Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Mag. Klaudia Achleitner (Oberndorf, Salzburg)
Sonntag,
10. 10. 2004
Die
Bewegung des Windrades
Guten Morgen! Vor kurzem nahm ich mir einmal die Zeit zuzuschauen, wie
sich ein Windrad bewegt. Es war für mich faszinierend, dieses
langsame, beinah majestätische Drehen der drei Flügel zu
beobachten. Dabei ist da kein Motor drin, der das Rad antreibt.
Nein, die Kraft kommt von außen – es ist der Wind, der die
Bewegung hervorbringt. Diese äußere Energie nutzen die Windräder
und verwandeln sie, um Strom zu erzeugen.
Diese Beobachtung war für mich der Anstoß darüber nachzudenken, wie
das bei mir oder bei anderen so ist. Welche Kräfte und Energien
fahren sozusagen mit der Leichtigkeit und Unvorhersehbarkeit des
Windes in mich hinein und bringen mich dazu sie in positive Energie
umzuwandeln? Da gibt es Menschen, die mich lieben, die mir ihr
Vertrauen schenken, die mir ihre Anerkennung aussprechen. Solche
Erfahrungen geben Kraft und spornen mich an, meine Liebe
weiterzugeben, anderen zu vertrauen und jemandem auch einmal zu
sagen: „Das hast Du gut gemacht!“ Manchmal lese ich eine kurze
Notiz in der Zeitung oder einen Absatz in einem Buch, die meine Räder
in Bewegung bringen und mich einige Dinge neu ordnen lassen.
Es sind immer diese konkreten Erfahrungen und Erlebnisse, die mir so große
und bewegende Worte wie die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erklären.
Auf diese Weise ist es jedenfalls leichter plötzliche Böen
abzufangen und sich vom immer wieder auftretenden Gegenwind nicht
bremsen zu lassen.
Montag,
11. 10. 2004
Die Schule hat uns wieder
Guten Morgen! Die Schultasche ist
gepackt. Die Hausaufgaben und die Jause sind drin. Mein Sohn hat
gefrühstückt und zieht sich gerade an. Seine Freunde werden ihn
gleich abholen. Eine neue Ära hat in unserer Familie begonnen. Die
Kleinkindphase ist endgültig vorbei und die Schulzeit fängt an.
Ich weiß ganz genau, dass er den Schulweg kennt, keine
Schwierigkeiten hat, sich in neuen Gruppen zurechtzufinden, eine
gute Auffassungsgabe hat und und und. Trotzdem denke ich mir immer
wieder: er ist ja noch so klein und soll ich ihm nicht vielleicht
doch helfen?
Jetzt gibt es plötzlich jemanden,
der sich in die Erziehung einmischt und auch Ansprüche an unser
Kind hat. Neue Regeln werden aufgestellt und Aufgaben müssen
erledigt werden. Damit sind wir Eltern aber nicht aus der
Verantwortung entlassen. Die Schule hat uns die Erziehung nicht
abgenommen. Uns als Eltern wird nichts weggenommen und wir brauchen
nichts aufzugeben. Wir sind dazu aufgerufen, uns weiterhin mit all
unserem Wissen und all unserer Erfahrung in die Erziehung unseres
Kindes einzubringen. Durch die Schule hat sich nur das Umfeld
unseres Kindes erweitert. Hierin liegt für das Kind die Chance,
Neues zu lernen, neue Erfahrungen zu machen und bereits Gelerntes zu
erproben.
Ich habe jedenfalls den Eindruck,
dass unser Sohn die neue Selbstständigkeit genießt und mit großer
Neugierde sein neues Umfeld erforscht.
Dienstag,
12. 10. 2004
Heut hast Du Geburtstag
Guten Morgen! Seit Tagen liegt ein
gewisses Prickeln in der Luft. „Mama, wie oft muss ich noch
schlafen, bis ich Geburtstag habe?“ Mehrmals am Tag werde ich an
die gewünschten Geschenke erinnert. Manchmal gibt es auch
Verzweiflungsanfälle. Was wäre nun, wenn der obermegacoole
Spezialtraktor nicht auf dem Geburtstagstisch liegen würde. Und natürlich
die Geburtstagsfeier nicht zu vergessen. Welche Freunde werden
diesmal eingeladen?
Mit Kindern ist es schön Geburtstag
zu feiern. Sie freuen sich auf ihren Ehrentag und man merkt ihnen
richtig an, wie sie sich darüber freuen, gefeiert zu werden und im
Mittelpunkt stehen zu dürfen. Später, wenn man älter wird, nehmen
viele diesen Tag dann nicht mehr so wichtig. Ach, das ist doch ein
Tag wie jeder andere. Dabei finde ich, dass der Geburtstag ein ganz
besonderer Tag ist. Es ist der Tag, an dem man auf die Welt gekommen
ist und mit der ersten Luft in den Lungen seinen ersten Schrei getan
hat. Es ist der Jahrestag, an dem man immer wieder daran erinnert
wird, dass man lebt. Und um sich für das Leben zu bedanken, kann
jeder für sich ein Ritual für seinen Geburtstag entwickeln. Wie wäre
es mit einer kleinen Feier oder mit einem guten Essen oder mit einem
Ausflug – der Phantasie, sich selbst zu feiern, sind da keine
Grenzen gesetzt.
In einem Kindergeburtstagslied heißt
es einmal „wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich
sonst sehr vermisst.“ Und das denke ich, stimmt für uns alle.
Auch wenn die Umstände manchmal nicht so rosig sind, dafür, dass
wir leben, können wir uns allemal bedanken.
Mittwoch,
13. 10. 2004
Ein Plädoyer für das Lesen
Irgendwann im Laufe eines Tages kommt
immer mal ein Kind mit der Frage zu mir: „Mama, kannst du mir ein
Buch vorlesen?“ Ja, natürlich kann ich, denn als alte Leseratte
habe ich für diesen Wunsch immer ein offenes Ohr. Und schon werden
die momentanen Lieblingsbücher angeschleppt, angefangen von den
Nachtgespenstern über Mein Freund, der ist Feuerwehrmann bis zu
Pippi Langstrumpf. Auch meine Jüngste, die noch nicht einmal reden
kann, kommt dann mit einem Buch anmarschiert und möchte es
vorgelesen bekommen.
Lesen bedeutet für mich, Neues
kennen zu lernen, mir Wissen anzueignen, Geschichten zu erleben und
in eigenen Bildern auszumalen. Es ist gewisserweise ein Aussteigen
aus dem Hier und Jetzt und ein Einsteigen in die Welt des Buches.
Bei Kindern funktioniert diese Trennung manchmal noch nicht ganz,
wenn z. B. irgendwo ein roter Wetterballon landet, laufen manche
nach Hause, denn da könnte ja Hatschi Bratschi, der Kinderfänger,
drinsitzen.
Durch das Lesen wird die Phantasie
angeregt. Gewaltige Abenteuer spielen sich im Kopf ab. Das ist das
Schöne daran, dass ich mir meine eigenen Bilder ausmalen kann und
meine Gedanken mit den Gedanken des Buches verbinden kann. Auf
einmal zieht Farbe in den Alltag ein. Die eingefahrenen Schienen
beginnen sich aufzulösen und es ergeben sich neue Ideen für die
Gestaltung des täglichen Lebens.
Ich bin nur froh, dass ich als
Erwachsene die Trennung zwischen Buch und Realität meist hinkriege
und wenn nicht - meine Mutter hat mir damals fest versichert: Den
Hatschi Bratschi gibt es nur im Buch.
Donnerstag,
14. 10. 2004
Mama braucht Zeit
„Mama, ich habe Hunger!“ „Mama,
ist mein oranges Leiberl immer noch in der Wäsche?“ „Mama,
kannst du mir bei der Aufgabe helfen?“ Manchmal könnte ich
ausflippen – meine Kinder wollen immer alles und möglichst noch
alles gleichzeitig. Da fragt mich keiner, wie es mir geht oder ob
ich vielleicht auch einmal Zeit für mich brauche. Putzen, Waschen,
Bügeln, Kochen, mit den Kindern spielen, lesen, lernen, die Kinder
trösten und gesund pflegen, Freizeitaktivitäten organisieren, Taxi
für die Kinder spielen usw. – das ist die nicht vollständige
Aufzählung der benennbaren Tätigkeiten einer Hausfrau und Mutter,
die sie oft zusätzlich zum Beruf zu erledigen hat.
Manchmal gibt es Phasen, da hat man
den Eindruck, es geht nicht mehr weiter. Die Luft ist heraußen und
Sinn sieht man auch nicht mehr viel in dem, was man gerade tut. Da
ist es dann spätestens so weit sich darüber Gedanken zu machen,
wie man wieder zu Kräften kommt und woher man die nötige Energie
beziehen kann. Es ist auch durchaus legitim, die Frage zu stellen,
was fehlt mir eigentlich in all dem Trubel, den ich die ganze Zeit
erlebe. Was kann ich für mich tun, damit ich wieder zufrieden sein
kann. Eine Wunschliste kann da zum Beispiel helfen, wo man einmal
alles aufschreibt, was man sich so für sich wünscht; egal, ob es
nun verwirklichbar ist oder noch nicht. Am besten hängt man die
Wunschliste gut sichtbar auf und fängt dann damit an, das eine oder
andere darauf zu planen und umzusetzen. Meist hilft das schon
gewaltig, um dem ganzen Trubel rundherum wieder gelassener ins Auge
zu schauen.
Freitag,
15. 10. 2004
Die Lust am Kochen
Heute ist es mir wieder passiert. Ich
bin in der Früh aufgewacht und der erste Gedanke, der mir durch den
Kopf gegangen ist, war: Was soll ich heute bloß wieder kochen?!
Vor Beginn meiner Karenzzeit habe ich
mir das richtig romantisch vorgestellt: jeden Tag ein Mittagessen
kochen und endlich konnte Schluss sein mit den ewigen Weckerln oder
Leberkässemmeln zu Mittag und dann abends oder überhaupt erst am
Wochenende einmal kochen, sich den Bauch voll schlagen und nicht gut
schlafen können.
Also begann ich Kochbücher zu wälzen.
Dabei war ich immer auf der Suche nach leicht und schnell
herstellbaren Gerichten. Sie müssen kindertauglich sein, das heißt,
nicht zu scharf und nicht zu fett und vor allem müssen sie meinen
Ansprüchen an eine ausgewogene, rundum gesunde Ernährung gerecht
werden.
Im Geiste gehe ich meine Vorräte im
Keller und im Kühlschrank durch und sehe dann die langen Gesichter
meiner Kinder schon wieder vor mir.
Denn trotz aller Vorbereitung und Überlegungen kommt es
immer wieder vor, dass ich mich frage, wozu ich mich denn
stundenlang in die Küche stelle und irgendwann werde auch ich zur
Tiefkühlkost – nein, ich spreche den Gedanken nicht aus. Ich
werde die Sache schon wieder hinkriegen mit viel Sauerrahm im
Linseneintopf, guten Würsteln zur Kartoffelsuppe und lustigen
Nudeln in der Gemüsesuppe. Denn ich möchte nicht nur von meinem
Mann, sondern auch von meinen Kindern gelobt werden. Und vielleicht
auch vom lieben Gott, wie sagt doch Teresa von Avila zu ihren
Mitschwestern – inmitten der Kochtöpfe erwartet euch der Herr.
Samstag,
16. 10. 2004
Ich möchte im Urlaub wohnen
Es ist noch gar nicht so lange her,
dass meine Tochter zu mir gesagt hat: „Mama, ich möchte im Urlaub
wohnen.“ Sie hat mir den Satz dann so erklärt, dass sie dann
jeden Tag baden könnte, im Sand spielen könnte, in der Hängematte
schaukeln könnte und Tomatensalat essen könnte.
Für mich fühlte sich diese Aussage
meiner Tochter, im Urlaub wohnen zu wollen, wie Balsam auf der Seele
an, weil mir dieser Wunsch nach Tapetenwechsel durchaus vertraut
ist. Im Alltag sind die Tage meist bestens durchorganisiert. Vom
Aufstehen bis zum Niederlegen finden die gleichen Rituale statt und
die gleichen Tätigkeiten müssen ausgeführt werden. Da kann es
schon passieren, dass einem die immer gleichen Handgriffe plötzlich
schwer fallen und man sich fragt, wozu man das alles eigentlich
macht. Man kommt sich dann vor wie ein Hamster in seinem Laufrad. Da
ist es spätestens Zeit an eine Veränderung zu denken. Ein
Tapetenwechsel muss her. Für ein paar Stunden, Tage oder Wochen
einmal den Alltag hinter sich lassen können und sich mit der
Familie oder mit Partner oder allein auf den Weg machen. Wenn man
sich von der Klammer des Alltags für kurze Zeit befreit, erscheinen
einem manche Alltagsprobleme in einem anderen Licht oder sie werden
plötzlich viel kleiner. Wenn man wieder heimkommt, hat man so viel
Energie getankt, dass einem das Leben zu Hause auch wieder Spaß
macht.
Insofern hat der Satz „Ich möchte
im Urlaub wohnen“ für mich etwas Verbindendes und
Herausforderndes. Ich werde dazu herausgefordert, meinen Alltag möglichst
bunt und abwechslungsreich zu gestalten.
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