Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

„Briefe an einen (künftigen) Bischof“

von Pfarrer Wilfried Blum (Rankweil, Vlbg.)

 

 

Sonntag, 16.1.2005

Die Diözese Feldkirch hat derzeit keinen Bischof. Sie wird vom Apostolischen Administrator und Vorgänger Bischof Klaus Küng verwaltet. Wie so üblich brodelt die Gerüchteküche, wenn es um Namen möglicher Nachfolger geht. Damit will ich diesen Sonntagmorgen sicher nicht vergeuden. Vielmehr ist es mir ein Anliegen, einem zukünftigen Bischof Gedanken zu schreiben. Es sind Hoffnungen, die mich bewegen – Darum:

 

„Lieber künftiger Bischof,

wenn ich dir meine Gedanken schreibe, dann will ich dir nur etwas von meinen Hoffnungen und Ängsten zukommen lassen. Sie sind genährt von dreißig Jahren priesterlichen Wirkens.

Meine erste Hoffnung möchte ich aus der Jubiläumspredigt des heiligen Augustinus wiedergeben. Er sagt: ‚Wo mich in Schrecken hält, was ich für euch bin, da macht mir Mut, was ich mit euch bin. Denn für euch bin ich Bischof, mit euch zusammen bin ich Christ. Das eine ist der Name des Amtes, das andere bedeutet die Gnade. Das eine bezeichnet die Gefahr, das andere schenkt das Heil’. (Sermo 340,1).

Sei in allem ein Mensch mit Herz und Hausverstand, ein Zeuge des Auferstandenen und ein Bischof des Brückenbauens, der klaren Sprache und der geistlichen Leitung.“

 

Montag, 17.1.2005

Lieber (künftiger) Bischof von Feldkirch,

aus England stammt folgende Inschrift bei einem Kloster:

 

     Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte.

     Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Handlungen.

     Achte auf deine Handlungen, denn sie werden deine Gewohnheiten.

     Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

     Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

 

Im Alltagsgetriebe ist es nicht immer einfach, achtsam zu bleiben, schon gar nicht, wenn man beruflich und menschlich voll gefordert wird. Davon kann eine allein erziehende Mutter genauso ein Lied singen wie ein Fabrikarbeiter, ein Arzt, eine Bäuerin, ein Informatiker … um nur einige Berufe aufzuzählen. Menschen, die eine verantwortungsvolle Leitungsaufgabe haben, spüren das doppelt so stark. Trotzdem hoffe ich, dass du dir als Bischof bei allen Belastungen des Amtes jene christliche Achtsamkeit bewahrst, die dich menschlich feinfühlig sein und persönlich tief in Gott verwurzelt bleiben lässt. Es wäre eine besondere Auszeichnung, wenn man dich als einen Bischof mit christlicher Achtsamkeit erleben könnte. Andere gab es schon genug und gibt es immer noch. Genauso wünsche ich dir Menschen, die dich in dieser Tugend bestärken und notfalls auch ehrlich korrigieren.

 

Dienstag, 18. 1. 2005                            

Lieber künftiger Bischof (von Feldkirch),

du bist von der Flutkatastrophe in Südostasien sicher genauso betroffen wie ich.

Da verschlägt es einem die Sprache. Und angesichts der Dimensionen empfindet man eine tiefe Ohnmacht. Warum und wozu sind die bohrenden Fragen, auf die es keine leichte Antwort geben wird, soll sie nicht leer und oberflächlich ausfallen.

 

Erich Fried schrieb einmal: Wenn die Nacht keine Tür hätte, woher käme der Tag.

Es ist nicht so einfach, aber ohne das Eintauchen in die Nacht der Menschen und in die Dunkelheiten des Lebens wächst keine Sehnsucht nach dem Tag mit seinem Licht.

Ereignisse wie die Flutkatastrophe lassen etwas von den harten Nächten im Leben der Menschen, besonders der Ärmsten erahnen. Denn es wird noch deutlicher, wie einseitig der Reichtum verteilt ist: bei uns die armen Reichen, die sich wegen einiger Sonnentage über Weihnachten Fernreisen leisten können; dort die reichen Armen, die nichts haben außer Gastlichkeit und Herzlichkeit. Davon haben überlebende Flutopfer erzählt.

 

Ich wünsche mir einen mitleidsfähigen Bischof, der sich innerlich anrühren lässt und sich nicht scheut, in die Nächte der Menschen hineinzugehen, um mit ihnen in einen neuen Tag aufbrechen zu können.

 

 

Mittwoch, 19. 1. 2005                    

Lieber künftiger Bischof (von Feldkirch),

im vergangenen Frühjahr hat der Verkehrsclub Österreichs eine interessante Statistik veröffentlicht: Pro Jahr gibt es bei uns vierhundert Prozent mehr neue Autos als Geburten von Kindern. Und alle deklarierten Parkplätze zusammen verschlingen eine Fläche von 80 Quadratkilometer. Das sind etwa 12.000 Fußballplätze. Beeindruckend und bedrückend sind diese Fakten!  Was steckt dahinter für eine Grundeinstellung?

Natürlich brauchen wir das Auto; natürlich verbinden wir damit auch viele ungeahnte Möglichkeiten, die es früher nie gegeben hat; natürlich fahren wir viel umsonst durch die Gegend und belasten die Umwelt mehr als so mancher Transitverkehr; natürlich verbinden wir mit dem Auto auch ein gewisses Statussymbol und einen Hauch von Freiheit; natürlich …. aber, welchen Werten jagen wir da mehr oder weniger bewusst nach?

 

Wo sind jene Persönlichkeiten, die mutig für die Schöpfung eintreten und für eine lebenswerte Umwelt, in der auch noch die nächsten Generationen gesund leben können? Jene, die tagespolitisches Kleingeld damit machen, sind schnell stumm.

Deshalb wünsche ich mir einen Bischof, der engagiert aufsteht und für die Schöpfung, für das Leben, für klare Werte seine Stimme erhebt und deren Beachtung einmahnt…

nicht polternd, sondern überzeugend.

 

 

Donnerstag, 20. 1. 2005                      

Lieber künftiger Bischof (von Feldkirch),

der mutige Bischof in Limburg Franz Kamphaus hat bei einer Segnung den Kindern sehr liebevoll erklärt, was Segen bedeutet: "Der liebe Gott streichelt Dich". Wer in seinem Leben das Glück hatte, von seinen Eltern zärtlich gestreichelt worden zu sein, der erahnt etwas von dem, was mit Segen gemeint ist: Gottes Berührung und Nähe.

Manche Kirchenleute sind leider ins schiefe Licht gekommen. Sie haben mit eigennützigen Absichten andere missbraucht. 

 

Wenn Gott segnet, streichelt er uns. Er drückt damit seine absichtslose und befreiende Liebe aus. Wenn Gott segnet, dann lässt er es uns zärtlich spüren – mit allem Feingefühl, mit allem Respekt vor unserer Eigenart und unserer Freiheit. Wenn Gott segnet, will er nur, dass alles Gute in uns wachse und reife, vertieft und für andere fruchtbar werde.

 

Bischöfe segnen viel und alles Mögliche und Unmögliche, oft mit vielen Phrasen und leeren Zeichen. Ich wünsche mir, dass du als zukünftiger Bischof ein segnender sein wirst; Sei auch einer, der Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder ermutigt zu segnen – kraft ihrer Taufe und Firmung. So könnten viele Christen durch eine raue Welt eine Spur göttlicher Zärtlichkeit ziehen. Ist das nicht ein Segen für alle?

 

 

Freitag, 21. 1. 2005                             

Lieber künftiger Bischof (von Feldkirch),

im ORF-Religionsmagazin Orientierung erzählte unlängst ein Manager einer großen Firma, dass er für einige Stunden in der Woche in einem Krankenhaus in Wien regelmäßig Hilfsdienste und Krankenbesuche mache. Er empfinde diese Erfahrungen für sein Leben und seine Arbeit sehr bereichernd und möchte diese Zeit nicht mehr missen. Das ist schon ungewöhnlich!

Ich erinnere mich, wie vor vielen Jahren der weise Priester und Friedenskämpfer Heinrich Spaemann all jenen Politikern, die durch ihre militärische Macht über das Leben unzähliger Menschen entscheiden, mindestens zwei bis vier Wochen jährlich in einem Krankenhaus Dienst tun müssten. Denn nur so würden sie menschlich noch anrührbar bleiben und am eigenen Leib erleben, was menschliches Leid und Schmerz bedeuten.

Ich wünsche mir einen Bischof, der sich vom Leid der Menschen noch ansprechen und berühren lässt, weil er selbst immer wieder an den Orten der Nöte Dienst tut. So könnte er hautnah lernen, dass Jesus im Geringsten aller Brüder und Schwestern solidarisch gegenwärtig ist.

Den Manager fragt man übrigens noch, wie er das alles mit seinem Berufstress vereinen könne. „Was einem wichtig ist, dafür findet man immer Zeit. Ansonsten wäre er ein schlechter Manager!“ – war seine kurze Antwort.

 

 

Samstag, 22. 1. 2005

Lieber künftiger Bischof (von Feldkirch),

heute komme ich mit dem letzten Wunsch: Werde ein rebellischer Bischof. Nein, nicht so, dass du immer gegen alles sein sollst oder anders denken und handeln sollst, als Rom es will. Ich meine es eher so, wie es der ehemalige Caritas-Direktor Leopold Ungar einmal auf seine pointierte Art formulierte: "Konstruktive Kritik und gezielte Rebellion gegenüber der Kirche sind ein kräftigeres Zeichen von Liebe als resigniertes Schweigen und Lauheit".

Bischof sein bedeutet doch nicht, sein Rückgrad zu verbiegen oder zu verlieren; oder nur in eine Richtung den Mund auf zu tun. Ich kenne solche Bischöfe und Kardinäle, die zu ihrer Überzeugung stehen, die auch Dinge beim Namen nennen, die in Rom nicht Jubel auslösen.

Ich wünsche mir von dir, dass du - bei aller Verantwortung für die Gesamtkirche – trotzdem die berechtigten Sorgen und Wünsche deiner Leute ernst nimmst und gut vernehmbar an den richtigen Stellen zur Sprache bringst.

Werde ein Bischof, der nicht mit Schweigen seine Resignation ausdrückt, sondern offen und ehrlich zu seiner Überzeugung steht – als kräftiges Zeichen von Liebe.

 

Nun danke ich dir für deine Bereitschaft, meine Hoffnungen an dich anzuhören und im Herzen ehrlich zu erwägen. Ich bin gespannt!