Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

von Andrea Kerschbaumer, Religionslehrerin aus Villach und Fachinspektorin für den Katholischen Religionsunterricht in Kärnten

 

 

Sonntag, 13.3.2005

Sind Sie glücklich? Kürzlich wurde ich gefragt: Bist du eigentlich glücklich? Ich denke nach und finde lange keine Antwort.

 

Jeder ist seines Glückes Schmied. Glücklich ist, wer vergisst. Diese Sätze drängen sich in mein Bewusstsein und blockieren beharrlich jede überzeugende Antwort. Bin ich nun glücklich oder nicht? Je länger ich nachdenke, umso schwerer fällt mir die Beantwortung dieser Frage.

 

Ich überlege, geht es mir vielleicht wie jenem Mann, von dem folgende Geschichte erzählt.

„Warum hetzt du denn so atemlos durchs Leben?“, wird eines Tages ein Mann von seinem Freund gefragt. „Ich bin meinem Glück hinterher!“, antwortet der erste. „Wenn ich schnell genug bin, werde ich es eines Tages einholen.“ „Aber vielleicht“, erwidert der andere, „ist das Glück hinter dir her. Und du musst nur langsamer gehen, dann könnte es dich einholen!“

 

Ich frage mich, könnte es sein, dass auch ich zu schnell bin auf meiner Suche nach dem Glück? Dem Glück auf der Spur sein heißt wohl spüren, was wesentlich ist. „Wer Einsicht bewahrt, findet sein Glück“, heißt es in der Heiligen Schrift. Alles Glück beginnt demnach in mir selbst: was mich erfüllt, was mich sein lässt, mein Glaube an einen Gott, der mit mir geht …

 

Heute weiß ich, im Grunde meiner Seele bin ich glücklich, und Sie? Sind Sie glücklich?

 

 

Montag, 14.3.2005

Welchen Tag haben wir heute? Montag! Erst Montag?! Fünf Tage noch bis zum Wochenende! Warum erscheint mir jedes Wochenende so kurz, dagegen jeder Arbeitstag so lange? Liegt es an mir? Oder liegt es an meinem Arbeitsplatz? Meine Arbeit gefällt mir, aber …

 

Ich erinnere mich an eine Geschichte. Drei Bauarbeiter waren dabei, Steine zu behauen als ein Fremder zu ihnen trat und fragte: „Was tun Sie da?“ „Sehen Sie das nicht? Ich behaue Steine.“, meinte der Erste und sah nicht einmal auf. „Und was tun Sie da?“, fragte der Fremde den Zweiten. Seufzend antwortete der: „Ich muss das Geld für meine Familie verdienen.“ Der Fremde fragte auch den Dritten: „Und was tun Sie da?“ Dieser blickte hinauf in die Höhe und antwortete voller Stolz: „Ich baue einen Dom!“

Alles eine Frage der Einstellung, sagen Sie?

„Seid standhaft und unerschütterlich.“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde von Korinth. „Nehmt immer eifriger am Werk des Herrn teil, und denkt daran, dass im Herrn all eure Mühe nicht vergeblich ist.“

Eine Frage der Einstellung, sage ich, und freue mich, dass heute erst Montag ist.

 

 

Dienstag, 15.3.2005

Wie wird das Wetter heute?

Kennen Sie das? Aufstehen – der erste Blick aus dem Fenster – und dann die unausbleibliche Frage: Wie wird das Wetter heute? Es beginnt kaum ein Tag, an dem ich mir diese Frage nicht stelle. Und nicht nur das - manches Mal ertappe ich mich dabei, wie sehr der morgendliche Wetterbericht meinen weiteren Tagesverlauf beeinflusst.

 

Da geht es um die Auswahl der Kleidung, Vorhaben fallen sprichwörtlich „ins Wasser“, das Stimmungsbarometer schlägt Kapriolen. Also kurz und gut – ich liebe nicht jedes Wetter!

 

Doch, es war einmal ein Schäfer, der liebte jedes Wetter. Ein Wanderer fragte: „Wie wird das Wetter heute?“ Der Schäfer antwortete: „So, wie ich es gerne habe.“ „Woher wisst Ihr, dass das Wetter so sein wird, wie Ihr es liebt?“ „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht immer das bekommen kann, was ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich bekomme. Deshalb bin ich ganz sicher: Das Wetter wird heute so sein, wie ich es mag.“

 

Ein Schäfer, von dem man lernen kann – Gelassenheit, Zufriedenheit, Wege zum Glück … und - die Liebe zu jedem Wetter.

Was meinen Sie, wie wird das Wetter heute?

 

Mittwoch, 16.3.2005

Wo bin ich?

Kennen Sie das? Der Wecker läutet – gerade haben Sie noch geträumt, wovon eigentlich? Und überhaupt – wo bin ich?

Manche Tage beginnen einfach so – orientierungslos sozusagen – wo bin ich? Ich bin noch nicht ganz da, sage ich. Heute stehe ich neben mir, spüre ich. Ein Blick in den Spiegel – bin das ich?

 

Ich lese – ein Zettel an meiner Tür – „Ich bin auf der Suche nach mir. Daher bin ich vorübergehend nicht anzutreffen. Bis dahin ist, was aussieht wie ich nur die Verpackung.“

 

Wo bin ich? – Die Frage als Chance, mich in den Blick zu nehmen, meinen Platz auf meinem Lebensweg neu zu bestimmen, bei mir wieder neu anzukommen in der Gewissheit der Zusage und Gegenwart Gottes.

 

Im Psalm 139 lese ich: … und nähme ich Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder am äußersten Meer, auch dort wird deine Hand mich ergreifen.

 

Wo bin ich? - frage ich. Jetzt weiß ich es wieder: Ich bin da. Und du bist mit mir, du mein Gott.

 

 

Donnerstag, 17.3.2005

Menschengärtner

Haben Sie ihn – den grünen Daumen, der alles zum Wachsen, Gedeihen und Blühen bringt? Dann gehören Sie zu jener Sorte von Menschen, die wegen des gesunden Wachstums ihrer Pflanzen von ihren Mitmenschen uneingeschränkt beneidet werden. Und alle werden Ihnen bestätigen: Sie haben ihn – den grünen Daumen!

 

Kürzlich habe ich ein für mich neues Wort gehört: „Menschengärtner“. Das kann es nicht geben, meinen Sie?! Menschen als armselige Pflänzchen, dem Geschick des Gärtners ausgeliefert – willenlos, jederzeit zu verpflanzen?

 

Doch - sehen Sie es einmal anders: Ein Gärtner ist jemand, der sich kümmert,

jemand, der die Pflanzen an den für sie besten Platz setzt, der ihnen alles gibt, was sie wachsen und gedeihen lässt. „Menschengärtner“ haben den grünen Daumen, indem sie ihren Mitmenschen die besten Lebensbedingungen geben, sie mit reichlich Lob „düngen“ und ihnen entsprechende Ruhephasen gönnen.

 

Menschen werden erblühen und auch Ihr eigenes Leben erfreuen. Versprochen! Probieren Sie es einfach einmal aus!

 

 

Freitag, 18.3.2005

Morgengymnastik

Erinnern Sie sich noch? Damals, als Ilse Buck über den Äther unzählige Österreicherinnen und Österreicher zum Morgensport verpflichtete.

 

Fit mach mit! So lautete schon damals die Devise. Kein Morgen ohne Ilse Buck! Kein Morgen ohne Morgengymnastik! Und jene, die der Vorturnerin der Nation nicht aktiv folgten – kreisten zumindest gedanklich die Hüften.

 

Ich gestehe, ich muss mich bis zum heutigen Tag zu den mental Reckenden und Streckenden zählen. Wie, wollen Sie wissen?

 

Ich stehe mit dem rechten Fuß auf, öffne das Fenster meiner Seele, wende mein Gesicht der Sonne entgegen, und springe ein paar Mal über meinen Schatten.

 

Die weitere Anleitung für mein morgendliches Fitnessprogramm entnehme ich dem ersten Petrusbrief, in dem es heißt: Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes. Werft alle Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch!

 

Fit mach mit! So lautet die Devise – damals, heute, morgen und bis in alle Ewigkeit.

 

 

Samstag, 19.3.2005

Immer nur ich!

Manchmal frage ich mich: Warum immer nur ich? Geht es Ihnen auch so? Sie sind überzeugt, alle Last hängt nur an Ihnen, für alle Fragen, Sorgen und Nöte sind Sie zuständig und Sie können nicht mehr ruhig schlafen? Dann wissen Sie, was ich meine!

Doch - ich kann Sie beruhigen; wir sind nicht alleine. Dieses Problem kommt auch in allerhöchsten Kreisen vor: Ein neu ernannter Bischof beklagte sich in einer Privataudienz bei Papst Johannes XXIII, dass die neue Bürde ihn nicht mehr schlafen lasse. „Oh je“, meinte Johannes in mitleidsvollem Ton, „mir ging es in den ersten Wochen meines Pontifikates genauso, aber dann sah ich einmal im Wachtraum meinen Schutzengel, der mir zuraunte: ‚Giovanni, nimm dich nicht so wichtig …’. Seitdem schlafe ich wieder ruhig.“

Auch Jesus Sirach, ein alttestamentlicher Weisheitslehrer, gibt den Rat, uns nicht zu übernehmen: Strebe nicht nach Aufgaben, die für dich zu schwer sind, und nach einem Werk, zu dem deine Kraft nicht reicht. Mehr, als du ohnehin tun musst, sollst du nicht erstreben, denn dir ist schon mehr aufgetragen, als du bewältigen kannst.

 

Ich gebe es zu, oft nehme ich mich viel zu wichtig. Vielleicht überhöre ich gerade deshalb meinen Schutzengel, der zu mir sagt: „Andrea, nimm dich nicht so wichtig!