Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Wolfgang Fank
Sonntag, 30. Jänner 2005:
„Laienpredigt“
Im
Religionsunterricht habe ich einmal die Schriftstelle vom
Weltgericht vorgelesen. Da heißt es unter anderem: „Ich war
hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war krank und ihr
habt mich besucht…“usw. Und zum Schluss heißt es: „Was ihr
dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Ich habe die Kinder gefragt: „Was meint ihr, wer sind die „geringsten
der Brüder“? Langes
Schweigen. Dann ein Mädchen, die Julia war es: „Ich weiß es,
Zwillinge.“ Ich hab so richtig lachen müssen. Weil Zwillinge ja
wirklich untergewichtig zur Welt kommen.
Wie
Kinder Wörter oft ganz anders begreifen als Erwachsene.
Wenn
ich sonntags predige, denke ich mir oft, hoffentlich verstehen mich
die Leute. Mein Lebens- und Glaubenshorizont ist ja ganz anders als
jener meiner Zuhörer. Ich habe Theologie studiert, das haben nur
einige von uns. Ich bin Ordensmann und lebe zölibatär, als
einziger in meiner Pfarre. Werden mich da die Leute wohl verstehen,
wenn ich predige?
So
finde ich es gut, dass bei uns einmal im Monat ein Laie, ein Mann
oder eine Frau, bei der Messfeier zu Wort kommt. Keine
Predigt im strengen Sinn, sondern ein Glaubenszeugnis.
Es
kann ja sein, dass Laien von Laien besser verstanden werden und dass
nicht nur Priester, sondern auch Laien Geistvolles zu sagen haben.
Montag, 31. Jänner 2005:
„Opfergeld“
„Weißt
du, was die Pfarrer mit dem Opfergeld machen?“ hat mich einmal ein
gutmütiger, aber schelmischer, älterer Mann gefragt. „Weiß ich
nicht“, hab ich ihm geantwortet. „Ich schon“ sagte er, „Der
Pfarrer nimmt das ganze Opfergeld wirft es zum Himmel hinauf und
sagt: Herrgott, was Dir gehört, das behalte, und was herunterfällt,
das gehört mir.“
Nun
weiß ich natürlich schon längst, dass vom Opfergeld kein Groschen
und kein Cent dem Pfarrer gehören.
Dieses
Geld ist für die Erhaltung der Kirche: für Anschaffungen,
Renovierungen, Versicherungen, Kanzleiaufwand, kleinere Gehälter
sind auch dabei. Ich habe zusammengerechnet, wie viel da im vorigen
Jahr in unserer Pfarre gespendet wurde: 14.300 Euro. Das sind fast
200.000 Schilling. Das ist viel Geld. Dafür bedanke ich mich bei
den Kirchenbesuchern recht herzlich.
Dann
gibt es ja noch andere Sammlungen in der Kirche, Gelder, die für
Notleidende im In- und Ausland bestimmt sind. Auch da ist im Vorjahr
in unserer Pfarre viel gespendet worden, insgesamt fast 17.000 €.
Es ist erstaunlich, wie viel gespendet wird. Obwohl die Leute ihren
Kirchenbeitrag leisten, das alles auch noch. Ich sage einfach
„Danke“ und „Vergelt’s Gott.“
Dienstag, 1. Februar 2005:
„Sport“
„Treiben
Sie eigentlich Sport?“, fragt der Arzt seinen Patienten. Darauf
der Angesprochene: „Ich bewege mich auf die 60 zu, und das ist
eigentlich genug an Bewegung.“ Ein Witz aus dem Sonntagsblatt.
Ich
denk da ganz anders. Ich bin bald 62 und mache eigentlich viel
Bewegung. Fast jeden Tag bin ich eine halbe bis eine ganze Stunde im
Freien. Ich habe für mich den Seniorensprint erfunden. Der geht so:
100 Schritte laufen, 10 Schritte gehen, 100 Schritte laufen, 10
Schritte gehen, usw. Vor
allem seit meiner schweren Krebserkrankung ist Bewegung für mich
Medizin Nr.1.
Einer
meiner Pfarrerkollegen hat mir einmal während einer Sitzungspause
gesagt: „Sport und Turnen füllen Gräber und Urnen.“
„Was, das sagst Du gerade mir?“ Habe ich entrüstet zurückgefragt.
Vielleicht
ein Jahr später habe ich einen medizinischen Bericht über die
Wichtigkeit regelmäßiger Bewegung gelesen. Den habe ich kopiert
und jenem Mitbruder geschickt mit der Bemerkung: „Turnen und Sport
gewähren Gesundheit immerfort.“ Er schrieb mir darauf zurück.
„Ich kann dir mitteilen, ich habe mich schon vor längerer Zeit
bekehrt.“
Und
was wir ja immer schon gewusst haben, Bekehrung ist in jedem Alter möglich.
Mittwoch, 2. Februar 2005:
„Schiefer
Zahn“
Im
Religionsunterricht kann so allerhand vorkommen. Einmal habe ich
versucht, eine Bibelstelle ganz spannend zu erzählen, damit dann
die Kinder gierig sind, sie zeichnerisch zu verarbeiten. Ich habe,
glaube ich, gut erzählt. Dann habe ich gefragt: “Kinder, was könntet
ihr davon zeichnen“? Nach einer Pause sagt ein Mädchen, es war
Christiane: „Bitte, Herr Pfarrer, Sie haben einen schiefen
Zahn“. Oje, das war die Ausbeute meiner spannenden Erzählung.
Ich denke mir: Wie anders Kinder die Welt sehen! Ihnen fallen Dinge
auf die Erwachsene gar nicht bemerken. Ich bin mir auch sicher, dass
Frauen die Wirklichkeit anders erfassen als Männer, anders fühlen
und anders reagieren. Viele Beleidigungen entstehen durch Missverständnisse.
Ähnlich ist es zwischen Jung und Alt, zwischen Chef und Lehrling,
usw.
Im
Zweifelsfalle empfiehlt sich, so manche Wortmeldung in der Familie
oder auch am Arbeitsplatz nicht so tragisch zu nehmen; nicht jedes
Wort gleich auf die Waagschale zu legen. Wie heißt es so schön:
Humor hat, wer trotzdem lacht.
Dass
ich einen schiefen Zahn habe, nehme ich ja auch nicht tragisch.
Donnerstag, 3. Februar 2005:
„Für
die Katz“
Ein
Witz aus meiner Kindheit! Kommt ein Bauer in die Apotheke und sagt:
„Ich brauch was für die Katz“. Darauf deutet der Apotheker auf
die Regale und sagt: „Das alles ist für die Katz!“
Heute
scheint in Österreich die kath. Kirche für die Katz zu sein. An
die 45.000 Österreicherinnen und Österreicher sind im letzten Jahr
ausgetreten. Für sie war die Kirche für die Katz.
Kürzlich
kommt ein älteres Ehepaar zu mir. „Wie geht’s?“ frage ich.
„Nicht sehr gut“ sagt die Frau. „Die Verdauung haut nicht hin,
vor allem die Kreuzschmerzen sind arg. Die strahlen aus bis zu den
Zehen. Jetzt haben wir eine Salbe gefunden. Mit der hat mich der
Mann ein paar Mal eingeschmiert. Des hat gut geholfen. Deshalb sein
ma grad vorher wieder in der Apotheke gewesen und haben uns glei
noch eine Salbe gekauft, damit wir eine auf Reserve haben. Also ist
die Apotheke doch nicht für die Katz.
Dann
erzählt die Frau: „Mein Mann war drei Wochen im Spital. Deshalb
habe ich sonntags nicht in die Kirche gehen können. Das ist mir so
abgegangen. I sog eanas: Am wohlsten fühle ich mich wegen de
Schmerzen im Bett oder in der Kirche.“
Also
ist die Kirche doch nicht ganz für die Katz.
Freitag, 4. Februar 2005:
„Auferstehung“
Die
Eltern durchwandern mit dem Söhnchen das Naturhistorische Museum.
Plötzlich stehen sie vor einem menschlichen Skelett. Das Söhnchen
nach langem Grübeln: „Mama, kommt denn nur der Speck in den
Himmel?“
Ich
möchte wissen, was die Mama darauf gesagt haben könnte.
Und
was kann ich dazu sagen?
Ich
schaue in die Bibel. Da heißt es z.B.: Es gibt einen irdischen Leib
und einen himmlischen Leib, der irdische ist vorher, der himmlische
kommt nachher. Der irdische Leib ist sterblich, der himmlische ist
unsterblich.
Und
die Seidenraupe fällt mir ein und was sich daraus entwickelt. Die
Raupe ist ein träges Tier, gar nicht schön, hat nur das Fressen im
Sinn. Wenn sie sich aber entpuppt hat, kommt ein wunderbarer,
farbenfroher Schmetterling heraus. Kaum zu glauben, was da in einer
Raupe drinsteckt. Und was steckt alles im Menschen drin?
Das
Wort Person kommt vom Lateinischen „personare“. D.h. durchtönen.
Das wichtigste am Menschen ist das, was durch Mark und Bein
durchstrahlt – die Seele mit all ihren leiblichen und weltlichen
Erfahrungen.
Weder
Fett noch Speck werden auferstehen, sondern das Feinste von mir, das
wird auferstehen. Das erhoffe ich mir jedenfalls, weniger nicht.
Samstag, 5. Februar 2005:
„Esel“
Ein
deutscher Pfarrer hat in seinem Pfarrblatt die hl. Familie
abgebildet, wie sie auf der Flucht nach Ägypten war. Da ist Josef
zu sehen, der den Esel führt, darauf sitzt Maria, die das Jesuskind
trägt. Der Pfarrer schreibt darunter: Es ist tröstlich, dass der
Sohn Gottes sich und sein Mutter von uns Eseln tragen lässt.
Von
der Anrede „Hochwürden“ haben wir uns schon längst
verabschiedet. Ich bin froh, dass die Leute bei aller Wertschätzung
dem Priester gegenüber ihn auch menschlich sehen. Er hat Fehler und
Schwächen.
Ich
spüre das besonders seit meinen schweren Operationen. Seither bin
ich nicht mehr so leistungsfähig wie früher. Aber seit ich nicht
mehr so viel tun kann, geschieht sogar mehr in unserer Pfarre. Die
Last des Pfarrers hat sich eben auf viele andere Esel aufgeteilt.
Und das finde ich gut so.
Was
ich noch sagen will: Bei der hl. Messe, ausgerechnet, wenn ich die
Wandlungsworte spreche und dann Christus in den Händen halte,
versagt mir oft die Stimme. Mich wundert’s nicht, dass mir die
Stimme bricht, wenn ich das Heilige in den Händen trage.
Seit
einigen Jahrzehnten dürfen auch die Laien die heilige Hostie in
ihre Hände nehmen. Da lässt sich Jesus wieder von vielen Eseln
tragen. Ich finde das wunderbar! Wir alle dürfen Christus tragen.
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