Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Heidrun-Irene
Mittermair
(Korneuburg,
NÖ) von der Evang. Kirche
„Frauen“
Sonntag, 8. August 2004
Ein
Mann, ein Wort, eine Frau, ein Wörterbuch... Ich bin sicher, dass
manche Frauen bei diesem Witz böse werden, andere schallend
auflachen, wieder andere fein schmunzeln. Was steckt dahinter?
Verleumdung? Ein Quäntchen Wahrheit? Übelwollende Männerintelligenz?
Versuchen wir doch, es einmal von einer positiven Seite zu sehen.
Eine Frau, so scheint es, hat Kommunikationsfähigkeiten,
von denen Männer nur träumen können – überspitzt formuliert,
natürlich, denn Ausnahmen bestätigen immer die Regel. Was bringt
aber nun Kommunikation? Ist es der Versuch, auf andere zuzugehen?
Verstehen zu wollen, wie sie denken? Mitzuteilen, was man selber fühlt?
Mit Sicherheit. Natürlich kann es auch sein, dass man bei drei
Stunden Kommunikation auf genau eine Weisheit kommt – aber eine
Weisheit in nur drei Stunden ist doch beachtlich, wenn man an
diverse mehrtägige Gipfelgespräche hochrangiger Politiker denkt.
Vor einiger Zeit haben sich ein paar Freundinnen und ich aufgerafft
und abseits vom Telefonhörer ein Treffen geplant – und alle sind
wir übereingekommen, dass solche Frauentreffen wirklich was
bringen. Nicht Tratsch und Klatsch, diese Variante gibt’s natürlich
auch – und da sind Männer nicht ausgenommen –nein, sie bringen
vor allem eins: da gibt es jemanden, der kämpft mit den gleichen
Problemen wie ich, der fühlt wie ich, der versucht Lebenslösungen
zu finden, genauso wie ich. Und man ist durch das Zaubermittel
Kommunikation plötzlich nicht mehr allein. Eine Frau, ein Wörterbuch
– ja, bitte! Und warum nicht auch: Ein Mann, ein Wörterbuch?
Montag, 9. August 2004
Ich
sehe es vor mir: im Arm ein Kind, das greint, in der Hand den
Broccoli, der in die heiße Butter wandern soll, im hinteren Zimmer
ein Kind, das heult. Vielleicht noch, zum Drüberstreuen, den
Telefonhörer zwischen Schulter und Wange eingeklemmt, um ein
wichtiges Telefonat zu führen. Wissen Sie, worauf ich hinauswill?
Genau, die täglichen, ganz normalen Belastungen, oder besser:
Aufgabenstellungen einer Hausfrau mit kleinen Kindern. Sie muss
zugleich checken, ob das Kind, das im hinteren Zimmer weint, eine
ernsthafte Verletzung, hat oder es nur unwillig ist, sie muss das
Kleinkind im Arm trösten, weil es zahnt, sie muss aufpassen, dass
die Butter in der Pfanne nicht zu heiß wird (und auch, dass das
Kleinkind sich nicht daran verbrennt), sie muss am Telefon erklären,
was jetzt genau am Auto, das im Service ist, zu machen ist. Zusätzlich
schwirrt natürlich im Kopf herum, was sie noch alles für die
Kinderparty am Samstag vorbereiten muss, dass die Grießkochpatzer
vor der Versteinerung vom Tisch gewischt gehören, dass die
Schwiegermutter zum 60er ein tolles Geschenk erwartet. Das alles
nennt man in der Fachsprache überfachliche
Qualifikationen: Stressmanagement,
Flexibilität, Organisationsfähigkeit, Prioritätenfindung,
Teamarbeit, Interessensausgleich. Und ein paar Jahre später sitzt
die gleiche Frau, die all diese Qualifikationen besitzt, vor einem
Arbeitgeber und senkt bei der Frage, was sie die letzten Jahre
gemacht habe, verschämt den Kopf und flüstert: „Ich war nur
daheim bei den Kindern."
Dienstag, 10. August 2004
Eine
Ameise kann ein Vielfaches ihres Körpergewichtes schleppen –
warum fällt mir das immer dann ein, wenn ich mich mit den
Einkaufstaschen und den zwei Buben über die Treppen schleppe? Nein,
ganz im Ernst, haben Sie sich schon überlegt, was Frauen alles
tragen? Nicht nur die naturgemäß verordnete 9 monatige Zeit des
Austragens eines Kindes, nein, die normalen Dinge des Alltags, die
eine Frau, die zuhause ist, zu schleppen hat. Ich hoffe, Sie
verzeihen, wenn ich jetzt bewusst die Hausfrauen meine, natürlich
tragen auch Frauen im Beruf und Männer im Beruf und Männer zuhause
genug, aber das möchte ich jetzt nicht Thema sein lassen.
Erstaunlicherweise wird, wenn, dann von den psychischen Belastungen
einer Hausfrau und Mutter gesprochen – die ja hart genug sind -,
aber selten von den physischen, denen, die wirklich körperlich
anstrengend sind. Das können jetzt ein Doppelkinderwagen sein,
Einkaufstaschen, Kinder , die Trost bei Schmerzen und Hilfe beim
Klettern brauchen – oder alles gemeinsam. Wenn Sie Lust haben,
gehen Sie mal bewusst mit diesem Blick durch die Strasse, und
schauen Sie, wer die Lasten des Alltags trägt. Die
Frau als Ameise ist kein Märchen... Und dann ist es
schon ärgerlich, dass Männer, die vom anstrengenden Job
heimkommen, sich drüber mokieren, dass SIE die Mineralwasserkiste,
das Klopapier und die Tomatendosen aus dem Auto holen müssen. Den
Rest der Anstrengung, der schon im Haus oder im Tiergarten oder
einfach auf der Straße zum Spielplatz ist, sieht man ja nicht mehr.
Mittwoch, 11. August 2004
Napoleon
konnte angeblich gleichzeitig mehrere Dinge tun – wenn man schaut,
wer in unserer Gesellschaft diese Fähigkeit besitzt, kommt man
drauf, dass Napoleon wahrscheinlich doch eine Frau gewesen sein
muss. Telefonieren und dabei gleichzeitig Anregungen eines
Danebensitzenden hören und verarbeiten, gleichzeitig verhindern,
dass der Kleine die Fingern in die Steckdose steckt und der Großen
zuwinken, sie solle die überkochende Milch vom Herd ziehen.
Zugegeben, damit gewinnt man vielleicht keinen Schlachtenruhm, aber
die Effizienz
einer Frau muss man sich mal vergewärtigen. Woher kommt
diese Fähigkeit? Wirklich aus einem komplexeren Denken? Erst kürzlich
habe ich in der Zeitung gelesen, dass Wissenschafter festgestellt
haben, dass Frauen eine größere Hirnrindenfurchung und damit ein
komplexeres, vielschichtigeres Denken hätten. Was mich als Frau natürlich
freut. Was ich nicht ganz einsehe: Warum sind dann immer noch viel
mehr Männer an wichtigen Positionen des öffentlichen Lebens? Warum
ist es immer noch schwierig für Frauen, auch nur annähernd die
gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit ihrer männlichen Kollegen
zu bekommen? Das klingt jetzt vielleicht ein wenig polarisierend,
aber es ist ja doch erstaunlich, dass das hohe Potential, das Frauen
besitzen, nicht genutzt wird, und aus Gründen, die einfach nicht
einsichtig sind. Gott sei dank wird daran gearbeitet, zumindest
versprechen einige Politiker und Politikerinnen das. Hoffen wir nur,
dass sie auch den Sinn dahinter entdecken: ein gemeinsames Arbeiten
und Nutzen von Potential kommt allen zugute. Auch den Männern.
Donnerstag, 12. August 2004
Wir
leben in einer Gesellschaft, in der auf das Äußere sehr viel Wert
gelegt wird. Besonders betroffen ist davon die Frau, die sich nicht
nur einem Modedruck beugen muss, sondern auch und vor allem einem
Figurwahnsinn. Natürlich ist es schön, Frauen zu sehen, deren
Kurven nicht ein einziges Dellchen namens Cellulite kennen gelernt
haben, deren Taille von zwei Männerhänden umfasst werden kann,
deren Beine samtweich und ellenlang sind. Aber wo bleiben dann wir
normalen Frauen? Eine Hungerkur nach der anderen, ein Schönheitswässerchen
über das nächste? Fettabsaugen? Augenkorrektur? Nein, BEILEIBE nicht.
Abgesehen davon, dass das alles einfach zuviel Geld kostet, weil der
Markt ja weiß, dass sich viele diesem Diktat beugen. Vor nicht
allzu langer Zeit war im Kino ein herrlicher Streifen namens „Calender
Girls“ zu sehen, eine anrührende Geschichte über eine kleine
Schar alternder Frauen. Sie wollen für einen guten Zweck Geld
sammeln und verfallen auf die Idee, einen Fast-Nackt-Kalender zu
machen, einen wirklichen Kunstkalender. Natürlich müssen sie
zuerst die eigene Scheu, ihren nicht mehr knackigen, schon welkenden
Körper herzuzeigen, überwinden, aber der Effekt am Ende der
Geschichte ist der, dass alle ein bisschen mehr gelernt haben, zu
ihrem Körper zu stehen. Und wenn die Raupe Nimmersatt es eben nicht
geschafft hat, sich zum Schmetterling zu verwandeln, dann ist sie
immer noch eine schöne, interessante Raupe mit ein paar Bauchringen
zuviel. „Sich pflegen“ sagt ja eigentlich schon alles: SICH
pflegen, nicht ein Image, das von mir verlangt wird. Und dann mach
ich das, was mir gut tut, das kann eine Entschlackungskur sein, eine
Nachtcreme oder sonst was -aber in dem Maße, das ICH, und nur ich
bestimme. Denn wer zu seinem Körper steht, strahlt so viel aus,
dass alle Models der Welt dieses Strahlen nicht überdecken können.
Freitag, 13. August 2004
In
manchen Firmen ist es immer noch Gang und Gäbe, eine Frau, die sich
beim Bewerbungsgespräch einfindet, danach zu fragen, so en passant,
ob sie denn auch Kinder haben wolle. Abgesehen davon, dass es
verboten ist und man am besten mit deutlichen Worten dieser Firma
den Rücken kehrt, finde ich es eine Ungeheuerlichkeit, danach
eingeteilt zu werden, ob ich Kinder haben möchte oder nicht.
Dahinter steckt natürlich auch das Interesse des Arbeitgebers, nach
vier Monaten nicht schon wieder einen Karenzausfall zu haben, was
vom wirtschaftlichen Standpunkt gesehen ja teilweise nachvollziehbar
ist. Aber ist sich die Arbeitswelt bewusst, was ihr an Potential
verloren geht, wenn Frauen mit Kinderwunsch, oder, noch schlimmer,
Frauen, die bereits Kinder haben, keine Chance bekommen, ihre Ideen
und ihre Kraft einzusetzen? Wie kurzsichtig ist eigentlich diese
Welt? Frauen, die Mütter sein wollen oder sind – Stempel Pest?
Stempel Doof? Ja, es wird wohl ein Mehraufwand sein, und sehr
wahrscheinlich ist es schwieriger, Mütter ständig im Job zu haben
– denn Kinder sind tatsächlich manchmal auch krank, was
Erwachsene ja eh nicht mehr sein dürfen. Aber weiß denn keiner,
was in den Müttern steckt? Welches Potential da verloren
geht? Interessant sind für mich oft Gespräche am Spielplatz, wo
sich die Erziehenden treffen. Aha, Du bist Psychologin, schau. Oh,
und Du warst medizinisch-technische Assistentin! Warum ist es so
schwer zu begreifen, dass man auch nach der Babypause wieder voll im
Einsatz sein kann? Ja, mehr noch, dass man sich zuhause auch Fähigkeiten
erworben hat, die andere nicht haben? Die Chancen, nach ein paar
Jahren wieder in den Beruf einzusteigen sind, entgegen den
Beteuerungen mancher Politiker und Politikerinnen, nicht wirklich
rosig. Und die Firma, die als erste entdeckt, wer da am Spielplatz
sitzt und nur zu gern seine Kraft und Intelligenz zur Verfügung
stellen würde, diese Firma wird wohl den Wirtschaftsförderungspreis
für den Shooting Star des Jahres einheimsen...
Samstag, 14. August 2004
Es
gibt, entgegen der landläufigen Meinung, tatsächlich auch starke, mächtige Frauen.
Damit meine ich jetzt nicht nur solche, die es im öffentlichen
Leben zu etwas gebracht haben, sondern einfach Frauen, die wissen,
was sie wert sind, die umgehen können damit, Führungskräfte zu
besitzen, die wissen, dass sie andere für etwas begeistern können.
Selbstbewusste Frauen also. Und diese Spezies Frau hat es nicht eben
leicht. Das beginnt zuhause, denn wenige Männer sind, in unserer
Gesellschaft ja kein Wunder, so gelagert, dass sie es leicht
akzeptieren können, eine mächtige Frau an ihrer Seite zu haben.
Genau da setzt es nämlich an: viele begreifen das „an ihrer
Seite“ schon gar nicht. Wenn man das nämlich ernst nähme – ein
schöner Konjunktiv -, könnte es ja noch durchaus passieren, dass
man ein Team wäre! Und kennen sie viele Paare, die ein wirkliches
Team sind? Nicht ein Trainer und ein Oliver Kahn, der alles auffängt?
Oder schlimmer, ein Kapitän und ein Cheerleader? Im Team ist man
gleichberechtigt, bespricht alles gemeinsam, entscheidet gemeinsam,
oder aber gibt Kompetenzen auch ab. Dass die Meinungen natürlich
nicht immer gleich sind, versteht sich von selbst, aber wenn die
Kommunikation stimmt, wird es in den meisten Fällen auch
funktionieren, einen Kompromiss zu finden. Mächtige Frauen sind
nicht gefährlich. Sie sind nur dann schwierig auszuhalten, wenn sie
ihre Macht nicht gleichberechtigt einsetzen können und nicht
verstanden werden. Nur im Team ist man mächtig, Einzelkämpfer
verlieren immer.
|