Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

Mag. Andreas Schätzle (Mödling, NÖ)

 

„Unterwegs sein“

 

 

Sonntag, 9. Jänner 2005

Die Gefährten

 

Der Evangelist Lukas berichtet von zwei Männern, die von Jerusalem in ihr Dorf nach Emmaus wandern. Einige Zeit, vielleicht Monate mit Jesus unterwegs, kehren sie jetzt voller Enttäuschung und ungelöster Fragen nach Hause zurück. Der Schreck des Kreuzestodes Jesu sitzt ihnen tief in den Knochen, statt Begeisterung ist nur mehr Depression. Während sie darüber reden, ist plötzlich einer an ihrer Seite, hört ihnen zu, stellt Fragen, öffnet ihnen die Augen für den wahren Sinn der Ereignisse. Als sie dann in ihr Dorf kommen, bitten sie den geheimnisvollen Fremden – nebenbei gesagt: es ist der auferstandene Christus selbst: „Bleib doch bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt!“

 

Jetzt ist es Morgen und wir sind unterwegs in einen neuen Tag, eine neue Woche, mit unseren Hoffnungen und Sehnsüchten, vielleicht auch mancher Traurigkeit und Frage. Jeder Tag - eine neue Chance: Wer wird mir heute begegnen? Wem werde ich Gefährte sein? Ist Gott selbst an meiner, unserer Seite?

 

Auf den Straßen unserer Fragen und unserer Unruhe, zuweilen unserer tiefen Enttäuschungen, will der göttliche ‚Wanderer’ uns weiterhin Gefährte sein“ - Worte eines alten Papstes Johannes Paul II. am Abend seines Lebens, der so viele Wege mitgegangen ist.

(aus dem apstolischen Schreiben MANE NOBISCUM DOMINE von Papst Johannes Paul II, 2004)


Montag, 10. Jänner 2004

Die Rückkehr der Könige

 

Die Heiligen Drei Könige, gerade erst als Sternsinger von Haus zu Haus gezogen, machen sich noch einmal auf den Weg. Mit ihnen bereiten sich schon jetzt Jugendliche in aller Welt auf eine großes Abenteuer vor, das sie im Sommer zum Weltjugendtreffen nach Köln führen wird. 700.000 sind auf Einladung des Papstes beim letzten Weltjugendtag in Toronto gewesen, unter ihnen 2000 Österreicher. Köln, sozusagen direkt vor unserer Haustür, stellt eine großartige Chance dar, der Kirche in unseren Ländern neuen Schwung zu geben.

 

Im Kölner Dom werden nach alter Tradition die Reliquien der Hl. Drei Könige verehrt. In seinem Brief an die Jugendlichen nimmt der Papst darauf Bezug und schreibt: „Die Heiligen Drei Könige begaben sich mutig auf unbekannte Straßen und unternahmen eine lange und gar nicht leichte Reise. Sie zögerten nicht, alles zurückzulassen, um dem Stern zu folgen, den sie im Osten hatten aufgehen sehen (vgl. Mt 2,2). Wie sie rüstet auch Ihr Euch, liebe Jugendliche, für eine „Reise“. Sie führt Euch aus allen Erdteilen nach Köln. „Als die Könige den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt“ (Mt 2,10). Es ist wichtig, liebe Freunde, die Zeichen zu ergründen, durch die uns Gott ruft und führt.“

 

Welche Zeichen gibt mir Gott auf meinem Weg in diese Woche? Gehen wir nicht achtlos an ihnen vorüber, sie wollen uns etwas sagen...

 

 

Dienstag, 11. Jänner 2005

Die Flucht

 

Da war einmal ein Mensch, der wollte seinem Schatten entfliehen. Aber so schnell er auch lief, er konnte ihn nicht abschütteln. So geschickt er sich auch versteckte, sein Schatten war doch immer da. So sehr er auch schimpfte und weinte und mit seinem Schatten haderte, dieser wich nicht von seiner Seite, mal ging er ihm voran, mal folgte er ihm in seinem Rücken. Der Verzweiflung nah und total erschöpft von der großen Anstrengung sank der Mensch zu Füßen eines Baumes nieder, unfähig noch einen Schritt zu tun – als er aber aufblickte und ängstlich seinen Schatten suchte, konnte er ihn nicht finden. Nur den Schatten des Baumes, an dessen Stamm er lehnte, sah er rings um sich. Sein eigener Schatten war darin verschwunden.

Mensch, wo läufst Du hin? Ich bin auf der Flucht vor meinem Schatten, vor all dem Dunklen und Leidvollen in meinem Leben, vor meiner Schuld, meiner Unfähigkeit... Ich kann es nicht ansehen, nicht ertragen. Ich möchte nur davonlaufen.

 

„Kommt zu mir, die Ihr Euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich werde Euch Ruhe verschaffen!“ (Mt 11,28) Komm in den Schatten meines Kreuzes, es ist der Baum des Lebens, dort wirst Du Ruhe finden.

 

Mittwoch, 12. Jänner 2005
Ankommen

 

Immer schon haben mich die Erzählungen meiner Mutter fasziniert, wenn sie von den kilometerweiten Wegen berichtete, die sie wie die meisten Bauernkinder – bei Eis und Schnee genauso wie in der wärmenden Sonne eines strahlenden Frühlingstages - von abgelegenen Höfen zur nächsten Schule oder sonntags zur Kirche zurücklegen musste, von all dem, was sie auf diesen Wegen erdacht und erlebt hat.

 

Solche Szenen waren mir die liebsten in den Büchern von Astrid Lindgren: Kinder unterwegs durch Feld und Wald, in eigentümlicher Vertrautheit mit der Natur, die immer auch raue, ja unberechenbare Züge aufwies, manchmal barfuß, stets zu Streichen aufgelegt. „Michel aus Löneberger“, hieß eines dieser Bücher, in dem es um einen gar nicht braven Burschen geht, der in stetem Konflikt mit den Erwachsenen, insbesondere seinem Vater lebt.

 

Vertraut sind mir diese Kindheitsbilder von meinen Besuchen in der ärmlichen, aber so warmen Stube des kleinen Bauernhauses meiner Urgroßeltern und den ausgedehnten, abenteuerlichen Streifzügen durch die Innviertler Landschaft. Immer war es ein Stück Vertrautheit mit der Welt um mich herum, den Pflanzen und Tieren, eine stille Geborgenheit in Gottes Hand, immer auch das Gefühl der Einsamkeit unbekannter Wege, verschlungener Pfade, das Gefühl eines nicht Verstandenwerdens in der Welt der Erwachsenen und dann doch Ankommen in ihrer Stube mit dem feuerbeheizten Herd, der Katze auf dem Schoß, den vertrauten Stimmen lauschend. Noch heute sehne ich mich nach diesem Ankommen.


Donnerstag, 13. Jänner 2005

pantarei – alles fließt

 

Einer meiner oberösterreichischen Verwandten war ein Müller. Treu dem Lied: „das Wandern ist des Müllers Lust“ fuhr er im wohlverdienten Urlaub in der halben Welt herum. Saßen wir dann in der Stube zusammen, tauschten die Erwachsenen ihre Reiseberichte aus und erzählten zu einer guten Innviertler Jause vom Assuanstaudamm, vom Eifelturm und der Akropolis, von fernen Ländern und Menschen. Wenn es uns Kindern zu lange wurde, verzogen wir uns leise aus der Stube und erforschten die geheimnisvolle Mühle mit ihrem rauschenden Bach, den ratternden Maschinen und den mehlstaubigen Speichern.

„Vom Wasser haben wir’s gelernt“, heißt es im Lied: „es hat nicht Ruh bei Tag und Nacht, ist stets auf Wanderschaft bedacht, das Wasser.“ Als Onkel Ferdl an Alzheimer erkrankte, lief er in seiner Unruhe oft nächtens hinaus, um nach seinem geliebten Mühlbach zu schauen. Seine Frau wich bis zu seinem Tode nicht von seiner Seite, treu wie das Wasser, das die Mühle treibt, beständig wie der Müller, der dafür sorgt, dass es den Menschen nicht am täglichen Brot fehle.

 

Freitag, 14. Jänner 2005
Nachhaus

 

Als mein reisebegeisterter Onkel Ferdl, der Müller, seine Reise aus dieser Welt antrat und ihn - wie am Lande üblich - das ganze Dorf die Schritte bis zum Grab auf diesem letzten Weg begleitete, durfte ich die Hl. Messe für ihn feiern. Nicht nur das Lied von des Müllers Wanderslust, sondern noch ein andres Lied: „Die Mondnacht“ des Dichters Joseph von Eichendorff kam mir dabei in den Sinn. Es ist seit der Schulzeit mein Lieblingsgedicht, das ich immer schon mit den sanften, waldbewachsenen Hügeln, den stillen Tieren des Abends, den nach dem Regen so stark duftenden Acker der Innviertler Landschaft verbunden habe. Heute noch rauscht der Mühlbach und auch die alte Müllerin ist dort noch anzutreffen, nur die Mühle steht still, weil der Müller heimgegangen ist. Mit der letzten Strophe der „Mondnacht“ beschloss ich damals in der Dorfkirche meine Gedanken, mit den Worten des Dichters wünsche ich auch Ihnen einen schönen und erfüllten Tag, auf den sie am Abend gerne zurückblicken:

 

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)

 

Samstag, 15. Jänner 2005

Fürchte Dich nicht!

 

Manchmal sagen wir mit dem Brustton der Überzeugung: „Das ist so sicher wie das Amen im Gebet!“ „Maria (aber) sprach zu dem Engel: Wie soll das geschehen?“ (Lk 1,34) Der Engel brachte Maria eine großartige Botschaft: sie soll die Mutter Gottes werden, ein Kind empfangen, das Gottes Sohn ist. Maria ist sich ihrer eigenen Schwachheit bewusst: „Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut, wie soll das geschehen?“ Ihre Frage ist keine Ablehnung, sondern der Wunsch, sich ganz für das zu öffnen, was Gott schenken will. Mich fasziniert, dass Maria nicht nur „Ja und Amen“ sagt, sondern in dieser Frage ihre ganze Bereitschaft zum Ausdruck bringt, tiefer mitzuwirken bei dem, was Gott tut.

 

Unser Beten kann nicht nur „Ja und Amen“ sein. Es muss immer wieder auch Frage sein, die noch etwas erwartet, was von Gott kommt. Nicht ein „eh schon wissen“, hinter dem sich in Wirklichkeit eine große „Wurschtigkeit“ verbirgt. Wie schön, dass ich Gott meine Fragen stellen darf, weil ich mir wirklich etwas von ihm erwarte und weil ich wirklich mittun möchte.

 

Wie soll das geschehen, dass ich ein guter Mensch werde, wo ich doch immer in die selben Fehler zurückfalle? Wie soll ich mich mit meinem Ehepartner versöhnen, wo der mich doch so tief verletzt hat? Wie soll das geschehen, dass ich meine Angst besiege, wo ich mich so schwach, so ausgelaugt fühle? ... Der Engel sagte zu Maria: „Fürchte dich nicht – der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“. (vgl. Lk 1,30.35) Er sagt es auch zu Dir!