Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Pfarrer Mag. Jakob Bürgler
Sonntag,
20. Juni 2004
Der
Sonntag ist der Tag der Auferstehung, der Tag des Lebens. Er kann
uns daran erinnern, dass auch wir leben dürfen.
Ich
weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist: Sie haben an diesem Morgen
etwas ganz Wesentliches schon hinter sich. Etwas Kleines und
Unscheinbares, etwas auf den ersten Blick ganz Selbstverständliches:
Sie sind aufgewacht! Sie haben ihre Augen geöffnet!
Ein
geistlicher Begleiter hat einmal gesagt: „Wenn du deine Augen öffnest
am Morgen, wenn du aufwachst, dann werde dir bewusst: Ich lebe. Ich
darf auf-leben. Ein neuer Tag ist mir geschenkt.“
In
der Morgenstunde steckt ein Geheimnis: Nach dem Dunkel der Nacht
bricht das Leben wieder auf. Nach den Stunden des Schlafes wird das
Leben wieder lebendig. Der Morgen ruft uns zu: „Bleib nicht in der
Dunkelheit! Steh auf! Das Leben wartet auf dich!“
Heute
ist Sonntag. Tag der Auferstehung. Wir feiern, dass Jesus Christus
auferstanden ist und lebt. Die Nacht des Todes hat ihn nicht für
immer festgehalten. Und mit Jesus darf auch unser Leben auf-leben
und auf-stehen. Vielleicht kann der Sonntagmorgen für Sie eine
leise Erinnerung sein: eine Erinnerung daran, dass Sie jeden Tag neu
leben und auf-leben dürfen.
Montag,
21. Juni 2004
Am
Montag beginnt die Arbeitswoche. Ob gut oder schlecht gelaunt, ob
gern oder ungern: die Arbeit ruft.
Die
neue Arbeitswoche beginnt. Nach dem Wochenende gehört die Kraft
wieder der Arbeit und dem Einsatz.
Für viele Menschen ist der Montagmorgen keine angenehme
Stunde. Und der Montag auch kein guter Tag. Nicht wenige zählen
schon von Beginn an die Stunden, die sie vom nächsten Wochenende
trennen.
Ich
denke mir, da läuft etwas schief. So kann das Leben nicht gelingen!
Wenn ich immer nur Ausschau halte nach etwas, was mich von der
Arbeit ablenkt, was Freizeit und Erholung bedeutet, dann kann ich
auf Dauer nicht glücklich werden. Niemand kann zufrieden sein, wenn
er sich nur von Insel zu Insel rettet. Irgendwann einmal wird ihm
auf der Strecke dazwischen die Luft ausgehen.
Es
ist gut, der Arbeit und dem Einsatz ein neues Gesicht zu geben. Darüber
nachzudenken, was Arbeit sinnvoll und lebenswert macht. Sicher –
es wird Aufgaben geben, die nur Mühe und Frust bedeuten. Aber: Lebt
Ihr Leben nicht auch vom Einbringen Ihrer Lebenskraft? Ist die
Arbeit nicht auch ein Teil des Lebens, der mit Sinn gefüllt werden
möchte?
Dienstag,
22. Juni 2004
Kein
Mensch kan ohne Gemeinschaft leben. Jeder Mensch braucht die
Geborgenheit bei anderen. Wer das soziale Netz verliert, vereinsamt
und geht zugrunde.
Immer
mehr Menschen leben allein. Single-Haushalte schießen wie Pilze aus
dem Boden. Der Wohnbau hat sich umgestellt. Die kleinen Wohnungen
sind ein Hit!
Für
mich ist das eine auffällige Entwicklung. Das gemeinsame Leben mit
anderen unter einem Dach scheint immer schwieriger zu werden. Und
unattraktiver. Jeder baut sich eine eigene kleine Welt. Zieht sich
zurück in die eigenen vier Wände.
Gleichzeitig
jedoch wächst in vielen Menschen eine Sehnsucht: die Sehnsucht nach
Gemeinschaft. Die Sehnsucht nach Einbettung in ein soziales Netz.
Die Sehnsucht nach Geborgenheit. Wer junge Menschen fragt, was ihnen
ganz wichtig ist für ihre Zukunft, wird als Antwort bekommen: eine
Familie.
Vielleicht
liegt eine Wurzel für diesen Wunsch auch in den Brüchen, die
heutzutage quer durch viele Familien verlaufen. Ganz sicher aber
ist, dass jeder Mensch für ein gutes und gelingendes Leben
Gemeinschaft und Geborgenheit braucht.
Wer
braucht heute Ihre Gemeinschaft, Ihre Geborgenheit?
Mittwoch,
23. Juni 2004
Beten
heißt nicht viele Worte machen. Beten heißt den inneren Blick schärfen
und einüben für eine Wirklichkeit, die hinter allem steckt.
Manchmal
werden Menschen ausgelacht, die viel beten. „Sie verschließen
ihre Augen vor der Wirklichkeit“, heißt es dann. „Sie träumen
sich in eine Welt, die gut und heil ist, in eine Welt, die
eigentlich nichts zu tun hat mit der harten Realität des
Alltags.“
Wer
immer Gebet als Weg versteht, um den bedrängenden Erfahrungen des
Lebens zu entfliehen, der ist auf einem falschen Weg. Das ist Gebet
nicht! Das ist eher Flucht und Träumerei. Oder Einbildung. Oder
eine Methode zur Selbstberuhigung.
Gebet
ist im letzten etwas ganz Anderes. Gebet ist „Wach werden“.
„Wach werden“ für Gott und sein Dasein mitten im Leben und
„Wach werden“ für das Leben, wie es ist. Nur: Um wirklich zu
erkennen, wie das Leben ist, genügen die Augen im Kopf nicht. Dazu
braucht es die Augen im Herzen. „Man sieht nur mit dem Herzen gut,
das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, hat Antoine de
Saint-Exupery geschrieben.
Wer
betet, wird wach für das, was hinter dem Leben steckt. Der schaut
dahinter. Ob Sie heute nicht ein paar Minuten in Stille verbringen
sollten, um wacher und aufmerksamer zu leben?
Donnerstag,
24. Juni 2004
In
jedem Menschen wohnt eine tiefe Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Glück
und Zufriedenheit. Die Sehnsucht nach gelingendem Leben.
Mitten
in der Nacht bin ich aufgewacht. Irgendetwas hat mich geweckt. Erst
langsam und mühsam gelingt es mir, mich zu orientieren. Und auf
einmal weiß ich: Es war ein Traum! Ein schlimmer, ein fürchterlicher
Traum!
Eigentlich
ist die Welt der Träume eine interessante Welt. Manchmal so arg und
bedrängend, manchmal so beflügelnd und heiter. Wie vielfältig
doch die Erfahrungen und Eindrücke und Gefühle sind, die sich in
der Traumwelt verbinden!
Und
immer wieder dreht sich im Traum alles um eine Wirklichkeit, die so
wesentlich zum menschlichen Leben dazugehört: um die Sehnsucht. Um
die Sehnsucht, heil davon zu kommen. Gerettet zu werden. Die
Herausforderungen zu bestehen. Um die Sehnsucht, geliebt zu werden.
Ganz und gar glücklich zu sein. Selig.
Diese
Sehnsucht steckt ganz tief in jedem menschlichen Herzen. Und diese
Sehnsucht bricht sich einen Weg an die Oberfläche auch im Traum.
Deshalb die Einladung an Sie:
Lassen Sie Ihre Sehnsucht wach werden! Spüren Sie, was Ihre
Sehnsucht ist!
Freitag,
25. Juni 2004
Das
Verzichten ist früher groß geschrieben worden. Heute kommt es im
Leben kaum mehr vor. Das bedeutet einen Verlust.
Manche
von Ihnen wissen wahrscheinlich noch um die strengen Fastengebote
vergangener Zeiten. Da ist genau vorgeschrieben und geregelt worden,
wie es geht. Was erlaubt und was nicht erlaubt ist.
Der
Freitag war ein solcher Fasttag. Fleisch und Wurst waren verpönt.
Und für Kinder die Süßigkeiten. Der Freitag sollte nämlich ein
besonderer Tag sein! Schließlich galt es, am Todestag Jesu ein
Zeichen der Erinnerung und der Achtung zu setzen.
Die
kleinen Fastenübungen am Freitag sind ganz außer Übung gekommen.
Wer denkt heute schon noch daran – außer manchen alten Menschen!
Vielleicht
aber hat unser Leben durch dieses Vergessen auf das wöchentliche
Fasten etwas verloren: die Einübung in das Verzichten. Verzichten
ist nicht mehr in. Verzichten ist nicht mehr modern. Ich muss alles
haben! Nur so werde ich glücklich!
Aber:
Wer nie verzichten gelernt hat, der wird nie satt werden.
Samstag,
26. Juni 2004
Der
Glaube will das Leben nicht einengen, sondern weit machen. Er will
helfen, wirkliche Freude zu finden und das Schöne zu genießen.
„Ich
halte nichts vom Glauben! Der macht mir ja das Leben madig. Der
verbietet mir jede Freude, jedes Vergnügen, jeden Genuss! Ich will
das Leben genießen! Der Glaube hilft mir da nichts!“
Für
mich ist es erstaunlich, wie sehr sich dieses Bild vom Glauben in
den Köpfen und Herzen der Menschen hält. Hartnäckig. Mag schon
sein, dass in früheren Zeiten Verdruss und Weltverachtung gepredigt
worden sind. Aber das ist vorbei!
Gott
sei Dank glauben wir an einen Gott, der das Leben liebt, der will,
dass wir
lebendig
leben, aufleben, froh und glücklich sind! Gott sei Dank ist der
christliche Gott ein Freund des Lebens! Und deshalb darf ich mich
freuen! Deshalb darf ich genießen! Nicht einfach, was oberflächliche
Befriedigung gibt, sondern was wirklich Glück schenkt. Was das Herz
satt macht.
Der
Heilige Ignatius spricht vom Trost, den ich empfinde. Vom Trost, den
Gott schenkt.
Eine
Frage für diesen Tag: Woraus schöpfe ich heute Trost? Was will ich
heute genießen?
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