Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

von OKR Dr. Hannelore Reiner
aus Wien,  v.d. Evang. Kirche

 

Sonntag, 18. 04. 2004

Glücklich sind, die nicht sehen und doch vertrauen

 

Herzlichen Glückwunsch, so gratulieren wir einander zu allen möglichen und manchmal auch unmöglichen Gelegenheiten, zum Geburtstag, zur bestandenen Prüfung, zur Hochzeit.

 

Unter den sehr unterschiedlichen Ostergeschichten des Neuen Testaments versteckt sich auch ein solcher Glückwunsch. Er gilt einem Menschen, der mit Ostern und vor allem mit der Nachricht, dass Jesus auferstanden sein soll, nichts anfangen kann. Genau diesem berühmt-berüchtigten Zweifler Thomas sagt Jesus: Glücklich sind jene, die nicht sehen und doch glauben. Zugegeben, das ist ein eigenartiger Glückwunsch. Thomas und viele andere mit ihm erwünschen und ersehnen es sich ja genau umgekehrt. Ich muss mit meinen eigenen Augen sehen und mit meinen eigenen Händen begreifen und erfassen können – dann, ja dann kann ich auch vertrauen.

 

Jesu Glückwunsch dreht diese urmenschliche Sehnsucht um. Glücklich bist du dann, wenn du mit dem Vertrauen beginnst. Denn dieses Vertrauen verändert dich selber und auch das, was du siehst und hörst und begreifst.

 

 

Montag, 19. 04. 2004

Glücklich sind, die arm sind vor Gott

 

Herzlichen Glückwunsch! Die sogenannte Bergpredigt Jesu beginnt mit einer Gratulation: Glückselig seid ihr, ihr könnt euch glücklich schätzen! Das allein mag schon erstaunen. Für gewöhnlich fangen große Reden mit einem flammenden Appell an. Die Propheten aller Zeiten haben mit eindrücklichen, griffigen Bildern die Menschen wach gerüttelt.

 

Ganz anders der Prediger Jesus. Er beginnt mit Gratulationen. Noch mehr allerdings erstaunt, wen er nun glücklich preist. Herzlichen Glückwunsch jenen, die sich arm wissen vor Gott. Damit sind doch wohl jene gemeint, die wissen, dass sie nicht alles aus eigener Kraft schaffen können und müssen. Allzu perfekte Menschen jagen meist Angst ein und machen sich selber und andere unglücklich. Glücklich aber können jene sein, die sich eingestehen können: Es ist gut, dass ein Größerer über Anfang, Sinn und Ziel meines Lebens entscheidet und auch über den heutigen Tag.

 

 

Dienstag, 20. 04. 2004

Glücklich sind die Trauernden

 

Herzlichen Glückwunsch, ihr Trauernden, denn ihr sollt getröstet werden, so heißt es in der Bergpredigt. Traurigkeit und Glücklichsein schließen einander für gewöhnlich aus. Und die Hoffnung auf einen Trost, der irgendwann kommen soll, macht auch nicht gerade glücklich. Kein Wunder, dass viele das Traurigsein gar nicht erst zulassen.

Der Glückwunsch Jesu aber gilt jenen, die dem Leid nicht davon laufen, sondern sich ihm stellen.

 

In einer kleinen Runde erzählte einmal ein bereits älterer Postbeamter, der jahrzehntelang einen besonders guten Draht zu Jugendlichen hatte: „Meine Frau und ich haben lange Zeit auf ein Kind gehofft und dieser heiße Kinderwunsch hat uns fast an den Rand unserer Ehe und Partnerschaft getrieben. Irgendwann haben wir dann aufgegeben, von einem Kind zu träumen. Nur noch Trauer und Enttäuschung waren geblieben. Bis, ja bis ein Lehrmädchen ein Zimmer gesucht hat und wir es aufgenommen haben. Da war es damals, als ob sich etwas lösen würde, was allzu lange angestaut und erstarrt gewesen war.“

 

Die Trauer der beiden verwandelte sich in eine gute Beziehung zu Jugendlichen zwischen 14 und 20.

 

 

Mittwoch, 21.04.2004

Gückselig sind die Sanftmütigen

 

Herzlichen Glückwunsch heute Morgen jenen, die Behutsamkeit an den Tag legen. Wo es um Wachsen und Reifen geht braucht es Geduld und einen langen Atem, gleich ob beim Menschen oder in der Natur.

 

Das ist in einer Welt, wo Maschinen den Takt und Rhythmus angeben, fast unmöglich. Alles arbeitet doch dahin, möglichst schneller ans Ziel zu kommen und Ergebnisse vorweisen zu können. Dass dabei so manches auf der Strecke bleibt, versteht sich von selbst. Diejenigen, die bei einem solchen Tempo nicht mehr mitkommen, werden an den Rand gedrängt. Wälder, die bekanntlich Jahrhunderte zum Wachsen brauchen, werden abgeholzt. Felder und Wiesen werden Auto- und Flugbahnen geopfert.

 

Seit einigen Jahrzehnten wird langsam - zumindest in unserem Land - klar, dass es gerade die Behutsamen braucht, jene, die lieber noch ein wenig zuwarten als irreparable Schritte zu setzen. Sie werden das Erdreich besitzen, verheißt Jesus. Der sanfte, geduldige Rat der Behutsamen wird – hoffentlich – mehr und mehr gehört, auf dass wir uns auch künftig wohl fühlen und glücklich sein können - auf dieser unserer Erde.

 

 

Donnerstag, 22.04.2004

Selig die Barmherzigen.

 

Herzlichen Glückwunsch den Barmherzigen!

Barmherzigkeit hat schon lange keinen guten Klang mehr. Das schmeckt nach Almosen, ein wenig süßlich und frömmelnd. „Ich will mein Recht und keine Barmherzigkeit!“, hatte Mehmet, ein albanischer Flüchtling vor ein paar Jahren gefordert und – wie ich meine – auch zu Recht.

 

Aber Barmherzigkeit im biblischen Sinn hat nichts mit Almosen zu tun und hebt auch das Recht nicht auf. Sie weist eher darauf hin, dass mit dem Buchstaben des Gesetzes nicht alle menschlichen Facetten zu ergründen sind. Vieles geschieht in der Grauzone zwischen eigener tragischer Geschichte und dem Unvermögen, davon los zu kommen. Barmherzigkeit schärft den Blick und zeigt die Hintergründe auf, um besser zu verstehen.

 

Ein solches Erbarmen hat auch Mehmet aus dem Kosovo erfahren in Gestalt einer Österreicherin, die mit ihm von einem Amt zum anderen gegangen und gefahren ist und nicht früher aufgegeben hat, bis der Asylantrag endlich auch für Mehmet und seine Familie positiv entschieden war. Mit glücklichem Gesicht erzählte sie mir davon.

 

 

Freitag, 23.04.2004

Selig sind, die Frieden stiften.

 

„Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte“, heißt es im Sprichwort. Wie in fast allen Sprichwörtern steckt auch hier einige Wahrheit darin. Es ist ja schon ein Glück, wenn ich selbst gerade keinen Wickel mit irgendjemand anderem habe. Da kann schon ein wenig Schadenfreude aufkommen, wenn ich mich einmal draußen halten kann. Was für die kleinen Zwistigkeiten und manchmal auch handfesten Konflikte im Alltag gilt, gilt erst recht auch für die großen Konflikte unter den Völkern.

 

Jesus preist aber in der Bergpredigt nicht jene, die sich um Konflikte herumdrücken und sich womöglich als „Unbeteiligte“ ins Fäustchen lachen, sondern gerade jene, die sich einmischen, die versuchen, Frieden zu stiften, die sich zwischen die Konfliktparteien stellen.

 

Eine junge Schwedin hat ein ganzes Jahr in Bethlehem gelebt, inmitten der palästinensischen Bevölkerung und der israelischen Soldaten. Sie hat mit den Kindern Bücher gelesen, Kinderbücher von Astrid Lindgren. Langsam hat sie dabei mit den Kindern durchdacht und durchbuchstabiert, wie Friede und Versöhnung in Bethlehem ausschauen könnten, heutzutage. Nach einem Jahr wurden sie und ihr Team heim geschickt. Sie waren zu sehr zwischen die Fronten geraten. Aber als sie davon erzählte, hat jeder gemerkt, dass sie eben über eines ihrer glücklichsten, weil sinnvollsten Jahre berichtet hat.

 

 

Samstag, 24.04.2004

Es braucht glückliche Menschen.

 

Glück muss der Mensch haben. Bei diesem Satz werden wir uns wohl rasch einig. Das denken jene, die heute wieder ihren Lottoschein ausfüllen und das hoffen erst recht jene, die heute zum Standesamt und Traualtar treten. Glück brauchen wir alle, jeder, jede möchte ein glücklicher Mensch sein. Wenn wir einander beglückwünschen, und das geschieht doch recht oft, gönnen wir dieses Glücklichsein und Glücklichwerden auch dem jeweils anderen.

So sind auch die Seligpreisungen der Bergpredigt zu verstehen.

 

Manchmal scheint es ja, als ob gerade Christen und Christinnen immer nur unglücklich zu sein hätten. Besonders schlimm wird es dann, wenn zu dieser negativen Grundstimmung noch ein strahlendes Gesicht aufgesetzt werden muss.

 

Jesus beglückwünscht seine Jünger und Jüngerinnen: Ihr könnt glückselig sein, ganz gleich in welcher Stimmung ihr euch gerade befindet. Denn jeden Morgen neu leuchtet Gottes Barmherzigkeit auf und ihr könnt in den Tag gehen mit einer Handvoll Glück.