Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Dechant
und Stadtpfarrer Engelbert Hofer, Feldkirchen, Kärnten
Sonntag, 4. Juli 2004
Hier
in Feldkirchen erlebe ich den Sonntag Morgen so, dass in die Stille
des beginnenden Tages die große Glocke vom nahen Kirchturm den Tag
des Herrn feierlich einläutet. Dann spreche ich ein Gebet, besinne
mich meiner Aufgaben als Pfarrer und stehe willig auf. Wie es wohl
Ihnen mit den Sonntagsglocken ergeht? Ich höre, dass manche, die
gerne einmal ruhig ausschlafen, ihr lautes Geläute als aufdringlich
empfinden und sich darüber ärgern. Ich erinnere mich, dass Sommergästen
daheim im Elternhaus Glockengeläute gänzlich unbekannt war, dass
es sie verwunderte und erschreckte.
Gedacht
und gemacht sind die Glocken ja dazu, Boten des Glaubens und Stimme
von oben zu sein. Im Wörterbuch heißt es sogar feierlich: „Die
Kirchenglocke ist ein geweihtes Musikinstrument!“
Ich
möchte in dieser Woche bei meinen Gedanken die Glocken in den
Mittelpunkt stellen. Für den Sonntag hoffe ich, dass der weithin hörbare
Klang dieser Gottesboten hoch oben in den Kirchtürmen viele
aufwecken kann. Dass sie motivieren und einstimmen können, den Tag
des Herrn durch die Mitfeier des Gottesdienstes zu heiligen.
Für
Sie darf ich heute ein behutsamer Glockenton sein. Ich darf ihnen
den Segen Gottes und seinen Frieden zusprechen.
Montag, 5. Juli 2004
Für
die beginnende Woche wünsche ich Ihnen Kraft und eine positive
Einstellung. Ich weiß nicht, ob sie im Montag-Morgentempo Zeit und
Ruhe finden, auf den Klang der Glocken zu hören. Sie sind da in den
Geräuschen der Morgenfrühe, sie mischen sich in das Vielerlei an Tönen
und Klängen. Sie möchten die Stimme Gottes sein, genauso wie die
hoch aufragenden Kirchtürme einen Fingerzeig nach oben bilden. Kann
man in der Sprache von heute sagen: Jeder Glockenschlag ist ein SMS
von Gott.
Früher
beherrschten Bauwerke zur Ehre Gottes das Land, man baute sie auf
Anhöhen und in die Mitte der Städte; manche Orte wetteiferten
miteinander, den höchsten, mächtigsten Kirchturm und die meisten,
die größten Glocken zu haben.
In
unserer modernen Zeit der Fabriksirenen und Autohupen, der
Alarmglocken und Folgetonhörner – sind die Klänge der
Kirchenglocken in den Hintergrund gedrängt, ist ihre Botschaft
relativiert, manchmal auch unwillkommen.
Und
doch gibt es Stunden, wo die Glocke in ihrer Bedeutung Raum gewinnt.
Ich denke etwa an die ersten Minuten eines neuen Jahres – wo ein
ganzes Land dem Schwingen und Klingen der Bummerin am Wiener
Stephansdom lauscht – wo, so glaube ich, ihre Botschaft ankommt
und verstanden wird.
Wie
Schutzengel begleiten die Glocken unser ganzes Leben. Sie sind
klingende Gebete an jedem Tag, Anrufe zur Besinnung im Laufe der
Woche und tragende Mitgestalter der großen Feste im Jahreskreis.
Sie geben unserem Leben Klang, Bedeutung und Struktur.
Ich
wünsche ihnen, dass sie heute und immer wieder ihre Botschaft
aufnehmen können und in ihrem Herzen nachklingen lassen.
Dienstag, 6. Juli 2004
Mein
Wort über die Kirchenglocken begleitet sie, während sie den
heraufgehenden Tag erleben. Da kommt mir ein Gedicht von Johann
Wolfgang Goethe in den Sinn. „Die wandelnde Glocke“ – eine
Ballade, die für mich eher bedrückenden Charakter hat. Es handelt
von einem Kind, das nicht in Richtung Kirche eilt, wie die Mutter
ihm aufträgt, sondern verbotene Wege geht. Dabei warnt die Mutter
ihren Sprössling: Die Glocke, die zur Kirche ruft, werde kommen und
das unfolgsame Kind holen. Tatsächlich, so dichtet Goethe weiter,
kommt die Glocke durch die Lüfte geflogen und will sich über das
schlimme Kind stülpen – da macht es vor Schrecken kehrt und eilt
schleunigst zum Gottesdienst.
Eine
sonderbare Pädagogik, die der Herr Geheimrat hier anbringt - nicht
gerade eine Schilderung der liebenden Barmherzigkeit des Herrn. Ich
meine, das ist nicht die Art Gottes. Nach den Worten von Jesus ist
Gott nicht einer der droht, der Angst macht oder schreckt. Er ist
vielmehr einer, der uns Menschen einlädt. Diese Botschaft verkünden
die Glocken mit ihren bronzeweichen und manchmal auch stahlharten Klängen.
Auch wir Menschen können diese gute Nachricht weitertragen. Dann wären
wir – frei nach Goethe – wandelnde Glocken eines zärtlichen
Gottes – oder wandelnde Glocken der Hoffnung und des Friedens
unter den Menschen.
Mittwoch,
7. Juli 2004
Theologe
Ernst Lange - Zum Tod des
Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil
Jesu
Tod ist ein Lebensmittel, ein Signal für alle Lebenden: Es kann
gelebt werden. Es hat einen Sinn zu leben. Es bringt Frucht und
Segen, zu leben in Glauben, Liebe und Hoffnung. Es macht lebendig,
dem Tod zum Trotz. Dies ist es, was die Christen mit dem
geheimnisvollen Wort Auferstehung meinen. Nicht, dass man nicht
wirklich sterben muss. Sondern dass der Tod kein Argument gegen das
Leben ist. Kein Argument gegen den Glauben an den Sinn eines jeden
Menschenlebens. Kein Argument gegen die Liebe als die Energie des
Lebendigmachens allen Lebens. Kein Argument gegen die Hoffnung auf
die Vollendung der Welt. Ganz schlicht: kein Argument gegen Gott.
Kein Grund, an Gott zu verzweifeln. Man stirbt nicht weg von Gott.
Man stirbt in Gott hinein, so unbegreiflich das ist und bleibt.
Abgesehen von Jesus sind das nur Worte. Mit Jesus sind es, wie der
Evangelist Johannes das nennt, Worte des ewigen Lebens, Worte, die
wirklich lebendig machen. Der Tod ist kein Argument gegen das Leben.
Donnerstag, 8. Juli 2004
Wenn
meine Gedanken in dieser Woche um die Kirchenglocken kreisen, dann
darf ganz sicher Friedrich Schillers berühmtes „Lied von der
Glocke“ nicht unerwähnt bleiben.
Sie
alle kennen wahrscheinlich den Anfang: „Festgemauert in der Erden
steht die Form aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden,
frisch Gesellen seid zur Hand.“
In
großartigen Versen schildert der Dichter das Werden einer Glocke
und vergleicht es mit dem Auf und Ab im Leben eines Menschen. Für
mich fließt schon aus den ersten Zeilen eine Ermutigung für das
eigene Leben. „Heute muss die Glocke werden!“ Dein Tagewerk,
meine Aufgabe sind damit gemeint. Wir erhalten ja nicht schon am
Morgen das fertige Tagespensum frei Haus serviert. Fleiß, Einsatz
und Ausdauer sind gefragt.
Lebensweisheiten
bündelt der Dichter in seine Zeilen.
„Wo
das Strenge mit dem Zarten, wo Hartes sich mit Mildem paarten, da
gibt es einen guten Klang.“ In Anspielung auf die Mischung der
sogenannten „Glockenspeise“ finden wir pädagogische Hilfen. Die
richtige Dosis von Milde und Konsequenz, von Lob und Ansporn führen
den Erzieher zum Erfolg.
„Doch
mit des Geschickes Mächten ist kein ewger Bund zu flechten.“ Im
Leben gibt es keinen Garantieschein auf beständiges und volles Glück.
Es braucht die Offenheit, das Vertrauen, die Toleranz und die
Menschlichkeit.
Ich
hoffe, Sie sind nicht vom Leben enttäuscht, sondern heute wieder
hoffnungsvoll auf dem Weg. Ich hoffe, das Lied von der Glocke klingt
in ihnen.
Freitag,
9. Juli 2004
Es
gibt einen bekannten Glockenspruch, der lässt die Glocke sprechen:
„Vivos voco – ich rufe die Lebenden!“ – „Mortuos plango
– ich beklage die Toten!“ und „Fulgura frango – ich breche
die Blitze!“ In diesen Worten wird deutlich, wie sehr die Glocken
mit ihrem ganz eigenen Klang in Leben und Kultur des Abendlandes
hineinverwoben sind. Heute am Freitag wiederhole ich die Aussage:
„Mortuos plango – ich beklage die Toten!“ Ich weiß aus
Erfahrung, bei jedem Begräbnis legen die Angehörigen größten
Wert darauf, dass für ihren lieben Verstorbenen geläutet wird. So
wird ein Mensch durch die Glocken beklagt. Er wird aber auch
bedankt, gewürdigt und seinem Schöpfer und Erlöser gleichsam in
Erinnerung gebracht. Die Glocken künden vom Glauben an die
Auferstehung.
An
jedem Freitag schlägt aber auch zu einem ganz besonderen Ereignis
die Glocke an.
Um
15 Uhr wird durch das Läuten der Todesstunde Christi gedacht. Er
starb aus Liebe – und die Liebe darf in der Welt nie ganz sterben.
Sie muss bleiben und uns alle am Leben erhalten.
Beim
Läuten am Freitag Nachmittag sollten wir uns kurz besinnen – wo
wir auch gerade sind – und dem dankbar sein, der uns durch sein
Sterben erlöst hat.
Samstag, 10. Juli 2004
Anlässlich des Begräbnisses von Bundespräsident Dr. Thomas
Klestil
|