebe sie öfters bei Menschen, die nicht unseren Standard haben, die materiell ärmer sind als Durchschnittsösterreicher. Diese Spur weist mir Jesus.